Judith Skudelny Keine Revolution

Judith Skudelny (Foto) ist Sprecherin für Umwelt und Verbraucherschutz der FDP. Mit der Lebensmittel Praxis sprach sie über die ersten 100 Tage in der Regierungsverantwortung und ihre Herzensthemen für die Branche.

Freitag, 08. April 2022 - Management
Andrea Kurtz, Silke Wartenberg
Artikelbild Keine Revolution
Bildquelle: Skudelny

Die Ampelkoalition sei auf einem guten Weg, findet Judith Skudelny. Alle Pläne würden gerade angegangen und in den Ministerien vorbereitet. „Wir gehen davon aus, dass wir in der Osterzeit deutlich konkreter werden können“, sagt sie. „Wir wollen auf jeden Fall frischen Wind und neue Ideen in die Politik bringen.“ Diese finde man nicht in den Schubladen der alten Regierung. Insofern sei viel Hintergrundarbeit zu tun. „Rechnen Sie also in den ersten 100 Tagen nicht gleich mit einer Revolution, aber wir werden stetig in den kommenden vier Jahren unser Koalitionsprogramm abarbeiten“, betont die Politikerin. Natürlich seien derzeit aber alle Themen von der Ukraine-Krise überschattet.

„Wir wollen ein sicheres außenpolitisches Umfeld haben“, erläutert Skudelny die wichtigste Problemstellung. „Wie wir alle wissen, hat das aktuell mehr Brisanz als vorher.“ Daneben seien die größten Herausforderungen zunächst Klimaschutz und Finanzsolidität. Ihre Partei wolle die Inflation stoppen und auch den nachkommenden Generationen solide Haushalte und Möglichkeiten zum Wirtschaften hinterlassen. „Im Umweltbereich, in dem ich agiere, ist es definitiv das Thema Kreislaufwirtschaft, das uns bewegt.“ Ihr Herzensthema seien dabei Verpackungen und das Duale System. „Ehrlicherweise muss man sagen, ziehen dabei fast alle Beteiligten am selben Strang“, führt sie aus.

Sehr interessant findet die FDP-Politikerin in diesem Zusammenhang das chemische Recycling. Dahinter stecke eine fortschrittliche Art, mit unterschiedlichen Stoffen, insbesondere mit Kunststoffen, umzugehen.

Im Koalitionsvertrag wurde die nationale Kreislaufstrategie verankert. Diese soll die unterschiedlichen Ansätze bei der Kreislaufwirtschaft bündeln und anschließend mit einer nationalen Rohstoffstrategie verbinden. Es gebe auch bereits erste konkrete Schritte – auch wenn man diese noch nicht als Teil der Gesamtstrategie bezeichnen könne. Skudelny erklärt, dass die erweiterte Herstellerverantwortung bis zum 5. Januar 2023 umgesetzt sein muss: „Dabei geht es um die Frage, wie wir Kunststoffe aus der Umwelt heraushalten können.“

Den Handel im Blick
Das Thema Versandhandel mache ihr große Sorgen, erläutert Judith Skudelny. Das Bestellen und Liefern, das durch die Coronakrise enorm zugenommen habe, sei für den Kunden zwar wahnsinnig bequem, aber umwelt- und verpackungstechnisch eine Katastrophe. Es gebe eine gewaltige Explosion bei den Verpackungen durch die Lieferdienste. Sie hoffe sehr, dass die meisten Kunden ihre Online-Bestell-Apps künftig auch wieder löschen würden. „Unsere Lebensqualität hängt von belebten und qualitativ hochwertigen Innenstädten ab“, sagt sie. „Es würde mich freuen, wenn wir diese nicht nur schützen, sondern dort auch wieder Umweltschutz betreiben können.“ Der Einzelhandel könne ohne Kunden nicht leben; daher brauche es eine vielfältige Mischung von Kunden, die die Innenstädte als Treffpunkt nutzten.

Den stationären Handel nimmt sie in Schutz. Er sei in vielen Dingen das „schwächste Glied in der Kette“, meint Skudelny. Als Schnittstelle zwischen Industrie und Verbraucher sei der Handel die Anlaufzentrale für alle Probleme oder Änderungen, oft ohne dass er die Kosten auch wieder umlegen könne. „Ich denke da zum Beispiel an das Elektrogesetz, bei dem es um die Rücknahme der unterschiedlichsten Geräte geht, sowie auch an die Erweiterung des Pfandrechts, bei dem künftig auch Saft- oder Milchgetränkeflaschen mitgesammelt werden müssen“, erläutert sie. Ein Produkt könne nicht einfach teurer werden, wenn es zusätzliche Auflagen gebe. Nicht zuletzt ginge den Supermärkten einfach nur Platz verloren. Im Moment ginge es nicht darum, was der stationäre Handel noch Positives leisten könne, sondern die ganze Branche einfach zu stärken. „Der Handel hat ja weniger Gestaltungsspielraum als man immer annimmt: Er bekommt Produkte angeboten, die er weiterverkaufen muss“, sagt sie.

Auch für die Herstellerseite, die derzeit unter steigenden Kosten für Energie, aber auch Verpackungsmaterialien zu leiden hat, zeigt Skudelny Verständnis. In ihren Augen bedarf es einer groß angelegten gesellschaftlichen Debatte darüber, dass wünschenswerte Verbesserungen, gerade in Sachen Umwelt, auch ihren Preis haben müssen. „Diese Diskussion muss in Deutschland deutlich intensiviert werden“, meint die FDP-Politikerin.