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Es ist Freitag Nachmittag und Diana T. ist sauer. Ihr Wochenendeinkauf sollte schnell und in einem Aufwasch über die Bühne gehen. Aber jetzt steht sie vor einem leeren Regalplatz und findet nicht das gewünschte Produkt für den Sonntags-Brunch. Das passiert ihr bei diesem Einkauf gleich zwei Mal. Darauf reagiert sie rein natürlich, sprich verärgert. Alternativen zum gesuchten Markenartikel will sie nicht, dass heißt, sie verzichtet auf den Kauf und sucht noch einen anderen Supermarkt auf.
Ein nicht zu unterschätzendes Negativ-Erlebnis, das bei Wiederholung zum dauerhaften Verlust treuer Kunden führen kann. Denn bei fehlender Ware im Regal, den so genannten Out-of-Stocks (OOS), kaufen nach Erhebungen von GS1 14 Prozent der Kunden gar nichts, 11 Prozent der Kunden woanders und 17 Prozent in der Regel ein kleineres Gebinde bzw. eine andere, meist günstigere Sorte. Besonders intensiv ist die Wahrnehmung für den Kunden, wenn Ankermarken wie Nutella, Kelloggs, Milka oder Pampers fehlen. Bei Handelsmarken reagiert er gelassener. „So entsteht dem deutschen Einzelhandel pro Jahr ein Umsatzverlust von bis zu 1 Mrd. Euro", sagt Matthias Haubenreißer von GS1. Das geht auch zu Lasten der Industrie: „Wir feilschen bei den Jahresgesprächen bis auf die dritte Stelle hinter dem Komma und am Regal geht uns wertvoller Umsatz flöten", sagt ein Hersteller.
Die OOS sind ein sehr relevantes Thema im deutschen Handel - und eine teuere Angelegenheit. Experten sagen, es rangiere heute direkt nach der Preispositionierung. Bei der Metro Group beispielsweise ist die OOS-Problematik hoch angesiedelt. „Wir sind ständig bestrebt, Out-of-Stock-Situationen zu vermeiden. Unsere Warenwirtschaftssysteme erkennen auf Basis von Abverkäufen und der Vergangenheitsdaten, wann Ware nachgelegt oder nachbestellt werden muss", heißt es in Düsseldorf. Bei der hohen Komplexität der oftmals globalen Lieferketten seien die Einflussmöglichkeiten auf verschiedene Prozessschritte jedoch unterschiedlich hoch. Daher konzentriere man sich zur Vermeidung von OOS-Situationen auf Parameter, die direkt von Metro zu beeinflussen sind. „Wir haben den Kontakt zu den Industriepartnern intensiviert und suchen bei aktuellen Störungen in der Prozesskette gemeinsam nach Auswegen." Zudem wurden viele frühere Direktlieferanten „auf Zentrallager" umgestellt. Von dort aus werden die Märkte dann durch konzerneigene Transporte beliefert. So werde die Versorgungssicherheit erhöht.
Gleiche Sicht der Dinge bei Tengelmann: „Out-of-Stocks sind betriebswirtschaftlich gesehen grundsätzlich negativ zu bewerten. Wir gehen von drei Seiten das Problem an und prüfen die Beschaffungs- Logistik sowie die Vertriebsseite" sagt Raimund Luig, Gesprächsführer Kaiser's Tengelmann GmbH. Zur Lösung des Problems seien verschiedene Maßnahmen denkbar. Einen ersten Ansatz wird in der Sensibilisierung der Mitarbeiter, die für die Befüllung der Regale verantwortlich sind, gesehen. Deren Erfahrungswerte verbunden mit Platzierungsvorgaben und das Einfließen von Ergebnissen ausgewerteter Aktionen sind ebenfalls hilfreich.
Die Symphony IRI Group in Düsseldorf beschäftigt sich in fortlaufenden Studien mit Bestandslücken. Eine Warengruppenstudie mit verschiedenen Handelsunternehmen, bei der 40 repräsentative Produkte aus 14 Sortimentsbereichen mit einem Gesamtumsatz von 400 Mio. Euro (Juli 09 bis Juli 10; 10.000 Outlets ohne Harddiscount) betrachtet wurden, ergab eine durchschnittliche Out-of-Stock-Rate von 13 Prozent (Fälle) und einen errechneten Umsatzverlust von 34 Mio. Euro pro Jahr. Das Risiko, das der Handel in dieser Situation trägt, sprich Umsatz-/Kundenverlust durch Ersatzkauf, Einkaufsstättenwechsel etc. liegt über alle Warengruppen gesehen bei rund 40 Prozent, 60 Prozent entfallen auf die Hersteller, z.B. durch Markenwechsel oder Nichtkauf. B- und C-Marken kriegen dabei mehr ab als Topmarken. Andererseits machen laut GS1 mehr als 60 Prozent der Kunden den Handel für die Regallücken verantwortlich. Also ein guter Anlass für Zusammenarbeit. Sie findet statt, aber offenbar redet man noch mehr über Projekte und nicht über Prozesse: „Das Thema ist häufig ein Teilaspekt gemeinsamer Projekte wie beispielsweise Category-Management- oder Supply-Chain-Analysen, kann aber auch ein Schwerpunkt sein." „Davon könnte es durchaus mehr geben", so die Einschätzung von Nestlé. Die daraus gewonnen Erkenntnisse könnten allen Beteiligten nur von Nutzen sein. Großes Interesse, Projekte mit weiteren Handelspartnern anzugehen, wird in Frankfurt bekundet.