Hip Hop im LEH Trend mit Tücken

„Hip-Hop goes LEH“: Nicht nur Eistee verkauft sich gut. Auch andere Produkte „ziehen“ – je authentischer, desto besser. Aber die Entwicklung sollte auch nicht überschätzt werden.

Donnerstag, 02. Dezember 2021 - Management
Thomas Klaus
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Drake, Travis Scott, Kanye West und Co. – das sind die Beatles, Rolling Stones und auch noch Elvis Presleys der Gegenwart. Sie sind die Identifikationsfiguren und Stars einer ganzen Generation. Welcher? Nun ja, einer jungen – auf jeden Fall nach 1990 Geborene –, die auch als Generation Z bezeichnet wird. So schreibt Eistee mit Rapper-Stempel für die Zielgruppe der Hip-Hop-Fans auch im Lebensmitteleinzelhandel eine Erfolgsgeschichte. Aber nicht nur Eistee verspricht Umsatz.

Die Pizza von Capital Bra mit immerhin fünf Millionen bis Mai 2021 verkauften „Gangstarella“ und die Tiefkühlköfte von Xatar sind weitere Beispiele für Produkte, bei denen bekannte Vertreter der Hip-Hop-Kultur ihre Hände im Spiel haben. Und nach Überzeugung von Tobias Kargoll und Phillip Böndel von der auf Hip-Hop spezialisierten Unternehmensberatung The Ambition – Autoren des im Oktober erschienenen Buches „Erfolgsformel Hip-Hop“ – ist das erst der Anfang: „Hip-Hop goes LEH. Dieser Trend zeichnet sich immer stärker ab.“

Beispiel Weißwein von Reezy
Doch der Lebensmitteleinzelhandel scheint beim passgenauen Marketing große Defizite zu haben. Für den „Ambition Score“ von The Ambition wurden in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut YouGov 69 Marken aus sieben Branchen untersucht. Branchenübergreifend finden sich auf den letzten vier Plätzen Lidl, Aldi, Rewe und Edeka. Tobias Kargoll und Phillip Böndel führen das auf erhebliche Schwachpunkte bei der Glaubwürdigkeit zurück. Die beiden Experten, die als Künstlermanager und Berater einschlägige Erfahrungen in der Hip-Hop-Szene gesammelt haben, rechnen Produkten mit einem exklusiveren Charakter eine größere Bedeutung zu als denen, die „nur“ verkauft würden.

Ein aus ihrer Sicht gutes Beispiel ist der Weißwein des Rappers Reezy, den es nur bei Aldi zu kaufen gibt. Der Rebensaft soll durch Anspielungen auf das aktuelle Album des Rappers mit dem Namen „Weisswein & Heartbreaks“ noch gefragter bei einer bestimmten Klientel werden: Folgerichtig ist auf dem Flaschenverschluss ein gebrochenes Herz zu sehen.

Je näher Marke und Künstler zusammenrücken, desto positiver und umsatzstärker verläuft die Kooperation. Als Exempel aus Deutschland führt Torben Lux, Redakteur der Digital- und Marketing-Plattform OMR, das Miteinander des Süßigkeitenhändlers „House of Sweets“ mit dem Who’s who der nationalen Rap-Szene an. Zahlreiche der bekanntesten Künstler zeigten in ihren Instagram-Storys Leckereien aus dem Laden oder verlinkten zu der Firma. Das trieb die Zahl der Follower von „House of Sweets“ nach oben.

Torben Lux unterstreicht, wie authentisch dieser Schulterschluss nach seiner Ansicht ist: „Süßigkeiten sind auch in Tracks seit Jahren ein beliebtes Bild und Stilelement im Rap.“ Zahlreiche Songs wie zum Beispiel „Candy Shop“, „Lollipop“ und „M&M’s“ hauen in diese Kerbe.

Ein anderes Beispiel für die Stimmigkeit von Marke und Künstler, die der Lebensmitteleinzelhandel ebenfalls liefern sollte, stammt aus der Gastronomie in den USA. Dort entwickelte Rapper Travis Scott für McDonald’s ein eigenes Menü. Es entsprach seinem Lieblingsessen bei dem Fast-Food-Konzern und knüpfte daran an, dass Scott als Kind zusammen mit seiner Familie häufig bei McDonald’s zu Gast war. Die Menü-Einführung wurde von neuer Streetwear begleitet, erhältlich bei dem Gastro-Riesen. Ein Teil der Gewinne kamen Wohltätigkeitsorganisationen zugute.

Bei aller Bedeutung von Hip-Hop auch für den Lebensmittelbereich: Die Käufer-Welt setzt sich nicht nur aus Freunden und Anhängern der Hip-Hop-Kultur zusammen. Das zeigt etwa ein Blick in die Statista-Zahlen für die Gesamtbevölkerung. Die verkünden für 2020: Hip-Hop einschließlich Rap steht auf der Liste der beliebtesten Musikrichtungen erst an sechster Stelle. Hinter dem Tabellenführer Rock- und Popmusik rangieren Oldies und deutsche Schlager. Selbst Musicals und klassische Musik sind noch vor Hip-Hop angesiedelt.

Das beim Deutschen Musikrat angesiedelte Musikinformationszentrum zählt etwas anders und lässt Hip-Hop an 8. Stelle von 14 Kategorien auftauchen. 28,6 Prozent bevorzugten demnach 2021 diese Musikrichtung; 2020 waren es 27,9 Prozent. Wenig überraschend gibt Hip-Hop mit einer Quote von 76,7 Prozent bei den 14- bis 19-Jährigen den Ton an – gefolgt von den 20- bis 29-Jährigen mit 60,3 und den 30- bis 39-Jährigen mit 39,7 Prozent. Auch das müssen LEH-Verantwortliche also wissen: Hip-Hop ist wichtig, aber auch nicht mehr als ein Trend unter anderen.

Hip-Hop setzt Zeichen

Was erwartet die Generation Z von Marken? Erstmals wurde jetzt die kulturelle Relevanz von Marken in der Hip-Hop-Kultur in Deutschland gemessen. Der „Ambition Score“ weist dies in sieben Branchen aus. Hip-Hop, eigentlich eine Musikrichtung (Rap, Sampeln, Scratchen), hat sich in dieser Generation zur Subkultur entwickelt. Hip-Hop definiert zunehmend für die gesamte Gesellschaft, was als cool gilt.

Generell verlangen die Hip-Hopper laut Ambition Score (von der Beratungsagentur The Ambition in Düsseldorf zusammen mit YouGov erstellt) Haltung und Lebensgefühl von Marken. Sie müssten eine glaubwürdige Geschichte erzählen und Kunden mit auf ihre Reise nehmen. Am effektivsten schaffen Marken dies, indem sie zu einem authentischen Teil einer Kultur werden. Marken mit der jeweils höchsten Relevanz in den einzelnen Kategorien in der deutschen Hip-Hop-Kultur sind u. a. Jack Daniel’s und Red Bull. Händler wie Aldi, Lidl, Rewe und Edeka gelten der Umfrage zufolge unter Hip-Hoppern nicht als besonders cool.
Was ist cool? Hip-Hopper wissen es.