Interview Neumann und Brüggemann - Bünting „Wir sind etwas anders."

Bünting ist auf einem neuen Weg. Wie die Marschtabelle aussieht, erläutern Vorstand Manfred Neumann und Marketingleiter Joosten Brüggemann.

Donnerstag, 24. März 2011 - Management
Dieter Druck
Artikelbild „Wir sind etwas anders."
Bildquelle: Bahlo

Deutschlands Nordwesten ist in der Handelslandschaft keine Insel der Glückseligkeit, auch wenn dort zur Urlaubszeit im Gegensatz zu manch anderen Regionen die Läden voll sind. Das hat inzwischen auch den Wettbewerb angezogen. Aber Bünting ist ein Platzhirsch mit Regionalitätsvorteil, der sich in der Position des qualitativen Marktführers sieht, sich betont anders gibt und jetzt nach der Trennung von BBB&R neue Wege beschreitet.

Mit dem Austritt aus BBB&R wurde eine neue Ära bei Bünting eingeläutet. Was tut sich, was hat sich geändert?
Neumann: Unsere Kooperation mit BBB&R war nach 27 Jahren nicht mehr zeitgemäß. Es geht heute nicht mehr allein um die Bündelung von Einkaufvolumina, sondern auch Kriterien wie beispielsweise IT, Logistik und Services haben strategische Bedeutung. Unter diesem Aspekt haben wir neue Kooperationspartner gewonnen. Darüber hinaus sprechen wir intensiver mit der Industrie z. B. über gemeinsame Kampagnen, Produktentwicklung, Category-Management-Projekte, Verkaufstests und Kundenansprache. Es gibt Handelsunternehmen mit weitaus größerer Einkaufsstärke als wir, daher müssen zusätzliche Ansätze forciert werden.

Wie nehmen die Hersteller dieses Angebot an?
Brüggemann: Seit März 2010 gehen wir diesen Weg. Es gibt Befürworter und einige Ablehner, was uns nicht von der Linie abweichen lässt. Die kooperierenden Industriepartner verstehen uns. Wir wollen gemeinsam die vielschichtigen Kundenansprüche in der heutigen Zeit bedienen.

Wie verliefen die Jahresgespräche?
Neumann: Wir haben mit rund 300 vorrangig nationalen Lieferanten, verhandelt, wobei eine konditionelle Weiterentwicklung von überdurchschnittlich 3 Prozent erreicht wurde. In diesem Jahr werden noch weitere 50 Lieferanten hinzu kommen. Der Fokus liegt dabei klar auf den A-Marken.

Wie ist der Status bei den Kooperationspartnern auf Handelsseite. Sind schon weitere neue in Sicht?
Zunächst einmal haben wir zum 1. Januar mit Okle, Hamberger, Brülle & Schmelzer drei neue Kunden gewonnen. Das fordert uns zusätzlich, weil mit C&C, GV mehr oder weniger neue Bereiche berührt werden. Natürlich sind wir auch offen für weitere Partner, aber immer unter der Prämisse, dass sie zu dem zuvor umrissenen Konzept passen, sprich Logistik, Serviceleistung etc. Da bleiben wir konsequent.

Welche Kooperationsbasen haben Sie mit den neuen Mitgliedern?
Auch hier ergeben sich neben dem Einkaufsmandat Aspekte wie Logistik, Sortiments- und Eigenmarkenstrategien. Mit Tengelmann beispielsweise haben wir den gemeinsamen Einkauf bei Obst & Gemüse aufgestellt sowie die Bio-Eigenmarken Naturkind / Naturwert synchronisiert. Ebenso haben wir zusammen mit der Markant Offenburg die Eigenmarke „Jeden Tag" entwickelt, die jetzt auf die Gruppe übertragen wird.


Im vergangenen Jahr hat Bünting insgesamt rund 50 Mio. Euro investiert. Was ist für das laufende Jahr vorgesehen?
Das Investitionsniveau wird gehalten. Rund 50 Prozent davon fließen ins Ladennetz. An Neueröffnungen sind für 2011 geplant ein Famila-Markt, sechs Combis, zehn Markant-Standorte sowie fünf Telepoint-Elektrofachmärkte.

Wie sehen ihre Expansionspläne jenseits des Kerngebietes aus?
Wir werden in Randbereichen wie Hamburg und dem Ruhrgebiet verstärkt Präsenz zeigen. Der Standort Hamburg wird derzeit analysiert. Wir treten dort unter anderen Voraussetzungen an, deshalb wird es vielleicht noch zwei bis drei Jahre dauern. Wir haben mehrere Standorte im Blick und sehen „Combi" als passendes Format für den Start. Markant-Märkte könnten später folgen. Aber wie gesagt, hier planen wir langfristig.

„Langfristig" verläuft auch die geplante Expansion in den Niederlanden. Ist das Thema abgehakt?
Nein, wir werden das nicht aus den Augen verlieren, zumal wir auch in unseren grenznahen Standorten viele Kunden aus den Niederlanden haben. Die kommen vor allen wegen der allgemeinen Sortimentsbreite sowie dem Nonfood-Angebot und kaufen nicht allein preisorientiert. Aber der Schritt ins Nachbarland ist schwieriger als wir uns das vorgestellt haben. Wir müssen hier deutlich mehr Geduld zeigen.

Nahversorgung ist ein Aspekt, der zurzeit in Handelskreisen wieder einmal auflebt. Welche Chancen sehen hier für die Markant-Supermärkte?
Generationswechsel, die Nähe und Dichte der Discounter sind u.a. Faktoren, die insbesondere den Flächen zwischen 100 und 300 qm das Überleben schwer machen. Da können auch wir uns nicht vom allgemeinen Abschmelzungsprozess abheben. Anderseits bestehen auch gute Standorte in dieser Größenordnung.

