Fischkonsum Frische Impulse für den Fisch

Fisch schwimmt zwar auf einer Welle des Erfolges, aber da geht noch mehr. Praktiker beklagen beispielsweise: Dass Nachhaltigkeit und Fischkonsum zusammengehören, wissen zu wenige Konsumenten.

Montag, 04. Dezember 2023 - Management
Thomas Klaus
Artikelbild Frische Impulse für den Fisch

Auch diesen Kampf hat der Spitzen-Boxer Axel Schulz gewonnen: Der Koch, Gastronom, Fischhändler und Fisch-Sommelier André Domke von der Insel Usedom wollte mit dem längsten Fischbrötchen der Welt in das Guinnessbuch der Rekorde. Ende Oktober ging sein Plan tatsächlich auf: Die Länge von 6,68 Metern überzeugte die Juroren des Guinnessbuches. Und Schulz hatte mitangepackt. Schließlich musste das Rekordbrötchen kiloweise mit Salat, bergeweise mit Zwiebeln und fässerweise mit Bismarckhering belegt werden.

Mal wieder hatte Domke die Blicke der Öffentlichkeit spektakulär auf Fisch gelenkt. Getreu der Haltung, dass Fisch frische Impulse stets gebrauchen kann, damit er noch stärker auf einer Erfolgswelle schwimmt. Noch stärker, weil die Verbraucher „fischfreundlich“ eingestellt sind. Das belegen neueste Zahlen erneut.

2022 betrug der Pro-Kopf-Verbrauch einschließlich Meeresfrüchten in Deutschland 14,4 Kilogramm und übertraf somit um 2,2 Prozent den Vorjahreswert. Allerdings lagen die knapp 14 Kilogramm deutlich unter dem Weltdurchschnitt von 19,1 Kilogramm. In der Bundesrepublik wurden Fisch und Meeresfrüchte mit einem Fanggewicht von 1,1 Millionen Tonnen verzehrt.

Veganuary-Bewegung als Vorbild
Nach Angaben des Fisch-Informationszentrums (FIZ) investierten die Verbraucher von Januar bis September des laufenden Jahres 12,13 Euro für ein Kilo Fischerzeugnis. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einem Plus von 10,3 Prozent. Dass die Einkaufsmenge in den ersten neun Monaten um 5,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau geblieben ist, liegt aus FIZ-Sicht an der Inflation. Das dürfe nicht den Blick darauf versperren, dass insgesamt mehr Geld für den Einkauf von Fisch und Meeresfrüchten ausgegeben worden sei.

Das Potenzial könnte jedoch noch viel stärker ausgeschöpft werden, meint nicht nur FIZ-Geschäftsführer Dr. Matthias Keller. Er ist in Personalunion Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Fischindustrie und des Fischgroßhandels. Einer der Gründe für die gewisse Zurückhaltung: Viele junge Leute haben ihre liebe Not mit Fisch. Der Seafood-Studie 2022 des Norwegian Seafood Council (NSC) lässt sich entnehmen: 46 Prozent der Personen zwischen 18 und 24 Jahren wollen keinen Fisch mehr essen, weil er ihnen nicht oder nicht genug schmeckt.

Zusatzproblem: Die bewussteren unter den jüngeren (aber auch den älteren) Konsumenten assoziieren Fisch häufig mit der Überfischung der Meere. Laut Seafood-Studie verbinden lediglich 16 Prozent aller Konsumenten Klima und CO₂ im positiven Sinne mit Essen aus dem Meer. Der NSC sieht darin einen Irrglauben und kommentiert: „Wenn man bedenkt, wie niedrig der CO₂-Fußabdruck von Fisch im Vergleich zu Fleisch faktisch ist, müsste dieses Thema viel stärker in den Medien hervorgehoben werden.“ Erforderlich wäre eine Kampagne von Handel und Industrie, die sich an der erfolgreichen Veganuary-Bewegung orientieren könne.

Der Wunsch nach einem breiten Schulterschluss ist bisher unerfüllt geblieben. Aber das Topthema Nachhaltigkeit wird nichtsdestotrotz in der Fisch-Branche auf unterschiedliche Weise bespielt. NSC selbst wirbt zurzeit in einer groß angelegten Kampagne für Seelachs aus Norwegen. Das nordeuropäische Land nehme nachhaltige Fischerei besonders ernst, heißt es aus der NSC-Zentrale. Alle gefangenen Fische würden genau erfasst; das Entsorgen von Beifang sei illegal und die Schleppnetzfischerei auf etwa 47 Prozent des Meeresbodens verboten.

