Interview - W. Vieth und Prof. Dr. B. Hallier Fachkompetenz gefragt - Cash & Carry

Der moderne Lebensmittelhandel heute kann mittlerweile auf eine schon lange Geschichte zurückblicken, die mit „Tante Emma" überhaupt nicht mehr beschrieben werden kann.

Donnerstag, 10. März 2011 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Fachkompetenz gefragt - Cash & Carry
Bildquelle: Herribert Boernichen

Wird es die Formate „Discount" und „C&C" auch noch in 50 Jahren geben?
Hallier: Es gibt ja schon heute eine Differenzierung in Discount zwischen „Hard-Discount" , „Soft-Discount", „Markendiscounter"...; allein Aldi unterscheidet sich schon in „Nord" und „Sud" – nicht zu sprechen von der US-Variante „Trader Joe". Sicher ist, dass die soziodemographische und globale Entwicklung immer ein Konsumsegment „Niedrigpreis" erfordert.

„Cash&Carry" bedeutet wörtlich: „zahlen und wegbringen" – aber aktuelle experimentieren „C&C"-Betriebe auch mit dem Zustell-Großhandel! 1960 war C&C der Angriff auf den Zustell-Handel! Darüber hinaus gibt es im Ausland teilweise keine Differenzierung zwischen C&C und SB-Warenhäusern. Persönlich sehe ich – unabhängig von der historischen und der rechtlichen Definition – heute häufig den Unterschied allein in der Gebindegröße: Großgebinde in C&C, Kleingebinde den für den Konsumenten zugänglichen Betriebsformen. Für kleinflächige Wiederverkäufer kann evtl. der Einkauf beim Discounter attraktiver sein als beim C&C , da die Fahrtkosten/-zeiten ebenso kalkuliert werden müssen.

Als Beobachter hat man oft das Gefühl, die Entwicklungsgeschwindigkeit (nicht nur) im Handel nimmt immer mehr zu. Was sind für Sie die aktuellen bahnbrechenden Ereignisse und welche erwarten Sie für die Zukunft?
Vieth: Die aktuellen Themen im Einzelhandel heißen „Glaubwürdigkeit" und „Nachhaltigkeit". Die Zeit der „Marktschreier" und des „immer mehr" und „immer größer" geht m. E. deutlich ihrem Ende entgegen. Natürlich heißt es weiter „Kosten Sparen und preiswert sein". Aber deutlich den gleichen Rang nehmen die Prädikate „hochwertig", „gesund" und „umweltschonend" ein. Hinzu kommt, dass besonders die „Fachkompetenz" wieder immer mehr im Mittelpunkt stehen wird. Der durch die modernen Medien und seine bessere Ausbildung wache Verbraucher sucht zunehmend den glaubwürdigen, fachkompetenten Händler und Berater, den „ehrlichen Kaufmann". Hier entstehen wieder und immer mehr qualifizierte Einzelhandelsberufe. Alleskönner wie das klassische Kaufhaus oder die SB-Warenhäuser und „Billigheimer" werden, wenn sie sich nicht neu positionieren, zunehmend von Spezialisten (Fachmärkten, On-Line-Händlern) abgelöst werden.

Hallier: Nicht nur die Geschwindigkeit der Entwicklung neuer Technologien nimmt zu, sondern häufig auch deren Komplexität. Ihnen steht gegenüber die Gewohnheit und die geistige Kapazität der Konsumenten und Handelsangestellten! Dem technischen Angebot steht teilweise (insbesondere bei älteren Personen) eine Überforderung gegenüber. Ich glaube, dass hierin die 25 Jahre Penetrationszeitraum für die großen Schritte begründet liegen. Deswegen scheitern teilweise Pioniere der Innovationen: sie kommen zu früh – die Rezeption braucht Zeit!

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Zeitzeugen der Branche: Walter Vieth (u.a. Kaufhalle, Aldi, Metro, Spar, Plus und Wissol) und Prof. Dr. Bernd Hallier, seit 1985 Geschäftsführer des EHI Retail Institute.

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