Verpackung Jede Menge Müll...

Verpackungsabfälle fallen im Handel in großen Mengen an. Zum Leidwesen der Händler. Dass der Müll auch Wertstoff sein kann, der Geld wert ist, ist kaum bekannt.

Donnerstag, 05. Mai 2011 - Management
Friederike Stahmann
Artikelbild Jede Menge Müll...
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Niemand mag ihn, aber alle produzieren ihn: Müll. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes fielen 2008 jährlich so rund 382,8 Mio. t Müll in Deutschland an. Abfall aller Arten, von Hausmüll bis hin zu Bau- und Abbruchabfällen. Fokussiert auf diese Zahl, nehmen sich 16,2 Mio. t Verpackungsmüll aus dem Handel fast bescheiden aus. Nach einem kleinen Rückgang 2009 – Hauptursache waren die Auswirkungen der Rezession im Bereich der Gebrauchs- und Investitionsgüter – wird dieser Müllberg aber 2010 wieder größer. Das lasse sich derzeit noch nicht mit handfesten Zahlen belegen, so der geschäftsführende Gesellschafter der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung in Mainz, Kurt Schüler. Aber es sei wohl mit einer Trendfortschreibung zu rechnen. Und die zeige aufwärts.

Gut 20 Prozent des jährlichen Verpackungsmüllberges entfallen auf Transportverpackungen aus Papier und Kunststoff, die im Handel umgeschlagen werden. Seit 2007 bis 2009 waren das jeweils um die 3,5 Mio. t. Der Anteil der Outlets des Lebensmittel-Einzelhandels (LEH) an den genannten Mengen wiederum beträgt gut 40 Prozent bei den Kunststoffen und rund 50 Prozent beim Papier. Im Klartext: 10 Prozent des deutschen Abfalls über alle Müllsorten fällt im LEH an.

Ein Berg, der wächst: „Die regalgerechten Größen bei den Verpackungen führen in der Summe zu immer mehr Müll", erklärt Schüler. Aber auch die für den Handel so praktischen Aufreißkartons, kleinere Füllgrößen der einzelnen Verpackungen, unterschiedliche Losgrößen im Sortiment sowie insgesamt kleinere Versandverpackungen aufgrund einer größeren Sortimentsvielfalt haben einen großen Einfluss auf den Mengenanstieg der Verpackungsmaterialien. Discountierung führe in der allgemeinen Tendenz zu mehr Müll, so der Experte.

Müll ist ein Thema für den Lebensmittelhandel. Nicht nur, aber auch auf der Nordseeinsel Juist: Um seinen Müll loszuwerden, bestellt Reiner Bunkenburg, Inhaber des Frischemarktes in der Friesenstraße, mehrmals wöchentlich eine Kutsche, um Transport-, Umverpackungen und Restmüll los zu werden. Ja, Kutsche, denn die Insel ist autofrei und die Müllwagen werden mit echte Pferdestärken betrieben. Pro „gefüllter" Kutsche mit drei Anhängern bezahlt er 60 Euro.

Frühe Trennung

Die Mitarbeiter von Reiner Bunkenburg beginnen schon bei der Warenannahme und dem Auspacken, Verpackungen zu sortieren, zu trennen und zu entsorgen. „Meine Leute haben dabei ein ganz eigenes System. Da sitzt jeder Handgriff", meint der Ladenbesitzer. Folien kommen in Rollcontainer, in denen 360-l-Säcke eingespannt sind. Papier, Pappe und Karton werden mit einer Presse in Quader gepresst. „Ich lege Wert darauf, dass der Müll ein möglichst kompaktes Format bekommt, denn ich bezahle die Abfuhr nach Volumen", so Bunkenburg. Als Last sieht er die Müllentsorgung nicht. Sie gehört zum täglichen Arbeitsablauf.

