Check-out Keine Schlange an der Kasse

Die aktuelle EHI-Studie zeigt, Self-Scanning und -Check-out werden wieder häufiger als Zukunftstrend genannt, vor allem Scan-and-Go-Lösungen per Kundensmartphone sind gefragt.

Montag, 12. April 2021 - Management
Elena Kuss
Artikelbild Keine Schlange an der Kasse
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Im neu eröffneten Edeka Dirnberger am Hauptbahnhof in Regensburg sind die bargeldlosen Self-Check-out-Kassen bereits im Einsatz. Raphael Dirnberger erklärt: „Wir haben acht Kassen für einen 500 Quadratmeter großen Laden! Es soll schnell gehen.“ Im Markt gibt es vier bargeldlose Self-Check-out-Kassen und vier weitere Kassen mit Kassierer.

Noch einen Schritt weiter geht Edeka Aschoff in Kassel. Mit der am Einkaufswagen fest installierten Scanbox scannt der Kunde beim Einkauf seine Waren und zahlt, ohne die Ware später auf das Kassenband legen zu müssen. Am Check-out berührt der Kunde den Bezahl-Button auf dem Display und wählt aus, an welcher Kasse er bezahlen möchte. Bei Edeka Aschoff gibt es drei bediente Kassen und vier Self-Check-outs. Nach dem Scannen des Barcodes an dem ausgewählten Kassenplatz wird der Einkauf an die Kasse übertragen und der Bezahlvorgang eingeleitet.

Für Kunden mit der Scanbox stehen darüber hinaus zwei Selfscanning-Zahlstationen zur Verfügung, die über eine am Boden angezeigte Spur direkt angesteuert werden können. Eine Station akzeptiert nur Kartenzahlung, die andere auch Bargeld. Nach dem Bezahlen an einer der SB-Kassen erhält der Kunde einen Kassenbon mit aufgedrucktem Barcode. Diesen hält er unter ein Lesegerät am Exit-Gate, die Schranken öffnen sich und der Kunde verlässt den Markt. Kontrolle und Sicherheit für den Markt bietet ein in den Wagen integriertes Wägesystem, das genau überprüft, dass alles korrekt abläuft.

Die Hälfte der Händler ist gerüstet
Self-Scanning und -Check-out werden in der Trendbefragung des Handelsforschungsinstituts EHI wieder häufiger als Zukunftstrend genannt. 30 Prozent der befragten Händler messen dem Thema eine große Bedeutung zu.

Mehr als die Hälfte der europäischen Einzelhändler bietet bereits Self-Scanning-Lösungen an oder arbeitet daran, sie einzuführen. So das Ergebnis einer Studie von Scandit, Anbieter für Mobile-Computer-Vision- und Augmented-Reality-Lösungen.

Die Nutzung dieser Systeme steigt seit Jahren. Von den knapp eine Million Kassen im Einzelhandel waren Mitte 2019 nach einer Studie des EHI 4.760 Selbstbedienungskassen, an denen der Kunde selbst scannen und bezahlen konnte. Gegenüber 2017 hat sich die Zahl der Selbstbedienungskassen damit um fast 60 Prozent erhöht. Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie 2020 haben den Trend weiter verstärkt.

Die Mehrheit der Händler (68 Prozent) ist laut Scandit-Studie überzeugt, dass Scan and Go dazu beitragen wird, Verbraucher nach den coronabedingten Lockdowns wieder in die Ladenge‧schäfte zu bringen. Samuel Müller, CEO von Scandit: „Wir gehen davon aus, dass der Trend anhält.“ Die Mitarbeiter des Edekas Aschoff in Kassel können das nur bestätigen. Die Nutzungsrate der Einkaufswagen mit Scan-Funktion sei sehr hoch. Etwa die Hälfte des Marktumsatzes entfalle auf die 50 smarten Einkaufswagen.

Scannen mit dem Smartphone
Besonders interessant sind laut EHI-Studie Scan-and-Go-Lösungen per Kundensmartphone, da sie platzsparend sind und zu Beginn oft keine so hohe Investition voraussetzen. Statt fester Scanbox wie im Edeka in Kassel nutzt der Kunde sein eigenes Smartphone zum Scannen und Bezahlen. Ulrich Spaan, Co-Autor der EHI-Studie, erklärt: „Auch der Discount, der zuvor dem Thema sehr negativ gegenüberstand, steigt hier ein.“ Penny bietet den Kunden beispielsweise in 111 seiner rund 2.150 Märkte unter dem Motto „Werde Schnellzahler“ die Möglichkeit, die Ware schon beim Gang durch den Laden mit dem eige‧nen Handy zu erfassen – vorausgesetzt, sie haben sich zuvor die Scan-and-Go-App der Handelskette heruntergeladen.

