Interview mit Michael Cames „Es fehlt uns nicht an Perspektiven“

Die Frage der Größe ist beim Neusser Zustellgroßhandel Cames verhältnismäßig. Die Belieferung und Beratung „kleiner“ Verkaufsflächen, auch in ländlichen Regionen, sind etwas für Spezialisten, die vorausschauend und digital planen.

Donnerstag, 22. März 2018 - Management
Dieter Druck
Artikelbild „Es fehlt uns nicht an Perspektiven“
Bildquelle: Carsten Hoppen, Cames

Die „Kleinen“ in der Handelsszene werden nicht groß wahrgenommen. Aber sie haben eine stabile, meist regional ausgerichtete Basis und Perspektiven, trotz fortschreitender Konzentration im Lebensmittel- Einzelhandel (LEH) und eines expansiven Online-Handels. „Wir als Mittelständler kennen unsere Stärken und Möglichkeiten und wissen sie auch ins Spiel zu bringen“, konstatiert selbstbewusst Michael Cames, geschäftsführender Gesellschafter der Lebensmittel-Großhandlung Peter Cames in Neuss.

Auch wenn Sie nicht ‚viel Staub aufwirbeln‘, aktuell wird über Feinstaub und Dieselfahrverbote diskutiert? Wie bewerten Sie die aktuelle Lage?
Michael Cames: Wir stehen am Anfang der Diskussion. Es werden fortlaufend verschiedenste Szenarien entwickelt, aus denen ich heute für uns noch keine konkreten Maßnahmen ableiten kann. Wir müssen uns mittelfristig sicher auf Fahrverbote in Ballungsräumen einstellen.

Wie nah beziehungsweise wie fern ist Ihnen die E-Mobilität?
In unserem Großhandel wurden 2017 mehr als 1,2 Millionen Kilometer gefahren, und wir sind in der Spitze mit 18 Lkw unterwegs. Da denkt man über alternative Antriebe nach. Aber Elektro ist weder bei Pkw noch Lkw für uns derzeit ein Thema. Es fehlt schlichtweg an der Praxistauglichkeit, vor allem an ausreichender Reichweite und kurzen Ladezeiten. Auf der anderen Seite optimieren wir fortlaufend die Touren, um die Laufleistung des Fuhrparks pro Jahr zu reduzieren.

Aber Cames bewegt sich in einem vergleichsweise überschaubaren Vertriebsgebiet....
Sicherlich würde sich die Region mit den Städten Neuss, Mönchengladbach und Düsseldorf als Testgebiet eignen, aber wir werden hier keine Vorreiterstellung einnehmen können. Es muss für uns einfach praktikabel und betriebswirtschaftlich sinnvoll sein.

Die Kleinstflächen im LEH stehen unter Druck und schwinden. Was ergibt sich für Sie daraus?
Wir beliefern heute rund 300 Selbstständige mit Verkaufsflächen bis maximal 500 Quadratmeter. Deren Zahl ist bei uns noch relativ stabil. Aber wir verschließen nicht die Augen vor der Realität. Fehlende Nachfolge und mangelndes betriebswirtschaftliches Know-how sowie ein sich weiter verschärfender Wettbewerb unter den Großen des Handels werden den zahlenmäßigen Schwund der kleinen Lebensmittelläden weiter aufrecht erhalten. Aber die Kleinformate werden nicht komplett von der Bildfläche verschwinden.

Es wird viel über Nahversorgung und wohnortnahes Einkaufen gesprochen: Wie weit driften hier Theorie und Praxis auseinander?
Über die ländliche Nahversorgung wird in der Tat viel gesprochen, aber vorwiegend auf politischer Ebene. Die urbane Nahversorgung, insbesondere in den Hochfrequenzlagen, ist etwas vollkommen anderes. Die extrem teuren Standorte sind in der Regel vergeben und in Händen großer Handelskonzerne.

Sind das Anklänge eines Abgesangs?
Keineswegs, wir arbeiten daran, bestehende Standorte für die kommenden zehn Jahre wettbewerbsfähig zu halten. Nur müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass sich die Nahversorgung rechnen muss. Genossenschaftlich organisierte Dorfläden starten meist sehr gut, getragen vom anfänglichen Engagement der Mitglieder. In der Folge fällt es aber oftmals schwer, die Einkaufsfrequenz zu halten. Es ergaben sich auch Gelegenheiten für neue Läden, beispielsweise durch ehemalige Kaiser‘s-Standorte. Alte Schlecker-Märkte sind eher das genaue Gegenteil. Generell gute Chancen sehe ich für Kleinflächen mit einem erweiterten Serviceangebot wie Post, Reinigung, Café und Lieferservice. Es steht und fällt mit der Standortwahl und der Motivation des Betreibers.