Interview mit Kai Hudetz „Ein bisschen wie Häuserkampf“ - Interview mit Kai Hudetz: Teil 2

Kundendaten werden für den Lebensmittel-Einzelhandel immer wichtiger. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln, empfiehlt dem LEH vor allem Bonussysteme. Doch deren Betreiber fokussieren auf große Handelsketten. Kleinere Händler profitieren von individuellen Maßnahmen.

Montag, 26. Juni 2017 - Management
Martin Heiermann
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Bildquelle: Peter Eilers

Welche Ansätze halten Sie für besonders wichtig, damit Händler aus Big Data echten Nutzen für ihre Kunden generieren können?
Den Großen im Handel bieten die führenden Kundenkarten-Anbieter tatsächlich interessante Optionen. Für die KMU im Handel ist es indes ein bisschen wie Häuserkampf. Es gibt kein Universalmittel, jeder muss seinen Weg individuell finden. Einfach umzusetzen und mit Aussicht auf eine gute Datenbasis sind Gewinnspiele. Wobei Händler hierbei bedenken sollten, dass Teilnehmer auch oft nur am Gewinnspiel, nicht aber am Unternehmen im Allgemeinen interessiert sind. Aber auch alle anderen Kontaktpunkte zum Kunden, etwa Verkostungen oder andere Events auf den stationären Flächen, eignen sich zum Aufbau einer Datenbasis und zur interaktiven Kommunikation. Auch soziale Medien wie Facebook bieten viele Anknüpfungspunkte und können die Kundenbindung über Content und Kompetenzprofile stärken. Die Nutzung von Social Media erfordert aber Professionalität sowie großen zeitlichen und personellen Aufwand. Wichtig beim Sammeln von Kundendaten aller Art ist immer auch die Sicherstellung der Rechtskonformität.

Der Vorsprung der Online Pure Player in Sachen Big Data scheint uneinholbar. Welche Optionen bleiben dem traditionellen Handel?
Der Vorsprung der Online-Player ist kaum noch einzuholen. Ein Problem für den stationären Handel stellt auch die Rekrutierung des IT-Personals dar, denn gute Informatiker ziehen die Online-Spezialisten häufig vor. Dessen Chance besteht darin, dass er die Kunden auf allen Kanälen abholen kann. Der stationäre Handel hat ja sehr viele Touchpoints zum Kunden. Großes Potenzial bietet die Verknüpfung von stationär und online generierten Kundendaten. Das ist eine Riesenchance, aber eben auch eine Riesenherausforderung.

Wo sehen Sie die größten Probleme: bei den technischen oder bei den personellen Ressourcen?
Bei den personellen Ressourcen. Die technischen Systeme sind alle am Markt vorhanden und auch gar nicht so teuer. Das für die Big-Data-Prozesse erforderliche Personal hingegen ist auf dem Arbeitsmarkt extrem knapp und begehrt. Erschwerend hinzu kommt, dass Einzelhändler außerhalb der bei IT-Experten bevorzugten Metropolen auch noch Standortnachteile haben.

Der Umgang mit Kundendaten ist ein sensibler Bereich. Halten Sie dennoch das Outsourcing von Big-Data-Prozessen für eine Option?
Ein komplettes Outsourcing halte ich für schwierig und auch gefährlich. Kundendaten aus der Hand zu geben, ist immer problematisch. Gleichwohl sind Kooperationen wichtig und nötig. Auch die Nutzung von Cloudlösungen ist heute sehr sicher und kostengünstig. Ein komplettes Outsourcing ist aber keine zukunftsgerichtete Option.

IFH-Studie zum Thema

Nur mit dem richtigen Personal ist die digitale Transformation zu meistern. Eine IFH-Schwerpunktstudie widmet sich dem Thema: www.ifhshop.de/ifhschwerpunktstudie-2016

Welche Rolle spielen nach Ihrer Erfahrung die Verbundgruppen im Einzelhandel in Sachen Big Data?
Generell können Verbundgruppen extrem hilfreiche Lösungen anbieten. Viele zentrale IT-Lösungen eröffnen den Mitgliedsunternehmen optimale Möglichkeiten. Dazu zählen auch Weiterbildung und Schulungen, die Auswahl von Dienstleistern oder die professionelle Umsetzung von Online-Themen. Alles in Sachen Big Data und IT selber zu machen, hat für einen Mittelständler keinen Sinn, zumal dies nicht seine Kernkompetenz ist.

Ein Paradoxon ist, dass der Verbraucher dem Online-Händler Daten aller Art zur Verfügung stellt, der stationäre Händler aber bei vergleichsweise unkritischer Datennutzung ins Kreuzfeuer gerät. Wie geht der Händler mit diesem Problem um?
Auf jeden Fall offen und authentisch. Es bringt nichts, Daten für etwas zu nutzen, womit der Kunde nicht einverstanden ist. Der einzig richtige Weg ist rechtskonformes Agieren und den Kunden dabei mitzunehmen. Wenn der Kunde den Sinn und Zweck versteht, warum er Daten zur Verfügung stellen soll, dann akzeptiert er es auch. Beispiel: Facebook ist kostenlos, wird aber über die Nutzerdaten finanziert. Analog dazu gibt es auch für Händler viele Optionen. Beispiel: Der Kunde nennt dem Händler seine Handynummer, aber nur für den praktischen Zweck, dass ihm per Anruf oder SMS der genaue Liefertermin mitgeteilt wird. Mehrwerte für den Kunden sind die Grundlage für Big Data oder Smart Data.

Was wäre für Sie eine rote Linie bei der Datennutzung?
Die rote Linie wird dann überschritten, wenn Daten nicht rechtskonform erhoben und genutzt werden. Sie ist aber auch dann erreicht, wenn kein Kundennutzen hinter der jeweiligen Aktion steht.

Wo sehen Sie Big Data 2027?
Es heißt heute, fünf Jahre sind das neue zehn Jahre, weil sich der Wandel so schnell vollzieht. Ich denke, es kommen Möglichkeiten der Datennutzung auf uns zu, die können wir uns noch gar nicht vorstellen. Aber: In fünf Jahren ist Big Data für jeden Händler entscheidend für seinen Unternehmenserfolg.