Ja, es stimmt: In der „Toskana Deutschlands“ lebt eine sehr kaufkräftige Kundschaft, „die“, so erlebt es Edeka-Kauffrau Tanja Rees Tag für Tag, „für Qualität gerne den ein oder anderen Euro mehr ausgibt“. Ein deutschlandweiter Trend, wie Florian Mann, Senior Manager Retail bei der GfK, ermittelt hat. Inzwischen sagen mehr als die Hälfte der Verbraucher, dass ihnen beim Einkaufen Qualität wichtiger ist als der Preis. Genauer gesagt: 53 Prozent. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Einschätzung der eigenen finanziellen Situation aller Haushalte immer besser wird. Inzwischen sagen 40 Prozent, dass sie sich fast alles leisten können. Einen Wert, den es in dieser Höhe noch nicht gab.
Echte Steilvorlagen für Händler? Keineswegs. 2018 musste der Lebensmittel-Einzelhandel (LEH) sogar ein Trendbruch hinnehmen. Das Wachstum flachte ab. Die verkaufte Menge sank. Allein dem Preisanstieg, insbesondere im Frisch-Sortiment und bei Packaged Goods, ist es zu verdanken, dass am Jahresende noch ein Umsatzplus stand. Wenn auch mit 1,2 Prozent ein bescheidenes. Damit Milch und Honig im LEH fließen – oder anders formuliert Durchschnittsbon und Flächenproduktivität stimmen – braucht es also mehr als nur kaufkräftige Kundschaft. Im Rahmen der MLF-Tagung im 60sten Jubiläumsjahr schauten sich rund 350 Store-Checker der mittelständischen Lebensmittelfilialisten an wie das gelingen kann. Dazu nahm man vier der insgesamt sieben Märkte der gastgebenden Familie Rees im Detail unter die Lupe genommen.
Kein 08/15-Ladenbau
Was sich als unternehmerisches Credo durch alle Rees-Stores zieht sind die Themen Emotionalität und Regionalität. Weil Region nicht gleich Region ist, ist eine Individualisierung von Ansprache, Sortiment, Lieferanten, Ladengestaltung und Atmosphäre von Markt zu Markt von Nöten. Es geht darum genau die Nähe zur Region spürbar zu machen, in der die Kunden leben. So hat man die schlichte, weiß verputzte Fassade der Südschwarzwälder Filiale dekorativ mit heimischen Hölzern aufgepeppt. Holzelemente ziehen sich auch durch die gesamte Ladeneinrichtung: vom Check-out-Bereich bis zu zur Sushi-Theke. Rustikales Schwarzwald-Ambiente eben. Atmosphärisch klar, modern, hell, stylisch, im Industriedesign gehalten, vermitteln die Märkte in den Großstädten Freiburg und Karlsruhe urbanes Flair. Emotionale Ansprache je nach Kundenklientel.
Wenn´s machbar ist: regional
Das Thema Regionalität beherrscht Sortimentsbreite und -tiefe. Erdbeeren, Spargel und Kartoffeln kommen von lokalen Erzeugern, ebenso die Ziegenkäsespezialitäten. Geworben wird mit Namen und Orten, die die Verbraucher kennen. Das impliziert Frische, Nachhaltigkeit und Transparenz en bloc. Sogar Salzwasserfische, wie Dorade oder Wolfsbarsch, made in Baden-Württemberg liegen in der Fischtheke. Regionalität funktioniert nicht nur ei Frische, rischesegment, sondern in allen Bereichen – in der Getränkeabteilung mit „A“ wie Apfelsaftschorle bis ins Trockensortiment mit „V“ wie Vesper-Brötchenmehl. Alles regional, nicht selten lokal. Aufmerksamkeitsstark setzt man in der „Hall of fame“ die regionalen Erzeuger in jedem Markt plakativ in Szene.
Gleichzeitig punktet man mit Service: vorneweg in den Weinabteilungen. Verkostungsbereiche, digitale Weinberater und ein Weinraritäten-Kühlschrank, wo edle Tropfen für mehrere hundert Euro je Flasche liegen, lassen die Herzen der Weinfans höher schlagen. Auch im Convenience-Bereich zeigt man sich kundenorientiert mit Sushi- und Salatbars, frischen Müslis und Desserts in der O&G-Abteilung – Löffel, Stäbchen und Servietten in Griffweite- , oder Fischbrötchen zum Take-away an den Fischtheken.