Nachhaltige Verpackung Gelebte Nachhaltigkeit

Wir ziehen Bilanz: Wie hat sich die Verpackungswelt im Handel in den letzten Jahren verändert, welche Ansätze wurden wieder verworfen und was planen Verpackungshersteller als nächste Schritte?

Freitag, 08. April 2022 - Management
Silke Wartenberg
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Bildquelle: Getty Images

Beim Gang durch den Markt ist es nicht zu übersehen: Es hat sich viel getan in puncto Verpackung. Flüssigwaschmittel in Flaschen aus recycelten Kunststoffen, den sogenannten Rezyklaten, Pasta in Papier- statt Kunststoffverpackungen und Tomaten in Karton ohne Folie – um nur einige Beispiele zu nennen. Hintergrund: Die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) bringt jährlich den Mindeststandard zur Bemessung recyclinggerechten Designs heraus, erstmals 2018. „Das haben viele Hersteller zum Anlass genommen, ihre Verpackungen gründlich zu überarbeiten. Seitdem sehen wir recyclingfähige Barriereschichten, Etiketten, die nicht im Recycling stören, und ganze Unternehmen, die gute neue Verpackungen in Verkehr bringen und dann Rezyklate aus den eigenen Verpackungen wiedereinsetzen“, erklärt Vorstand Gunda Rachut gegenüber der Lebensmittel Praxis.

Die Liste der Anforderungen an nachhaltige Verpackungen ist lang: Zunächst müssen sie das Produkt optimal schützen – bei minimalem Gewichtseintrag. „Kunden erwarten, dass so wenig Material wie möglich für die Herstellung von Verpackungen eingesetzt wird. Der Einsatz von fossilen Rohstoffen soll reduziert werden, weshalb wiederum die Notwendigkeit besteht, die Materialien, die bei der Verpackungsherstellung eingesetzt werden, so lange wie möglich im Kreislauf zu halten“, erklärt Valeska Haux, Vice President Strategic Marketing beim Verpackungshersteller Südpack. Damit dies gelingt, müssten vorrangig Materialien verarbeitet werden, die den Recycling-Strömen zugeordnet werden und somit recycelt werden können. Ein weiterer Ansatz ist, vermehrt Rezyklate bei der Herstellung von Verpackungen einzusetzen, so Haux.

Ein Beispiel für ein Unternehmen, das diesen Weg geht, ist der Hersteller von Verpackungen und Displays STI Group. Für das hausinterne Programm „Circular Innovation“ wurde 2020 eigens ein Innovation-Team gegründet, in dem interdisziplinär gearbeitet wird. „Unsere Verpackungsinnovationen zielen vor allem auf eine Maximierung der Recyclingfähigkeit und auf eine Erweiterung des Anwendungsspektrums faserbasierter Verpackungen ab. Wir wollen heutige kunststoffbasierte Verpackungsformen durch faserbasierte Lösungen ersetzen und sicherstellen, dass sich diese maximal effizient über bestehende Recyclingkreisläufe zurückführen lassen“, erklärt STI-Group-CEO Jakob Rinninger ausführlich. „Darüber hinaus erweitern wir das Anwendungsspektrum von faserbasierten Verpackungen, zum Beispiel durch den Einsatz moderner nachhaltiger Barrieren, um konventionelle Kunststoffverpackungen zu ersetzen.“ In diesem Zusammenhang kooperiert die STI Group zum Beispiel mit den Lackexperten von Weilburger Graphics. Der aktuell dort produzierte Prototyp einer Verpackung für fettige Lebensmittel kommt ohne PE-(Polyethylen-)Beschichtung aus. Dies steigert die Recyclingfähigkeit der Kartonfaltschachtel im Altpapierkreislauf.

