Oktoberfest Wiesn wieder nur „dahoam“

Das Oktoberfest wurde erneut abgesagt. Ein harter Schlag für viele Branchen. Wie reagieren Hersteller und Handel diesmal darauf? Die Lebensmittel Praxis hat nachgefragt.

Dienstag, 20. Juli 2021, 11:44 Uhr
Hedda Thielking
Artikelbild Wiesn wieder nur „dahoam“
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Es ist das größte Volksfest der Welt und ein internationaler Besuchermagnet: das Oktoberfest in München. 2019 kamen nach Schätzung der Festleitung allein 6,3 Millionen Besucher auf die Wiesn. Hinzu kommen Feste in anderen Städten und im Ländle. Dieses Event hat somit eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Viele Hersteller von typischen Schmankerln wie Obazda, Brezn, Knödel, Weißwurst, Bier & Co. sowie Händler passen ihr Sortiment und ihre Verkaufsförderungsaktionen an das Oktoberfest an. Doch pandemiebedingt fällt es auch in diesem Jahr aus. Stattdessen heißt es wieder „Oktoberfest dahoam“. Was planen Hersteller und Handel diesmal?

Brotzeit mit Obazda, Brezn und Meerrettich
Auf Altbewährtes setzen einige befragte Hersteller und greifen ihre Aktionen aus dem vergangenen Jahr auf. So hat auch Alpenhain seine limitierte „Wiesn-Edition“ wieder fest eingeplant. Von August an möchte der Hersteller mit dem „Original Obazda“ in der „Wiesn-Edition“ etwas Wiesn-Atmosphäre nach Hause bringen. Dafür werden auf den Verpackungen der Obazda-Sorten „Klassisch“, „Lauchzwiebel“ und „Röstzwiebel“ typisch bayerische Sprüche auf Wiesn-Herzen zu lesen sein. Im Frühjahr hat das Unternehmen bereits seine Social Media Community in die Kreation und Auswahl der Sprüche eingebunden. „Im August und September können die Verbraucher zusätzlich weitere individuelle Sprüche online auf der Landing Page gestalten, ausdrucken und aufkleben“, kündigt Carolina Noske, Leitung Marketing bei Alpenhain Käsespezialitäten GmbH, an. Zusätzlich plant Alpenhain Kooperationen mit Bloggern, die über ihre Kanäle für eine Bewerbung der Wiesn-Edition sorgen sollen. Und im Großraum München rückt Alpenhain Obazda „Original“ mit einer Out-of-Home-Kampagne in den Fokus. Schließlich sollen am PoS auch Cooler in Form von Zweitplatzierungen für mehr Aufmerksamkeit sorgen.

Dass zu Hause umso mehr gefeiert wird, nach dem Motto „Oktoberfest dahoam“, davon ist man auch bei Schamel überzeugt. Der Meerrettich-Spezialist bietet dem Handel wie im vergangenen Jahr aufmerksamkeitsstarke Zweitplatzierungsdisplays an, zum einem mit den Klassikern in den Geschmackssorten „Scharfwürzig“, „Alpensahne“ und „Raspelstix“. Zum anderen hat Schamel mit dem süß-pikanten bayerischen Meerrettich nach Hausmacherart eine neue Sorte im Sortiment, die zur Brotzeit passt.

Nach Ansicht von Sebastian Godding, Geschäftsführung Brezelbä‧ckerei Ditsch, wird es trotz der Absage der Wiesn zahlreiche kleinere Oktoberfest-Partys sowie Bier- und Weinfeste geben. Die Brezelbäckerei Ditsch investiert in ihrem Handelsgeschäft (B2B) in die Vorbereitung dieser Veranstaltungen und fokussiert sich auf ihren Full-Service-Level. „Wir möchten sicherstellen, dass alle Gastro-Partner die Chance haben, ihre entgangenen Einnahmen zurückzugewinnen“, erklärt Sebastian Godding. Des Weiteren bietet Ditsch auch Produkte für zu Hause an. Gleichzeitig investiert Ditsch weiter in den B2C-Bereich (inklusive Filialgeschäft), um dem Verbraucher neue Produkte zu bieten.

Deftiges mit Knödel, Fleisch und Wurst
Zu vielen warmen Speisen auf dem Oktoberfest gehören auch Knödel. Burgis beliefert nicht nur den Lebensmitteleinzelhandel mit Burgis-Knödeln, sondern ist auch Knödel-Lieferant für die meisten Wiesn-Wirte. Die Kartoffeln für die Kartoffelknödel und Knödelinos werden im Umkreis von 80 Kilometern um den Firmensitz in Neumarkt angebaut und tragen das Gütesiegel „Geprüfte Qualität – Bayern“. Auch in diesem Jahr will Burgis eine Oktoberfest-Aktion im Lebensmitteleinzelhandel platzieren: „Sonntagsknödel und Semmelknödel bekommen erneut einen Wiesn-Look mit Dirndl und Lederhose auf der Verpackung. Zusätzlich werden in der Aktion auch die Wiesn-Artikel Oktoberfestknödel und Brezenknödel angeboten“, informiert Timo Burger, Geschäftsführung Burgis. Unterstützt wird die Aktion mit entsprechender Dekoration, Rezeptkarten und Gewinnspielen. Auf den Social-Media-Kanälen werden zudem Rezeptvideos zum Nachkochen vorgestellt.

