Man tut der Deutschen Bundesbank wohl nicht unrecht, wenn man sie mit einem riesigen, etwas schwerfälligen Tanker vergleicht, der sich seinen Weg unbeirrt auch durch rauere See bahnt. Um so bemerkenswerter ist es da, wenn der Kapitän der Zentralbank der Bundesrepublik Begleitschiffe um Unterstützung bittet: Erschweren etwa gefährliche Klippen die Weiterfahrt?
Als Klippe beziehungsweise großes Risiko nimmt die Deutsche Bundesbank die Bargeldversorgung wahr. Deshalb bildete sie das Nationale Bargeldforum. Sein Ziel: Bargeld als „kostengünstiges und effizientes Zahlungsmittel“ solle in einer sich verändernden Zahlungslandschaft verfügbar gehalten und gesichert werden.
Bargeld sichert barrierefreie Teilhabe
„Uns treibt vor allem die Frage der künftigen Verfügbarkeit von Bargeld und die Akzeptanz an“, macht Burkhard Balz deutlich. Im Vorstand der Deutschen Bundesbank ist er für Bargeld zuständig. Balz leitet das Nationale Bargeldforum.
Dieses neue, breite Bündnis will verschiedene Aspekte der Bargeldversorgung mitdenken. Aus der Kreditwirtschaft sind neben der Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten die vier Verbände der Banken und Sparkassen mit von der Partie. Vertreten sind außerdem der Handelsverband Deutschland (HDE), der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, die Deutsche Industrie- und Handelskammer als Zusammenschluss der Industrie- und Handelskammern sowie der Bundesverband der Warenautomatenhersteller. Ferner arbeiten der Verbraucherzentralen-Bundesverband sowie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit.
Die Schwerpunkt-Motive für die Mitarbeit sind unterschiedlich, wie LP-Nachfragen ergeben. Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentralen-Bundesverbandes, ist bekennender Bargeld-Fan. Das bringt sie so auf den Punkt: „Bezahlen mit Bargeld ist einfach, anonym, hinterlässt keine Daten und schützt die Privatsphäre. Und es lässt sich universell einsetzen.“ Darüber hinaus sichere Bargeld die „barrierefreie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ – auch für Menschen, die nicht digital bezahlen wollten oder könnten. Doch Umfragen unter Verbrauchern zeigten: Der Weg zum Geldautomaten werde immer länger, die Kosten für das Abheben höher und die Situationen häuften sich, in denen überraschend doch nicht mit Bargeld bezahlt werden konnte.
Der Eindruck der Konsumenten täuscht anscheinend nicht: Seit 2006 hat sich die Zahl der Bankfilialen nach Angaben der Deutschen Bundesbank halbiert. Und das Statistische Bundesamt bestätigte im vergangenen Jahr 10 Prozent weniger Geldautomaten gegenüber 2016, auch eine Folge zahlreicher Automatensprengungen durch organisierte Verbrecherbanden.
Dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste, Michael Mewes, drückt der Schuh eher an anderer Stelle als bei der eingeschränkten Verbraucher-Freiheit. Er sorgt sich vor einem Zusammenbruch der Stromversorgung oder des Mobilfunknetzes, bei dem elektronische Zahlungsoptionen vermutlich ohne Vorwarnung wegfallen würden.
Horrorszenario Systemausfall
In einem solchen Fall hätte ein Großteil der Bevölkerung keinen direkten Zugang zum Bargeld, weil kaum noch Bankschalter für Bargeldgeschäfte vorhanden seien. Mewes erinnert an den flächendeckenden und tagelangen Ausfall von Kartenlesegeräten im Mai 2022. Solche Szenarien sollten nach Auffassung von Michael Mewes und seines Verbandes folgerichtig regelmäßig bundesweit durchgespielt werden – mit dem Fokus auf die Frage, wie die Bargeldversorgung aufrechterhalten werden kann. Mewes lobt das vom Bund geförderte und 2023 abgeschlossene Sicherheitsforschungsprojekt „Resilienz der Bargeldversorgung – Sicherheitskonzepte für Not- und Krisenfälle“ (BASIC). Europaweit einzigartig sei es, doch es müsse auch „gelebt und umgesetzt“ werden.
Im Nationalen Bargeldforum hält der HDE die Fahne des Handels hoch. Abteilungsleiter Ulrich Binnebößel plädiert gegenüber LP für eine „ausgewogene Bargeldstrategie“. Das meint unter anderem eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wo Bargeld weiterhin benötigt und wo es verzichtbar werde. Dabei geht es auch um Kosten. Schließlich wird das Bargeldhandling im Handel immer teurer. „Der Handel braucht Planungssicherheit über die weitere Entwicklung des Bargelds“, so der HDE. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an das Nationale Bargeldforum. Und die Hoffnung, dass es sich schneller und galanter bewegt als ein Tanker.
Einmal im Jahr? Zu selten, oder?
Kommentar von Thomas Klaus
Das Bündnis in Sachen „Bargeldversorgung“ ist überfällig – und insbesondere auch im Sinne des Handels. Der hat es mit besonders großen Herausforderungen zu tun. Vor allem die steigenden Kosten für das Bargeldhandling schmerzen vor dem Hintergrund sinkender Mengen und effizienter werdender unbarer Alternativen.
Wo künftig die Grenzen der Versorgung gesteckt werden müssen, sollte Gegenstand einer intensiveren Debatte sein. Dabei verdient auch die Rolle der dominanten Kreditkartenorganisationen Visa und Mastercard mehr Aufmerksamkeit. Sie wollen die Girocards verdrängen.
Macht der Dominanten
Weniger Girocards erschweren es den Geldautomatenbetreibern beträchtlich, für den Betrieb ihrer Netze kostendeckende Entgelte zu erzielen. Auch vor dem Hintergrund der Macht von Visa und Mastercard ist die Korrektiv-Funktion des Bargeldes generell erfreulich. Ohne diese wären beim Handel höhere Umsatzanteile zugunsten der Zahlungsdienstleister fällig.
Die vielen Aspekte des Bargeld-Themas lassen erahnen: Den Mitgliedern des Nationalen Bargeldforums wird nicht langweilig werden. Etwas merkwürdig wirkt es allerdings, dass die Satzung des Forums lediglich mindestens eine Sitzung pro Jahr vorsieht. Ob das selbst bei Sitzungsvorbereitung in Arbeitsgruppen dem Druck zu baldigen Handlungsempfehlungen genügt? Zweifel sind erlaubt.