Verpackungen Schaufenster Supermarkt

Verpackungen waren selten so in der öffentlichen Wahrnehmung wie derzeit. Meistens werden sie kritisch gesehen, dabei sind sie – sichtbar bei jedem Gang durch einen Supermarkt – unverzichtbar.

Dienstag, 20. Juli 2021 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Schaufenster Supermarkt
Bildquelle: Getty Images

Pro Carton ist die europäische Vereinigung der Karton- und Faltschachtelindustrie. Aufgabe und Ziel ist es, den Karton und die Faltschachtel als nachhaltiges Verpackungsmedium für Handel, Markenartikler und Konsumenten zu fördern. Der Verband steht im regelmäßigen Austausch mit dem Handel und den Markenartiklern. Sein Präsident ist Horst Bittermann, der sich hier den Fragen der Lebensmittel Praxis stellt.

Herr Bittermann, wie bewerten Sie die Diskussion um Verpackung und Verpackungsmüll?
Ohne Verpackung läuft die tägliche Versorgung nicht. Sie ist unverzichtbar. In der Krise wurde einmal mehr deutlich, dass Verpackungen ein essenzieller Teil der Versorgungskette und somit systemrelevant sind. Verpackungen haben eine notwendige Schutz-, Hygiene- und Transportfunktion. Geeignete Verpackungen können die Haltbarkeit von Lebensmitteln um ein Vielfaches verlängern. Schlecht verpackte Lebensmittel landen oft direkt im Müll. Verpackungen sind daher auch Teil der Lösung. Es sollte jedoch stets das für das zu verpackende Produkt optimale Verpackungsmaterial eingesetzt werden.

Mittlerweile gibt es Unverpackt-Läden und kaum ein Supermarkt verzichtet noch auf Unverpackt-Regale. Wie beurteilen Sie das?
Diese Vertriebsform ist schon Ausdruck der an sich richtigen Haltung, dass nur das verpackt werden sollte, was auch verpackt werden muss. Allerdings stellen sich viele Verbraucher die Frage, wie Lebensmittel unverpackt und doch sauber ins Geschäft kommen und man sie – ohne Schutz am Produkt – nach Hause transportieren und dort aufbewahren soll. Verpackungsfreie Läden sind eine gute Idee, sie stellen jedoch keine Alternative zum modernen Lebensmittelhandel dar.

Stärker als der Packstoff Papier oder Karton wird Plastik kritisiert. Wobei auch Kunststoff seine Vorteile hat. Kann auf Plastikverpackungen verzichtet werden?
Auf Plastikverpackungen ganz zu verzichten ist derzeit noch schwierig, jedoch arbeitet unsere Branche daran, dort wo es geht und sinnvoll ist, Plastikverpackungen durch Karton zu ersetzen. Die Erfolge, dafür gibt es viele Beispiele, sind bereits im Handel sichtbar. Oft genügt es, bestehende Verpackungskonstruktionen zu hinterfragen bzw. bereits vorhandene Barriereeigenschaften von Faltschachteln zu nutzen. Benötigen wir z. B. Reis verpackt in Kunststoff? Speziell auch im Non-Food Bereich können oftmals nicht nachhaltige Verpackungen ganz einfach durch nachhaltige Lösungen ersetzt werden.

Das macht es kompliziert, oder? Jedes Produkt auf Verpackungsmöglichkeiten überprüfen?
Jedenfalls muss produktindividuell erarbeitet werden, wie der Inhalt optimal geschützt und gleichzeitig ressourcenschonend verpackt werden kann. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit der Partner der Lieferkette notwendig, um die Thematik ganzheitlich zu fassen. Aufgrund meiner Gespräche mit dem Handel weiß ich, dass dieser sehr stark auf nachhaltige Verpackungen achtet und diese auch von den Markenartiklern einfordert. Letztendlich entscheidet der Konsument: Steigt die Nachfrage nach nachhaltig verpackten Produkten, und das anders verpackte Pendant bleibt im Regal liegen, wird der Handel die Umstellungen beschleunigen.

Jetzt wird es niemanden wundern, dass Sie auf Kartonagen als Verpackung der Zukunft setzen. Was macht Sie so sicher, dass sie nicht ebenso in die Kritik kommen?
Karton ist in der Tat das Verpackungsmaterial der Zukunft und ermöglicht, Produkte nachhaltig zu verpacken und die nötigen Schutzfunktionen verkaufsfördernd sicherzustellen. Karton ist die Verpackung aus der Natur und die Verpackung für die Natur. Jedermann hat nun schon erkannt, dass unsere Ressourcen endlich sind und dass Verpackungen in eine Kreislaufwirtschaft überführt werden müssen: Konsumenten stellen daher soziale und ökologische Auswirkungen verstärkt in den Mittelpunkt ihrer Kaufentscheidung.