Wie können oder wollen Sie dem gegensteuern?
Der zentrale Punkt ist, aus kleineren Flächen größere zu machen, denn der Kunde erwartet heute breitere Sortimente. Wir gehen heute von einer Mindestgröße von 500 qm aus. Darüber hinaus muss das Serviceangebot erweitert werden - Post, Lotto, Bäckerei etc. Ein wesentlicher Faktor ist dabei die Funktion de Kleinflächen als Kommunikationsstätte sowie die Verbindung des Kaufmanns zum Gemeindeleben.

Haben Sie ein Bild vom modernen Nahversorger, der allgegenwärtig kolportiert wird?
Ja, der modernste ist für mich E-Commerce.

Ist nicht auch die Großfläche eine Herausforderung? Zählt Familia zu den darbenden dieser Vertriebsschiene?
Nein, dazu zählt Famila nicht. Der XXL-Markt in Oldenburg mit 11.000 qm ist für uns ein idealer Testmarkt aber flächenmäßig nicht der Maßstab. Ich denke das Famila-Zukunftsformat wird auf 4.500 bis 5.000 qm realisiert. Dabei spielen neben der Frische kompetent besetzte Nonfood-Abteilungen eine zentrale Rolle.

Andere Wettbewerber blicken teilweise mit Grausen auf das Nonfood-Geschäft, warum Sie nicht?
Brüggemann: Wir installieren Nonfood-Abteilungen mit Fachmarktanspruch. Bei Haushaltswaren, Textilien, Lederwaren z. B. finden die Kunden auch Marken, die sonst nur im Fachhandel anzutreffen. Hochwertige Sortimente und ausgebildetes Fachpersonal unterscheiden uns von anderen. Daraus resultierte im vergangenen Jahr ein deutliches Umsatzplus und eine konditionelle Weiterentwicklung.

Ein anderes Profilierungsfeld sind Eigenmarken. Welche Pläne verfolgen Sie hier?
Generell haben Eigenmarken bei Bünting deutlich an Bedeutung gewonnen Wie bereits erwähnt, wird aktuell die Preiseinstiegs-Marke „Jeden Tag" aufgeschaltet, die als roter Block in den Sortimenten platziert wird. Wir brauchen dieses Instrument, um auch die preisbewusste Klientel anzusprechen. Aber wir bilden nicht nur Discount-Sortimente ab, sondern schauen noch ein wenig nach rechts und links. Beispielsweise führen wir nicht nur zwei oder drei Dosensuppen, sondern sechs. Das ist ein zusätzlicher Impuls. Auch hier gilt der Anspruch anders zu sein. Derzeit sind es rund 280 Artikel unter „Jeden Tag". Im Sommer werden es schon 600 sein und in der Endstufe 800.


Wie ist Küstengold positioniert? Wird hier der Aspekt Regionalität bedient?
Küstengold, unser blauer Block, wird vom Kunden als regionale Marke wahrgenommen, jedoch von uns nicht als solche kommuniziert. Es wird schon auf regionale Lieferanten geachtet, aber wenn es nicht machbar ist, kommen deutsche Hersteller zum Zuge. Rund 350 Artikel umfasst das Angebot, wobei der führende Markenartikler in den jeweiligen Segmenten qualitativer und sensorischer Maßstab ist. Das Angebot finden sie in allen unseren Schienen und steht ebenso den Systemkunden zur Verfügung. Die Produkte werden kontinuierlich durch das Institut Fresenius geprüft und wir selbst führen immer wieder Geschmackstests mit Kunden durch, wo Küstengold im Vergleich zu Markenprodukte getestet wird. Küstengold ist eindeutig ein Differenzierungsinstrument.

Wieso haben Sie unter Küstengold bei Fisch ein eigenes Siegel eingeführt?
Unsere Produkte tragen schon das MSC-Siegel, aber es beschränkt uns im Angebot, weil nur wenige Fischarten zertifiziert und die Mengen am Markt limitiert sind. Daher haben wir unsere eigenen Kriterien für ein Nachhaltigkeits-Siegel aufgestellt, das auch Bestandsschutz, Fanggebiete, Rückverfolgbarkeit und anderes berücksichtigt.

Sind wir beim Thema Nachhaltigkeit. Die einen posaunen laut, die andere leise. Wie stark bläst Bünting ins Horn?
Neumann: Wir tönen leise und nutzen das Thema zur weiteren Orientierung. Nachhaltigkeit ist Teil der Unternehmensphilosophie und Langfriststrategie. Wir sind auf dem Weg aber noch nicht in allen Belangen soweit und man muss sich manchmal auch die Frage der Realisierbarkeit stellen. Entscheidend ist aus unserer Sicht, Nachhaltigkeit zu leben, auch vorleben für die Mitarbeiter, sowie die Nachvollziehbarkeit für den Verbraucher.

Und wie ist die Lautstärke beim Thema Preise?
Brüllen nützt nichts. Begründbare Preiserhöhungen müssen weitergegeben werden. Versuche auf einer Preiserhöhungswelle mitzuschwimmen lehnen wir ab. Außerdem muss dem Verbraucher die Relation von Qualität und Preis verdeutlicht werden. Auch eine Aufgabe für Medien.

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XXL-Background: Manfred Neumann, Vorstand der Bünting Unternehmensgruppe, und Marketingleiter Joosten Brüggemann. (v.r.)

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