Supermarkt neu gedacht: Die Rolle des E-Commerce war da ein wichtiges Thema beim Kongress. Zweistellige Wachstumsraten, ein Marktanteil, der „munter auf die 5 Prozent zugeht nach 4 Prozent 2022“: Prof. Carsten Kortum (Studiengangsleiter BWL-Handel, Duale Hochschule Baden-Württemberg) präsentierte frische Zahlen. Vorbei die Zeiten mit maximal 2 Prozent Marktanteil. Mit Kortum diskutierte Helge-Christian Eilers, Geschäftsführer SCM/ E-Commerce Bünting. Kortum geht bis 2030 von einer Marktbedeutung des E-Commerce bei Lebensmitteln von 8 bis 9 Prozent aus. Andere nennen bis 12 Prozent.
Kortum begründete seine Zurückhaltung mit der Inflation, damit, dass auch die Mittelklasse spare, Lieferdienste nicht mehr so viel Geld in die Expansion stecken könnten. Die Gewinner? „Alle im Markt werden verlieren. Untersuchungen zeigen, dass auch Discounter verlieren, wenn Picnic in die Region vordringt.“ Für Helge-Christian Eilers ist klar: „Der stationäre Handel kommt nicht umhin, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Wie wird der Lieferdienst profitabel? „Knallhartes Kostenmanagement und die letzte Meile im Griff haben. Die Prozesskosten sind der Schlüssel“, sagt Eilers. Er favorisiert regionale Kooperationen: In Berlin kooperiert Bünting mit dem norwegischen Liefersupermarkt Oda.
Nur liefern reicht nicht: Davon ist Ines Quermann (Geschäftsführerin Rewe Quermann in Bielefeld) überzeugt. Auch als Gesprächspartner York von Massenbach (Geschäftsführer Massenbach Retail Consulting) den Marktanteil von 4 Prozent für den E-Commerce 2022 mit 200 Milliarden Euro bezifferte, sagte sie: „Wir liefern unseren Gästen ein Erlebnis, schaffen Atmosphäre im Laden, haben gut ausgebildete, freundliche Mitarbeiter – damit profilieren wir uns, damit verdienen wir Geld.“ Doch sie ist keine Träumerin: „Ich glaube auch nicht, dass wir in zehn Jahren noch so einkaufen wie heute.“ Massenbach riet, die Generation Z im Auge zu behalten. Diese sei in der Pandemie mit Lieferdiensten groß geworden: „Halten Sie Kontakt über die sozialen Medien.“
„Greenwashing: Fallstricke und rechtliche Rahmenbedingungen“ war das praxisorientierte und mit Tipps gespickte Thema von Rechtsanwältin Julia Dönch (CMS): „Kunden und Investoren legen zunehmend Wert auf das Nachhaltigkeitsengagement von Unternehmen. Nachhaltigkeit wird auch bei Produkten zum Verkaufsargument.“
Nachhaltigkeit wird zum Verkaufsargument
Das erhöhe die Gefahr des Greenwashings: Unternehmen versuchten, sich ein nachhaltiges Image zu geben oder ihre Produkte als nachhaltig darzustellen, ohne dass es dafür eine überprüfbare Grundlage gebe. „Dass Greenwashing gesetzlich nicht definiert ist, macht es nicht einfacher, zu bestimmen, was grün oder nachhaltig ist und was nicht“, erläuterte Dönch.
So beschäftigten sich branchenübergreifend immer mehr Gerichte mit dem Vorwurf des Greenwashings. „Besondere Vorsicht ist daher bei der Werbung mit Nachhaltigkeitsaussagen geboten. Andernfalls drohen Abmahnungen von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden“, sagte Julia Dönch.
Wie sich Risiken verringern lassen? Wichtig seien sehr sorgfältige Formulierungen, um Missverständnisse zu vermeiden. Da es in der Rechtsprechung derzeit viel Bewegung gebe, rät sie dringend: „ Wer nicht die Kapazitäten hat, am Ball zu bleiben, sollte sich Unterstützung holen.“
„Wir sind kompetente Menschen. Man muss nicht zwischen Männern und Frauen unterscheiden“, das brachte Rewe-Kauffrau Sonja Lischka (Landsberg) im Gespräch mit Annemarie Leniger (Geschäftsführung Ostfriesische Teegesellschaft, OTG) auf den Punkt.
Mehr Frauen in Führungsebenen
Lischka plädierte dafür, schon den Kindern andere Glaubenssätze mit auf den Weg zu geben als die, die ihre Generation gehört hätte: Jungs kennen als echte Indianer keinen Schmerz, Mädchen drängeln sich nicht vor. Kämen Frauen bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber nicht weiter, riet Leniger ganz pragmatisch: „Die Branche wechseln oder in ein anders geführtes Unternehmen gehen.“ Familienunternehmen etwa unterschieden sich bei Führungskultur und Frauenförderung von Konzernen. Bei der OTG gibt es inzwischen viele individuelle, flexible Arbeitszeitlösungen – für Frauen und Männer: „Zufriedene Mitarbeiter bleiben länger im Unternehmen.“
Beide betonten: Frauen sind nicht alleine für die Kinder verantwortlich, auch der Partner muss seinen Beitrag leisten. Frauen, die wieder in den Job wollen, sind hoch willkommen in Lischkas Rewe-Markt: „Einen Kindergeburtstag zu organisieren, ist genauso anstrengend und fordernd, wie die Truppe im Markt zu führen.“ Dafür gab es Szenenapplaus.
Teilzeit und Führungskraft, geht das? Leniger: „Klar, wenn es vernünftig organisiert ist.“ Braucht es eine Quote? „Ich war zunächst dagegen, glaube aber, dass sie derzeit eine Hilfe ist“, sagte Leniger. Lischka nannte sie einen Steigbügel, der es Frauen erlaubt, in Führungszirkeln selbst Netzwerke aufbauen zu können und andere Frauen zu motivieren. Gute Frauen fördern? Lischkas Tipp: „Geben Sie doch einer guten Mitarbeiterin proaktiv eine Gehaltserhöhung.“