Nachhaltigkeit als Topthema
Einer der weiteren Nachhaltigkeits-Verfechter ist das niederländische Unternehmen Fish Tales, das seine Fühler auch nach Deutschland ausgestreckt hat. Gegründet wurde es von dem TV-Koch Bart van Olphen und dem Unternehmer Jan Harm van Dijk. In der Unterwasserwelt von Bitung an der Nordküste der Insel Sulawesi in Indonesien lässt Fish Tales Skipjack-Thunfisch und Weißen Thunfisch auf traditionelle und selten gewordene Weise fangen: Die mit Angel und Leine gewonnenen Produkte tragen das MSC-Zertifikat für nachhaltige Fischerei und ein Fairtrade-Gütesiegel noch dazu.

Der MSC-Standard gilt als weltweit strengster Standard für nachhaltige Fischerei bei Wildfischen. MSC-Zertifikate schmücken ebenfalls ausnahmslos die Fischspezialitäten von Hawesta Feinkost. Bezugsquellen sind der Nordostatlantik, der westliche Pazifische Ozean und der westliche Indische Ozean. Eine Produktneuheit sind die Antipasti mit Fisch: Die drei Variationen von Heringsfilethappen sind mit Gemüse kombiniert und typisch mediterran gewürzt.

Nachhaltigkeit ist auch bei der Firma Tinema ein dicker roter Faden. Unter diesem Dach stecken seit Juli 2023 Krone Fisch, Meine Lieblinge und Friedrichs. Nach Unternehmensangaben sind Lachs und Forelle zu 100 Prozent zertifiziert. Neben dem MSC-Siegel spielen dabei das ASC-Siegel für Zuchtfisch und das GNN-Siegel (ebenfalls für nachhaltige Aquakulturen) eine Hauptrolle. Hinzu kommen zahlreiche ausgewählte Produkte in Bio-Qualität. Der ganzheitlich nachhaltige Produktansatz werde weiter verfolgt und ausgebaut, heißt es aus der Tinema-Chefetage.

Auf Kurs Nachhaltigkeit unterwegs ist zudem zum Beispiel die Bolton Group mit ihren Marken Rio Mare, Palmera und Saupiquet. Ein Kernstück: die Partnerschaft mit den Umweltschutzorganisationen WWF Italien und WWF International. Mit ihrer Hilfe sollen bis Ende des kommenden Jahres 100 Prozent des von Bolton Food verkauften Thunfischs MSC-zertifiziert gefangen werden oder aus FIPs stammen: Das sind sogenannte glaubwürdige und umfassende Projekte zur Verbesserung der Fischerei. Außerdem werden laut Plan 100 Prozent der von Bolton Food vertriebenen Lachse, Makrelen und Sardinen aus Projekten zur Verbesserung der Aquakultur (AIPs) oder aus MSC-/ASC-Fischerei gewonnen sein.

In Deutschland machen sich derweil immer mehr Wissenschaftler Gedanken darüber, wie der Überfischungs-Debatte durch Fischalternativen aus dem Labor ein Schnippchen geschlagen werden könnte. An der Universität Hohenheim zum Beispiel tüfteln Forscher an einer Lösung aus Mikroalgen.

Während dort das Laborlicht schon länger brennt, ertönte für ein anderes Forschungsprojekt erst im Oktober der Startschuss. Die Firma BLUU Seafood ist nach eigenen Angaben das erste Unternehmen in Europa, das sich auf die kommerzielle Herstellung von kultiviertem Fisch spezialisiert hat. Bei dem Projekt arbeitet BLUU Seafood für drei Jahre mit der Hochschule Reutlingen zusammen, die technologische Grundlagenforschung betreibt, sowie mit der Universität Vechta. Letztere packt das Thema sozialwissenschaftlich an. Mit dem Ziel in vitro erzeugter Fischlebensmittel gibt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 1,32 Millionen Euro Fördergelder aus. Realistischerweise muss man aber in der Denke von Axel Schulz festhalten: Weltmeisterliche Summen sind das wohl noch nicht.