Interview Edeka Nord Leidenschaftliche Vollsortimenter

Die Edeka Nord will eine bessere Esskultur bei den Kunden fördern. Über ihre Strategie sprechen die Geschäftsführer Carsten Koch und Martin Steinmetz mit der LP.

Donnerstag, 26. Januar 2012 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Leidenschaftliche Vollsortimenter
Martin Steinmetz:
Bildquelle: Geisler

Das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher zu stärken, ist eines der Hauptziele der Edeka Nord. Dabei spielt unter anderem das Thema Regionalität eine wichtige Rolle. Der Ausbau der Eigenmarke „Unser Heimat – echt und gut“ ist aber nur einer der Punkte, die bei den Geschäftsführern Carsten Koch (Sprecher) und Martin Steinmetz auf der Agenda stehen.

Die Edeka Nord hat mit 86 Prozent einen sehr hohen Anteil an Selbstständigen. Ist es vorstellbar, dass die Edeka Nord komplett ohne Regie auskommt?
Carsten Koch: Das wäre nicht sachgerecht. Wir sind zwar davon überzeugt, dass der SEH das grundsätzlich bessere Modell ist, aber wir brauchen eine Regie als Experimentierwiese und das Know-how der Mitarbeiter, um zum Beispiel einen Markt aufzufangen, den ein Selbstständiger – aus welchem Grunde auch immer – aufgeben muss. Damit diese Kernfunktionalität gewährleistet und auch die Zentralkosten nicht unangemessen hoch sind, muss eine Regie eine gewisse Grundgröße haben. Die haben wir mit unseren 33 Regiemärkten.

Welche Expansionspläne haben Sie für 2012?
Koch: Wir haben unsere Standortabteilung kontinuierlich personell erweitert, weil es nötig ist, die baurechtlich immer knapper werdenden Flächen für unsere Kaufleute zu akquirieren. Über konkrete Pläne für 2012 verrate ich aber noch nichts. In jedem Falle wollen wir durch die Expansion nicht nur die natürliche Abschmelzung von Altflächen kompensieren, sondern saldiert Flächenwachstum ausweisen.

Bereitet es Ihnen Kopfzerbrechen, dass Netto Markendiscount auch um diese Standorte buhlt?
Koch: Das Thema ist in seiner Bedeutung arg überzeichnet worden. Ich halte die Wettbewerbssituation mit Netto nicht für die Kernherausforderung der Edeka.

Was ist die Kernherausforderung?
Koch: Die Kernherausforderung der Edeka Nord ist, im Wettbewerb um den Vollsortimentskunden das beste Angebot zu machen. Wir sind leidenschaftliche Vollsortimenter. Die Vielfalt, die wir anbieten – auch im Preiseinstieg –, ist wesentlich höher als bei Discountern, und bezüglich der Preisstellung sind wir auch Discounter.


Trotzdem expandieren die Discounter. Auch Netto soll nach dem Willen von Edeka-Chef Markus Mosa bald 5.000 Filialen haben.
Koch: Die Baunutzungsverordnung privilegiert Einzelhandelsansiedlungen mit 800 qm Verkaufsfläche, das ist genau die Fläche, die Discounter brauchen. In Hamburg, einer der reichsten Städte Europas, ist zum Beispiel das Vollsortiment krass unterrepräsentiert. Ich glaube, dass da die politischen Entscheidungsträger ihre Verantwortung nicht optimal nutzen. Wenn man Pech hat, nehmen in kleineren Einzugsgebieten die Discounter dem Vollsortimenter so viel an Umsatzvolumen weg, dass dieser irgendwann den Ort verlässt, und dann wundern sich die Verbraucher, dass sie am Ende nur noch Discounter in der Nähe haben.

Zuletzt haben die Vollsortimenter gegenüber den Discountern aber wieder Boden gut gemacht.
Koch: Es ist richtig, dass die Verbraucher in kleinen Schritten stärker qualitäts- und weniger discountorientiert sind. Das ist die richtige Richtung, das hat mit Vielfalt und Lebensmittelkultur zu tun. Das wollen wir als Edeka gern weiter befeuern.

Welche Rolle spielt dabei das Thema Regionalität?
Koch: Eine wichtige. Wir wollen Alternativen bieten, die landwirtschaftspolitisch die richtigen Impulse liefern und über die Qualität des Produkts überzeugen. Die selbstständigen Kaufleute vor Ort sind für uns Garant für Regionalität und Lokalität. Sie sollen Lieferantenbeziehungen vor Ort pflegen. Das Problem ist, dass Kennzeichnungs- und Hygienevorschriften eher die industrielle Nahrungsmittelerzeugung fördern und die handwerkliche kaputt machen. Je schärfer die Vorschriften werden, desto kleiner wird der Variantenreichtum.

Die Edeka Minden definiert Regionalität nach Kilometern. Was bedeutet bei der Edeka Nord Regionalität?
Martin Steinmetz: Wir wollen innerhalb unseres Absatzgebietes die Versorgung mit regionalen Produkten herstellen, wir haben aber z. B. nicht alle 30 km um jeden Standort herum eine brauchbare Käserei. Möglicherweise lässt sich Regionalität nur warengruppenspezifisch definieren. Was aus der Osterhusumer Meierei nahe Dänemark kommt, ist im südholsteinischen Bereich schon nicht mehr „Unsere Heimat“. Es hängt auch von jedem Verbraucher ab. Manche haben eine totale Fokussierung auf die Orte, die sie kennen, und andere sind zufrieden, wenn sie ein norddeutsches Produkt kaufen können.