Wie das Oktoberfest in München wurde auch das Wiener Wiesn Fest im Prater pandemiebedingt erneut abgesagt. Wiesbauer war dort bisher mit einem eigenen Wiesbauer-Festzelt und zwei Wiesbauer-Schmankerl-Standerln vertreten. Für das Oktoberfest zu Hause bietet Wiesbauer ein Wiesn-Sortiment mit österreichischen Spezialitäten an, wie die Original Wiener Wiesn Stelze. Die Schweinshaxn ist bereits mittels sogenannter Sous-vide-Technologie vorgegart. Bei diesem modernen Niedrigtemperaturgaren im vakuumversiegelten Beutel treten nach Angaben von Wiesbauer weder Wasser noch Gewürze aus dem Fleisch aus, das Fleisch bleibt zart und saftig. Im Backofen wird es noch 40 Minuten fertig gebraten, um die knusprige Schwarte zu erhalten. Darüber hinaus bietet Wiesbauer mit der Wiener Wiesnplatte eine Auswahl an Braten-Spezialitäten in der 200-Gramm-Aufschnittpackung.

Oktoberfestbier
Auch wenn die Wiesn nicht stattfindet, Oktoberfestbier gibt es trotzdem. So ist das Oktoberfestbier der Paulaner Brauerei – eine der sechs Münchner Traditionsbrauereien, die dieses Bier brauen und ausschenken – auch 2021 im Handel und in der Gastronomie erhältlich. „Die Wiesn ist auch Markenbühne und Erlebnis, und das erhalten wir aufrecht“, sagt PR-Manager Johannes Rieger. „Schon 2020 haben wir die Wiesn virtuell gefeiert und zum Beispiel mit einem Livekonzert der Originalband aus dem Paulaner-Festzelt und einer Bierprobe mit dem ersten Braumeister Christian Dahncke das ,Wiesn‘-Gefühl zu den Menschen nach Hause gebracht. Dieses erfolgreiche Konzept führen wir auch 2021 weiter“, kündigt Johannes Rieger an.

Was sagt der Handel?
Inwiefern das Oktoberfest im Lebensmitteleinzelhandel Thema sein wird, dazu möchten sich einige Handelszentralen aus Wettbewerbsgründen nicht äußern. Für Edeka Südbayern ist das Oktoberfest in den Marketingaktivitäten seit Jahren ein wichtiges Thema, und sie plant es dieses Jahr intensiver als gewohnt. Aldi Nord bietet zu der Zeit analog zum vergangenen Jahr ein Sortiment an Oktoberfest-Produkten nach dem Motto „Hol Dir das Oktoberfest nach Hause“ an. Bei Rewe hat die Absage des Volksfestes keinen Einfluss auf die Angebots- und Sortimentsplanung. Ob und inwieweit sich die Absage generell auswirken werde, könne derzeit nicht verlässlich bewertet werden.

Einige befragte selbstständige Kaufleute halten sich mit Aktionen rund um das Oktoberfest eher zurück: So wird bei Edeka Ernst in Reisbach, Garching und München das Thema Oktoberfest nicht besonders groß gespielt. Das war auch schon vor der Pandemie so. Wenige Ausnahmen sind das Oktoberfestbier und zum Beispiel Emmentaler vom großen Laib. „Vor ein paar Jahren haben wir zwar diverse Aufbauten mit typischen Produkten und Accessoires ausprobiert, das war aber nie der große Bringer“, berichtet Dietmar Radwan, Bezirksleiter von Edeka Ernst in Reisbach bei Dingolfing. Er sagt weiter: „Diejenigen, die Oktoberfestprodukte haben möchten, gehen dorthin und kaufen sie nicht in den Märkten.“

Auch Markus Hufnagl, Inhaber von Rewe Hufnagl in Fürstenzell, thematisiert das Oktoberfest eigentlich nicht. „Das ist zu weit weg“, sagt er. „Wir konzentrieren uns auf regionale Produkte. Da wären wir nicht authentisch, wenn wir typische Oktoberfestprodukte in den Fokus rücken. Am Wochenende sorgen jedoch unsere Käse-Verkaufsstände – hier präsentieren wir auch 80-Kilogramm-Laibe-, Fisch und gebackene Krapfen (Fettgebäck) – für ein bisschen Volksfeststimmung auf dem Parkplatz“, so Markus Hufnagl.

Sabine Bischoff und ihr Sohn Pascal Kapp, beide sind Geschäftsführer von Edeka Bischoff in Heidelberg, haben das Oktoberfest bereits dreimal zum Anlass genommen, um ihren Kunden etwas Besonderes zu bieten. „An diversen Ständen boten Vertreter typische Produkte zum Verkosten an, und wir verkauften selbst gemachten Obazda und Fleischkäse sowie Weißwurst und Bier zu erschwinglichen Preisen“, berichtet Pascal Kapp. Eine Musikband sorgte für Oktoberfeststimmung, Kinder wurden mit Schminken und Spielen unterhalten. Im vergangenen Jahr wurde das Fest coronakonform auf dem Parkplatz veranstaltet. „Diese Aktion bringt uns immer viel Werbung, zumal wir den Erlös ortsansässigen Vereinen spenden“, berichtet Pascal Kapp. In diesem Jahr pausiert Edeka Bischoff mit dem Event, da Mutter und Sohn zum 1. Oktober einen zweiten Markt übernehmen. Eine andere Art von „Oktoberfest“ …