Etwas anders war das noch bis vor Kurzem für Tobias Stubhann. Sein Geschäft liegt rund 800 km Luftlinie entfernt vom Bunkenburgschen. Am anderen Ende Deutschlands, an der deutsch-österreichischen Grenze in Saaldorf. Die seit vielen Jahren gängige Praxis des Sammelns und Reißens von Transport- und Umverpackungen aus Pappe in Rollcontainer war für ihn und seine Mitarbeiter lästiger Alltag. „Je nach Technik des Zerreißens und Zertretens waren meine Mitarbeiter 12 bis 16 Arbeitsstunden im Monat nur mit der ‚Entsorgung' von Wellpappe beschäftigt", sagt Stubhann. Dazu kam, dass die Ordnung im Lager dadurch zu wünschen übrig ließ. Neben zwei bis drei Rollcontainern sammelten sich regelmäßig kleinere und größere Pappeberge.
Vor gut einem Jahr entschied sich Stubhann für den Kauf einer Müllpresse. „In fünf bis sechs Jahren wird sich die Investition amortisiert haben", so der Kaufmann. Nicht zuletzt erhält er nun Geld für seinen Abfall und muss keines mehr bezahlen.

Für ihn sprachen aber noch mehr Gründe für die Investition. Die Abwicklung des Müllsortierens stand für ihn beim Erwerb der Müllpresse im Vordergrund. Die Pappen können nun direkt ohne jegliches Zerreißen und Zertreten in die Presse geworfen werden. Ist diese voll, wird ein Kartonageballen mit einem Gewicht von 250 bis 300 kg direkt auf Europaletten ausgeworfen. Die wiederum werden mit dem Hubwagen abtransportiert, gesammelt und einmal im Monat an einen Altpapierhändler verkauft. Dank der Müllpresse spart Stubhann etwa ein Viertel der bisher benötigten Zeit ein und kann seine Mitarbeiter dafür mit für ihn weitaus wichtigeren Arbeiten in seinem 1.360 qm großem Geschäft betrauen.

Dass Müll auch Wertstoff sein kann, sieht man an den gesamtgesellschaftlichen Bemühungen, Müll zu sortieren und zu recyceln. So auch im Handel. Bei den Verpackungen liegen die Verwertungsquoten gut. Ein ganzer Wirtschaftszweig lebt davon. Da es sich um einen internationalen und volatilen Markt handelt, schwanken die Preise aber auch hierzulande stark.
Fast zu jeder Zeit gehört Kaufhaus-Altpapier, wie recyclingfähige Pappe genannt wird, zu den gesuchten Müllfraktionen. Sie lässt sich bis zu fünfmal recyceln und ist damit weit wertvoller als Kunststoff. Aber auch Kunststoff wird wiederverwertet. Die aufarbeitende Industrie wünscht vor allem sortenreine Fraktionen. Insbesondere unbedruckte Folien sind gefragt. Ein großer Discounter macht schon seit Jahren vor, wie man die von der Lebensmittelindustrie gleich frei Haus geliefert bekommen kann: Bei Aldi dürfen nur transparente, unbedruckte Folien bei Verpackungen und Umverpackungen verwendet werden. Die Erlöse für diese „nicht verunreinigten" Tranchen sind dementsprechend gut.

Nachwachsend und nachhaltig

Es geht aber vielen Händlern nicht nur um die Erlöse durch Recycling des Mülles. So will das Schweizer Handelsunternehmen Migros die Umweltbelastung durch Verpackungen bis 2013 bei den 250 meistverkauften Artikeln um 10 Prozent reduzieren. So kommen beispielsweise Karton und Papier für die Verpackung der Produkte aus den Migros-eigenen Herstellungsbetrieben aus nachhaltiger Waldwirtschaft. In England setzen Handelsketten wie Sainsbury, Tesco und Marks & Spencer auf Bioverpackungen.

Und auch hierzulande tut sich was. „Im Bereich der Verpackungen suchen wir schon seit Jahren nach Lösungen, um den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen zu fördern, insbesondere als Ersatz von erdölbasierten Materialien", zeigt Rainer Würz , wohin bei Tegut in Fulda der Weg geht. Andreas Krämer von der Rewe Group betont, dass bei den Eigenmarken großen Wert auf den Einklang eines nachhaltigen Handels einerseits und der Unverzichtbarkeit von Verpackungen andererseits gelegt werde. Serra Estatoglu fasst es für Real so zusammen: „Im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie setzen wir uns für die Vermeidung und Verwertung von Abfällen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein, weil es gut für die Umwelt und bei ständig steigenden Rohstoffpreisen auch ökonomisch sinnvoll ist."