Die Politik macht ja auch ordentlich Druck …
Die legislativen Maßnahmen auf europäischer Ebene – EU Circular Economy Package, Single Use Plastic Directive – verstärken die Entwicklung von nachhaltigen Verpackungen. Karton entspricht dabei allen Grundsätzen einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft: erneuerbar, recycelbar, biologisch abbaubar sowie klimafreundlich und hinterlässt keine Spuren in der Umwelt, verursacht keine Umweltverschmutzung. Karton ist – wie bereits gesagt – das Verpackungsmaterial der Zukunft.

Kann es eine Renaissance der Kunststoffverpackung geben? Recycelbarer Kunststoff ist doch ein guter Weg …
Kunststoffe für die Verpackungsindustrie werden hauptsächlich aus fossilen und damit endlichen Rohstoffen produziert. Nur ein verschwindend geringer Teil kommt aus erneuerbaren Rohmaterialien. Kunststoffe können zwar technisch gesehen recycelt werden, in der Praxis ist eine sorgfältige Trennung von ausreichenden Mengen allerdings schwierig. Gemischt gesammelte Kunststoffabfälle können zumeist nicht in gleich hoher Qualität wiederverwertet werden. Kunststoff hat außerdem einen extrem langen Lebenszyklus und benötigt Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte für den Abbau bzw. zerfällt in Mikroplastik. Ob es eine Renaissance für die Kunststoffverpackung geben wird, hängt zum einen davon ab, ob es der Chemie-Industrie gelingen wird, vollständig biologisch abbaubaren Kunststoff herzustellen. Zum anderen, ob für recycelbaren Kunststoff ein vergleichbarer Wettbewerbsrahmen zu Kunststoffneuware geschaffen wird. Die Kunststoffverpackung wird aber nie wieder die Bedeutung erlangen, die sie vor ein paar Jahren besaß.

Wie schätzen Sie die Bedeutung der Verpackung, egal ob Karton, Glas, Metall oder Kunststoff für Kunden im Supermarkt bei der Kaufentscheidung ein?
Die Verpackung ist die Botschafterin der Marke und ein wichtiger Entscheidungsverkürzer für den Konsumenten im Handel: Ca. 70 Prozent aller Kunden entscheiden sich erst vor dem Regal, zu welchem konkreten Produkt sie greifen. Die Verpackung ist Marken-Magnet, ein verkaufsförderndes Signal, der Extraklasse. Ein Medium, das mehr Kontakte beim Konsumenten als jeder andere Informationskanal schafft, das im Geschäft und zu Hause wirkt. In jeder aufmerksamkeitsstarken Verpackung steckt ein sonst meist sehr teurer Werbespot. An den Kosten für die Verpackung zu sparen, hieße für den Abverkauf im Handel am falschen Ende den Rotstift anzusetzen.

Verpackung ist ein starkes Marketing-Instrument? Aber warum?
Verpackungen sind, speziell im und für den Handel, wie schon angeführt Entscheidungsverkürzer, aber auch Wiederverkaufsgarant und starker Absatzsteigerer. Warum? Die Hauptfunktionen einer guten Verpackung sind die sogenannten drei Ps:

  • Preserve, d. h. die Qualität des Produktes bewahren
  • Promote, d. h. den Verkauf des Produktes fördern
  • Protect, d. h. den Schutz unserer Umwelt gewährleisten

Gerade in puncto Nachhaltigkeit und Umweltschutz ist Karton bzw. die Faltschachtel im klaren Vorteil. Das belegen viele Studien, und die Natur ist Zeuge davon.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Verpackung während der Corona-Pandemie bewährt?
Der Stellenwert der Verpackung mit ihrer Schutz-, Hygiene- und Transportfunktion ist gestiegen. Trotz der angespannten Situation entlang der Versorgungs- und Transportketten konnte die Karton- und Faltschachtelindustrie die Produktion stets auf hohem Niveau halten und damit die Versorgung mit lebenswichtigen Verpackungsmaterialien für Lebensmittel und Pharmazeutika sicherstellen.

Pro Carton ist neuer Partner des Supermarkt des Jahres 2021. Das freut uns natürlich. Aber was bringt Ihnen das?
Verpackungen, das beweist jeder Besuch eines Supermarktes, sind sichtbar und unverzichtbar. Der Handel ist somit quasi das Schaufenster, der Showroom unserer Industrie. Mit unserer Partnerschaft beim Wettbewerb Supermarkt des Jahres wollen wir, sprich Pro Carton, den Handel noch stärker für die Kartonverpackung bzw. Faltschachtel gewinnen. Als Jurymitglied werde ich mein Augenmerk vor allem auf eine umweltbewusste Warenpräsentation in den Regalen, nicht nur bei Bio-Produkten, legen.