Müller von Scandit bestätigt: „Bei einigen Lebensmittelhändlern hat sich die Zahl der Transaktionen, die über Scan-and-Go-Apps abgewickelt werden, durch Corona mehr als verdoppelt.“ Mehr als ein Drittel der Händler, die Scan and Go bereits einsetzen (36 Prozent), berichtet von einer steigenden Warenkorbgröße bei ihren Self-Scan‧ning-Kunden. 27 Prozent verzeichneten seit dem Beginn der Pandemie eine steigende Nutzung von Scan and Go – ein Sechstel von ihnen sogar um mehr als 51 Prozent. Software-Unternehmen wie Scandit und Nomitri bieten zusätzlich clevere Möglichkeiten zur Kontrolle. Nomitri setzt beispielsweise die Kamera des Smartphones ein, um die Anzahl der Gegenstände im Einkaufswagen mit der Anzahl der gescannten Gegenstände abzugleichen (siehe Kasten).

Self-Scan reduziert Kontakt
Als wichtigste Gründe dafür, dass Self-Scanning zunehmend im Mainstream ankommt, sehen die befragten Händler die reduzierten Kontakte zwischen Verbrauchern und Mitarbeitern sowie ein neues, verbessertes Einkaufserlebnis und die Zeitersparnis an der Kasse.

Händler, die bereits Self-Scanning einsetzen, wollen weiter investieren – beispielsweise in Click-and-‧Collect-Angebote und die Nutzung neuer digitaler Kanäle. Bei den Einzelhändlern ohne Self-Scanning stehen Shopping-Apps ganz oben, gefolgt von Click-and-Collect-Angeboten.

Einkaufen mit dem Smartphone
Die Softwarefirma Nomitri bietet eine App an, die es den Kunden ermöglicht, mit dem eigenen Smartphone ihren Einkauf selbst zu scannen.
Drei Fragen an Mitbegründerin Trinh Le-Fiedler.

Die App setzt einen vollgeladenen Akku voraus. Stört das die Kunden nicht?
Die Kunden haben keine Sorge, dass zu viel Akkuladung verbraucht wird. Wir hatten zu Beginn geplant, ein Ladegerät zu integrieren, doch in der Testphase sehen wir, dass es hier keinen Bedarf gibt – die Akkukapazität ist bei neueren Smartphone-Modellen kein Thema mehr. Wenn ein Händler doch das Feedback bekommen sollte, dass viele Kunden ein Ladegerät vermissen, könnte er einen Clip-on-Akku nachrüsten. Die genutzten Akkus müssen eingesammelt und wieder aufgeladen werden.

Wie sieht es mit Diebstahlschutz aus?
Wir arbeiten daran, einen Schutz eines großen Anbieters in unsere Lösung zu integrieren. Das System ist eine physische Sperre, ähnlich wie bei einem Fahrradschloss. Sie wird mit einer Zahlenkombination geöffnet. Da wir eine Software-Firma sind, nutzen wir lieber eine bestehende Lösung. Man muss das Rad ja nicht neu erfinden. Wir bündeln unsere Kräfte lieber für technische Innovationen.

Wie wird die App von den Kunden angenommen?
Wir testen unsere App gerade in zwei großen Märkten, und sie wird gut angenommen. Unsere App scannt nicht nur, sondern sie ist eine Art virtuelle Kasse. Über die Smart-phone-Kamera wird erkannt, was im Einkaufswagen landet. Wenn jemand nicht richtig scannt, weist die App darauf hin. Sie erkennt, ob die Anzahl der Artikel im Einkaufswagen mit der Anzahl der gescannten Artikel übereinstimmt, und ermöglicht auch, Artikel wieder aus dem digitalen Warenkorb zu entfernen. Da die künstliche Intelligenz in der App nicht Cloud-basiert ist, verlassen die Daten der Kundinnen und Kunden niemals deren Smartphones.
Drei Fragen an Mitgründerin Trinh Le-Fiedler.