Im Mopro-Bereich hat der K3-Becher inzwischen seinen festen Platz. Die Karton-Kunststoff-Kombination besteht aus einem Karton-Wickel um einen Kunststoff-Becher. Der Kartonwickel verleiht dem Kunststoffbecher eine bessere Stabilität, wodurch weniger Kunststoffeinsatz nötig ist. Er kann durch einen Aufreißmechanismus vom Becher abgelöst und leicht getrennt entsorgt und anschließend wiederverwertet werden. Unter anderem hat Mövenpick in Deutschland 2021 einige seiner Milchfrischprodukte auf K3-Becher umgestellt und die Umstellung mit Informationen über den Nutzen für die Kreislaufwirtschaft auf Social Media flankierend begleitet, erklärt Jürgen Herrmann, CEO der Mövenpick Holding, gegenüber der Lebensmittel Praxis.
Es gibt viele Verpackungshersteller, die nach eigenen Angaben seit Jahren an umweltfreundlicheren Lösungen arbeiten. Wegweisende neue Produkte werden mit verschiedenen Verpackungspreisen ausgezeichnet.

Und die Kunden?
„Als Hersteller von Verpackungslösungen mussten wir feststellen, das wir unseren Kunden zwar Konzepte und Produkte anbieten können, diese aber auch vom Handel und den Konsumenten akzeptiert werden müssen. Hier besteht teilweise eine große Diskrepanz zwischen dem, was sinnvoll ist, um das verpackte Produkt, welches den größten Anteil am CO2-Fußabdruck hat, sicher zu schützen, und dem, was Konsumenten als nachhaltig wahrnehmen“, erklärt Dr. Martin Berlekamp, Head of Sustainability bei der Schur Flexibels Group. Wichtig seien außerdem eine funktionierende Recycling-Infrastruktur im Bereich der Lebensmittelverpackung und neue Möglichkeiten, Kreisläufe zu schließen. „Dazu kommt, dass wir als europäische Hersteller mit sehr unterschiedlichen und teilweise kontroversen Gesetzeslagen in den Absatzmärkten unserer Kunden konfrontiert werden“, ergänzt Berlekamp.

Nach Ergebnissen einer Studie des Marktforschungsunternehmens „go-2market“, die im Herbst 2021 online unter rund 80 Herstellern und 1.000 Konsumenten in Österreich und Deutschland durchgeführt wurde, ist für knapp 70 Prozent der Kunden eine Verpackung dann nachhaltig, wenn sie aus Papier, Karton oder Wellpappe, recyclingfähig und mehrfach wiederverwendbar ist.
Das Thema Nachhaltigkeit hat sich grundsätzlich zu einem entscheidenden Kriterium für viele Kunden entwickelt. Was dabei als nachhaltig eingestuft wird, geht längst über ökologische Produktinhaltsstoffe und Verpackungsmaterialien hinaus und wird passender als „ethischer Lebensstil“ bezeichnet.

Kaufkriterien ändern sich wieder
Laut Marktforschungsunternehmen Mintel hatte die Coronapandemie den Fokus kurzfristig verschoben: Während des ersten Lockdowns (März–April 2020) erneuerte sich der Fokus auf Gesundheit und Hygiene und damit der Gebrauch von Einwegplastik-Verpackungen. Durch die wirtschaftlichen Einschränkungen vieler Haushalte war der Preis als kaufentscheidendes Kriterium prioritär. Seit 2022 sehen die Marktforscher von Mintel eine „Erholung“ des ethischen Lifestyles. Ethik und Ökologie hätten für viele Konsumenten wieder Priorität.

Fazit: „Der Verpackungskreislauf braucht noch viel Information und Investition“, fordert Gunda Rachut. „Hier sind ökonomische Lenkungsinstrumente gefragt, wie die Fondslösung, die auch im Koalitionsvertrag verankert sind. Darüber können ökologische Weiterentwicklungen von recyclingfähigen Verpackungen, beziehungsweise Verpackungen, die Rezyklat enthalten, finanziell bessergestellt werden. Das dürfte einen großen Schub in Richtung Circular Economy von Verpackungen bringen – und der ist überfällig.“