Es ist eher eine Kettensäge als ein Küchenmesser, mit der die Europäische Kommission die Nachhaltigkeitsrichtlinien Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) für die Lieferketten und Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) für die Berichterstattung sowie die EU-Taxonomie – ein speziell für die Finanzwirtschaft interessantes Klassifizierungssystem – zurechtschneiden will. Zwar handelt es sich nur um einen ersten Aufschlag, über den das letzte Wort längst noch nicht gesprochen ist. Aber dass die EU-Kommission die Richtlinien überhaupt wieder anpackt und zum Teil erheblich verändern will, lässt sich auch als Signal für andere wirtschaftspolitische Schwerpunkte auf EU-Ebene deuten.
Leidenschaftliche Debatten erwartbar
Was die EU-Kommission konkret vorhat? Im Rahmen eines sogenannten Omnibus-Verfahrens sollen mit Verweis auf den Bürokratieabbau CSDDD, CSRD und EU-Taxonomie zusammengeführt werden. Der Verordnungsvorschlag muss nun von den EU-Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament geprüft, diskutiert, angepasst und anschließend verabschiedet werden. Mit leidenschaftlichen Debatten in den kommenden Monaten ist zu rechnen. Denn eine Reihe bisheriger Regelungen soll über den Haufen geworfen werden.
So soll die CSRD statt für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten nun erst für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten und entweder einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von mehr als 25 Millionen Euro gelten. Das würde die Zahl der erfassten Unternehmen um bis zu 85 Prozent reduzieren. Berichtspflichtige Unternehmen hätten nun einen Aufschub bis zum Jahr 2028. Bei der CSDDD wünscht sich die EU-Kommission, dass die künftige Prüfung der Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette auf direkte Lieferanten beschränkt wird. Kleine Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern würden ganz von den Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette ausgenommen. Und: Die Anwendung der CSDDD-Sorgfaltspflichten wird um ein Jahr auf den 26. Juli 2028 verschoben, wenn es nach der EU-Kommission geht.
Unternehmen könnten für zivilrechtliche Verstöße kaum noch haftbar gemacht werden. Außerdem würde die Pflicht zur Beendigung von Lieferbeziehungen bei Verstößen entfallen. Überprüfungen sind nur noch alle fünf Jahre anstatt jährlich geplant.
„Errungenschaften nicht gefährden“
Die Berichterstattung zur EU-Taxonomie soll für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Umsatz freiwillig sein.
Ein weiterer Aspekt, den die EU-Kommission durchsetzen will: Mitgliedstaaten dürfen auf keinen Fall strengere Regeln erlassen, als bereits in CSRD und CSDDD fixiert wurden.
Gegen die Omnibus-Initiative macht unter anderem ein breites Bündnis aus rund 150 Verbänden, darunter Kirchen und Gewerkschaften, mobil. Bündnis-Koordinatorin Heike Drillisch sagt: „Die EU darf bereits hart erkämpfte Errungenschaften zum Schutz von Menschenrechten und der Umwelt nicht gefährden.“
Zustimmung für die EU-Kommission kommt hingegen zum Beispiel vom Handelsverband Deutschland (HDE). Sein Präsident Alexander von Preen meint: „Ein wettbewerbsfähiger Handel braucht diese Vereinfachung, Harmonisierung und Verschlankung der Berichts- und Sorgfaltspflichten dringend.“

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD belastet insbesondere mittelständische Unternehmen. Eine deutliche Reduzierung der Berichtspflichten, weniger Datenpunkte und eine längere Übergangsregelung sind essenziell. Und: Die umfangreichen Anforderungen der 2024 verabschiedeten CSDDD würden zu wesentlich mehr bürokratischem Aufwand, hohen Kosten und Rechtsunsicherheiten führen.

Das ist ein fatales Zeichen für die verantwortungsbewusst wirtschaftenden Unternehmen und die europäische Nachhaltigkeitsstrategie.
Ziel: fragmentierter Markt
Die Zusammenlegung würde die Nachhaltigkeitsrichtlinien erheblich abschwächen oder sogar entkernen. Für Unternehmen, die verantwortungsvoll, zukunftsgerichtet und nachhaltig wirtschaften, bedeutet das Omnibus-Verfahren eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten derjenigen, die ihren Profit über das Einhalten von Umwelt- und Menschenrechtsstandards stellen. Statt eines einheitlichen Standards sieht der Vorschlag der EU einen stark fragmentierten Markt vor. Das stärkt diejenigen, die immer wieder verzögern und bremsen. Auf Dauer droht Europa, seine Lösungen für ein zukunftsfähiges Wirtschaften zu verspielen.