Wie schlagen regionale Produkte beim Umsatz zu Buche?
Steinmetz: Früher gab es keine Statistik, die den Umsatz von regionalen Produkten ausgewiesen hat, aber seit wir hier seit eineinhalb Jahren einen Schwerpunkt setzen, steigt der Umsatz zwangsläufig – und umso mehr, je mehr Artikel wir aufschalten. Auch die Eigenmarke „Unsere Heimat – echt und gut“ wird sehr gut angenommen, zum Beispiel liegt der Eigenmarkenanteil bei O&G über 50 Prozent. Wir haben trotz EHEC ein leichtes Umsatzplus in diesem Bereich. Dabei hat uns EHEC massiv betroffen – Bienenbüttel liegt in unserem Absatzgebiet. Bis Ende Mai hatten wir ein zweistelliges Umsatz- und Absatzplus bei O&G, dann ist das jäh eingebrochen. Jetzt sind wir wieder mit einem leichtem Umsatzplus gegenüber dem Vorjahr unterwegs.

Wollen Sie das Sortiment von „Unsere Heimat“ weiter ausbauen?
Koch: Ja, bei Molkereiprodukten sowie O&G, über die genaue Größenordnung kann ich aber noch nichts sagen. Wir wollen schon aufpassen, dass mit den „Unsere Heimat“-Produkten kein Etikettenschwindel betrieben wird, der medial anderen vorgeworfen wird, die unter heimischem Werbedach plötzlich Kaffee aus Norddeutschland verkaufen.
Steinmetz: Das Ziel ist ja, den regionalen Bezug in der Erzeugung komplett durchzuziehen, denn nur so kriegt man es hin, nach so einer Krisensituation das Vertrauen wiederzubekommen. Das können wir dann nicht auf jede Warengruppe erweitern.


Stichwort E-Commerce. Manche Ihrer Händler bieten das im Kleinen schon an. Planen Sie Edeka-Nord-weit ein Online-Konzept?
Koch: Ja, unbedingt. Wir bekommen aber jetzt keine Torschlusspanik, sondern wir müssen gucken, wie wir unser vorhandenes System sinnvoll ergänzen können um einen weiteren Absatzkanal. Eine Stand-alone-Lösung ohne Einbeziehung unserer Einzelhändler wird es nicht geben.

Werden Sie einen Drive-in-Markt, wie ihn andere Handelsunternehmen schon betreiben, eröffnen?
Koch: Ja, aber der Zeitpunkt ist noch offen. Bisher gibt es noch keinen konkreten Standort und noch keinen Namen dafür.

Denken Sie über ein eigenes Convenience-Konzept nach?
Koch: Unser Konzept ist ein ganz einzigartiges, meine ich. Wir brauchen kein spezielles Convenience- oder Kleinflächen-Konzept, sondern wir machen für jeden Laden ein individuelles Konzept. Die Kaufleute vor Ort kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden am besten und richten sich danach aus. Abstrakte, zentralistische Konzepte helfen da nicht.

Wie fällt die Bilanz für 2011 aus?
Koch: Wir liegen leicht oberhalb unserer Planung und haben ein Umsatzplus von circa 5 Prozent. Ich denke, das Schiff ist auf gutem Kurs.?

Das Unternehmen: Im Jahr 2010 hat die Edeka Nord einen Umsatz von 2,32 Mrd. Euro erwirtschaftet, 2011 gab es nach Angaben von Geschäftsführer Carsten Koch ein Plus von etwa 5 Prozent. Die Regionalgesellschaft hat einen sehr hohen Anteil an SEH (86 Prozent). Bei der Sortimentsqualität setzen die Eigenmarke „Unsere Heimat – echt & gut“ mit gentechnikfreien Produkten und einem regionalen Milchpreisbonus sowie die neue Biofleisch-Range „Natur Pur“ Zeichen. Auch in Sachen Energiesparen sind die Nordlichter Vorreiter.
Carsten Koch (51) ist seit 2005 Geschäftsführer der Edeka Nord, im August 2008 wurde er zum Sprecher ernannt. Er verantwortet u.a. die Ressorts Einkauf und Vertrieb, Regie, Finanzen, Immobilien und allgemeine Verwaltung. Koch studierte Rechtswissenschaften und Politologie und begann 1992 seine Laufbahn als Wirtschaftsanwalt. Im Edeka-Verband war er unter anderem Leiter der Rechtsabteilung und Geschäftsbereichsleiter Recht. Er ist verheiratet und hat drei Töchter.
Martin Steinmetz (47) ist seit Januar 2008 Geschäftsführer der Edeka Nord und verantwortet unter anderem die Ressorts Logistik und IT sowie Fleischwerk und Backwaren (Vertrieb und Produktion). Zuvor war er bei der Edeka Nord Geschäftsbereichsleiter Logistik und Prokurist. Als Logistikberater hat der Diplom-Wirtschafts-Ingenieurs für Transportwesen bereits u. a. für die Spar Handels AG, die Edeka Daten-Verarbeitungs GmbH und die Rewe-Zentrale gearbeitet. Steinmetz ist verheiratet und hat einen Sohn
Bildquelle: Geisler

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Der Umsatzanteil von regionalen Produkten soll nach dem Willen der Edeka-Nord-Geschäftsführer Carsten Koch (Foto) und Martin Steinmetz weiter steigen.
Bild öffnen Martin Steinmetz:
Bild öffnen