Stefano Lai führt die Waren eine nach der anderen über den Scanner der Kasse. Doch weil er mit dem Kunden auf der anderen Kassenseite gut befreundet ist, führt er eines der Produkte am Scanner vorbei, um den Bonbetrag ein wenig zu senken. Was der Sales-Experte von Diebold Nixdorf am Stand von Diebold Nixdorf auf der Eurocis simuliert, kommt auch in der Praxis vor und bleibt oft unbemerkt – am Messestand in Düsseldorf schlägt dagegen sofort das KI-gestützte Kontrollsystem an und meldet einen Fehler. An Self-Check-out Terminals befindet sich die KI-Lösung von Diebold Nixdorf bereits im Praxiseinsatz, beispielsweise im Markt von Edeka Jäger am Stuttgarter Flughafen. Nun soll das Konzept auf die klassischen Kassen ausgeweitet werden. Derzeit läuft die Entwicklungsphase, erste Pilotprojekte sollen noch im dritten Quartal starten, ehe dann der Rollout folgt. Verluste an der bemannten Kasse zu minimieren – ob durch Kunde oder Kassierer, ob beabsichtigt oder versehentlich –, ist nur einer von mehreren Anwendungsfällen, wie Nino Hörttrich erläutert, Head of Global Marketing Retail bei Diebold Nixdorf. So soll das System der Kassenkraft auch beim Identifizieren von Obst- und Gemüsesorten helfen sowie bei der Altersverifikation. Das System gebe unerfahrenen Mitarbeitern beim Erkennen von Sorten mehr Sicherheit und verkürze die Wartezeit für die Kunden.
Beim Verkauf von Alkohol und anderen altersbeschränkten Produkten könne eine Automatisierung helfen, Konfliktsituationen für den Mitarbeiter zu vermeiden, so Hörttrich weiter. Doch KI-Einsatz an der klassischen Kasse ist nicht das einzige aktuelle Projekt. „Wir haben uns mit dem Thema Inventurdifferenzvermeidung auf der Verkaufsfläche beschäftigt“, berichtet Hörttrich. Dafür kann die KI auf bestehende Hardware im Laden zurückgreifen. Anhand der Bilder aus der Sicherheitsüberwachungskamera soll die KI erkennen, wenn ein Kunde beispielsweise einen hochpreisigen Artikel in einen mitgebrachten Rucksack steckt. Bezahlt der Kunde den Artikel beim Checkout nicht, greift das System ein und stoppt die Transaktion. „Hier kommt der Mitarbeiter noch mal ins Spiel“, erläutert Hörttrich. Das System solle den Mitarbeiter befähigen, die Situation richtig zu bewerten. Das Thema künstliche Intelligenz überspannte die gesamte Eurocis. Auch Toshiba befasst sich mit der Technologie. Der japanische Gigant hat sich mit Catch zusammengetan, einem amerikanisch israelischen Unternehmen, welches Rewe und Edeka zu seinen Partnern zählt.
Catch hat eine Art KI-Begleiter entwickelt, der den Konsumenten im Supermarkt unterstützt. Entsprechende Hardware vorausgesetzt – etwa ein Tablet am Einkaufswagen oder ein Handscanner –, kann die KI handschriftliche Einkaufszettel scannen, digitalisieren und den Kunden dann durch den Markt von Produkt zu Produkt leiten. Außerdem schlägt die KI dem Nutzer passende zusätzliche Artikel vor. Anhand der Einkaufsliste und der Uhrzeit erstellt das System außerdem ein Profil des Nutzers – vollständig anonym, versteht sich. Wer beispielsweise am Freitagabend Chips und einen Sechserpack Bier kauft, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mann in einem bestimmten Alter sein. Wer Babynahrung und Lippenstift kauft, ist vermutlich eine Frau mit Kindern. Das System erlaubt so wertvolle Rückschlüsse auf das Einkaufsverhalten der Kunden, wie Catch-Mitgründer und -CEO Shlomi Dayan erläutert. Markenhersteller können diese Daten nutzen für zielgenaue Vermarktung ihrer Produkte. Die KI von Catch kann zudem Heatmaps eines Marktes erstellen, sodass deutlich wird, an welchen Stellen besonders viele Kunden viel Zeit verbringen.
Unterstützung bei der Sortimentsplanung
Doch nicht nur an der Kasse und im Markt kann die KI Nutzen stiften, auch hinter den Kulissen kann die Technologie wertvolle Dienste leisten, wie am Stand des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS deutlich wurde. Dort stellten die Forscher ein KI-Tool zur Sortimentsplanung vor. Der Ret All Purchase Navigator erlaubt es Einkäufern, das Potenzial neuer Produkte einzuschätzen – dafür genügt ein Foto mit dem Handy. Die Software erstellt anhand des Fotos eine Übersicht mit ähnlichen Produkten im Sortiment und deren Verkaufszahlen. Auf dieser Grundlage kann die KI eine Preis-Absatz-Kurve für jedes neue Produkt erstellen, um so den Gewinn zu maximieren.