Interview mit Paul Martin Berg David gegen Goliath

Netto Stavenhagen will sich deutlicher vom Wettbewerb abgrenzen. Deutschland-Chef Paul Martin Berg möchte den Kunden vor allem den Unterschied zum Namensvetter näher bringen.

Donnerstag, 01. September 2016 - Management
Nicole Ritter
Artikelbild David gegen Goliath
Bildquelle: Danny Gohlke

Netto Stavenhagen will sich neu positionieren. Warum gerade jetzt?
Paul Martin Berg: Wir haben hier im Osten vor 26 Jahren mit Netto Stavenhagen Neuland betreten. Mit unserer charakteristischen Schnelligkeit und Innovationskraft waren das damals goldene Zeiten. Dann haben sich peu à peu auch alle anderen Discounter in unserem Kerngebiet niedergelassen. Deshalb ist nun für uns die Zeit gekommen, uns als regionaler Mehr-Werte-Discounter stärker von unseren Wettbewerbern zu differenzieren. Bereits seit zwei Jahren investieren wir mit ca. 20 Mio. Euro kräftig in unsere Märkte. So haben wir die Frische-Auslagen um 5 m erweitert, die Fleischtheke auf 7,50 m, einen Tabakautomaten an der Kasse integriert, unsere Kosmetikregale blau eingefärbt sowie kundenfreundlich mit einer LED-Beleuchtung ausgestattet. Damit sich die Kunden im Markt besser zurechtfinden, haben wir eine Posterline installiert, und wir haben schon viele Märkte erweitert und renoviert. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und glauben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um an dieser Stelle draufzusatteln.

Was ist das Ziel Ihrer Neupositionierung ?
Wir wollen bis 2018 etwa 45 Mio. Euro investieren. Unser Ziel ist, dass wir beim Kunden eine Differenzierung erreichen, bei der er versteht, dass wir anders ticken als unsere starken Mitbewerber, insbesondere der gleichnamige Discounter ohne Hund.

Wohin genau sollen die 45 Mio. Euro fließen?
Die 45 Mio. Euro sollen in die Erweiterung von Kühllägern in den beiden Zentrallägern Wustermark und Stavenhagen investiert werden. In einigen Märkten testen wir Convenience-Kühler, mit denen wir flächendeckend unsere Märkte ausstatten wollen. Außerdem arbeiten wir an einem Macrospace-Projekt, d. h. wir hinterfragen bei allen Kategorien im Markt, ob die aktuellen Flächenanteile zu den aktuellen Trends passen. Die neue Flächenanpassung muss dann in sämtlichen 349 Märkten übertragen werden. Wir wollen eine Frischeabteilung für Obst und Gemüse aufbauen. Ein Weinregal ist in der Pipeline, und die Kundenkarte, die momentan in 25 Märkten getestet wird, soll ausgerollt werden.

Regionalität gewinnt an Bedeutung. Wie ist das bei Netto?
Unsere Kunden definieren Regionalität sehr unterschiedlich: Für ältere Kunden sind regionale Artikel ganz klar Ostartikel, die Jüngeren verstehen darunter eher lokale Produkte. Rund 30 Prozent des FMCG-Umsatzes generieren wir mit regionalen Artikeln, 300 von 1.700 gelisteten Produkten entstammen der Region. Prominente Beispiele: Bier und Frischegetränke von der Darguner Brauerei oder Hemme-Milch aus der Uckermark. Aber wir wissen, dass wir in Zukunft lokaler werden müssen und für die unterschiedlichen Gebiete Lieferanten benötigen, die lokal wahrgenommen werden. Das ist eine große Aufgabe. Aber wir sind aufgrund unserer kleinen Größe im Vergleich zu unseren Mitbewerbern im Vorteil und werden dieses Projekt angehen – um auch den Regionalitätswünschen unserer jüngeren Kundschaft zu entsprechen.

Haben Sie ein Regal mit dänischen Produkten?
Nein, und es ist auch keines geplant. Dafür reicht die Nachfrage nach dänischen Produkten leider nicht. Skandinavien erfreut sich hierzulande großen Beliebtheit, Netto hat skandinavische Wurzeln. Also haben wir skandinavische Artikel verstärkt in unser Sortiment (z. B. unter der Marke Laekker) und unsere Aktionen aufgenommen. Ansonsten äußert sich das Skandinavische eher in unserer Geisteshaltung, im lockeren Umgangston, den wir miteinander pflegen, in unserem skandinavischen Charme.

Zur Person

Paul Martin Berg, Geschäftsführer von Netto Stavenhagen, hat sich viel vorgenommen: Der Discounter mit dem Hund soll sich stärker differenzieren und in seinem Kerngebiet klar mit regionalem Sortiment aufstellen.


Will Netto Stavenhagen an seinem Filialkonzept bezüglich Lage und Größe festhalten?
Natürlich gibt es den Wunsch nach mehr Fläche. Wir haben zurzeit im Durchschnitt 720 qm und denken in Richtung 900 qm. Aber oft ist das nicht umsetzbar. Und es gibt auch kleine verwinkelte Märkte, die super laufen. Auch beim Standort wollen wir uns nicht festlegen. Wir brauchen Märkte dort, wo sie Sinn machen, dort wo wir gute Umsätze erzielen. Deshalb haben wir in den letzten zwei Jahren vor allem in unsere Bestandsmärkte investiert. Denn wir haben festgestellt, dass wir auf diesem Weg mehr Rendite erzielen, als wenn wir neu eröffnen. Wenn wir einen neuen Markt eröffnen, investieren wir etwa 2,5 Mio. Euro. Mit diesem Betrag konnten wir z. B. fast alle Märkte mit einem Tabakautomaten ausstatten.

Haben Sie in diesem Zusammenhang auch Expansionspläne?
Wir werden künftig wieder expandieren. Aber nur sehr selektiv und nur in unserem Kerngebiet, in den acht Bundesländern, in denen wir heute bereits vertreten sind. Denn wenn Regionalität unser Fokus ist, müssen wir glaubwürdig bleiben und in unserem Kerngebiet expandieren.

Seit Edeka 2010 die Integration der 2.300 Plus-Filialen, hauptsächlich bei der Discount Tochter Netto, abgeschlossen hat, gibt es Überschneidungen der Vertriebsgebiete. Wie ist hier die Strategie?
Bis zur Übernahme der Plus-Filialen durch Netto Markendiscount konnten wir gut nebeneinander existieren. Wir waren im Nordosten aktiv, sie im Süden. Durch diesen Kauf in unserem Verbreitungsgebiet gibt es jetzt massive Überschneidungen. Zwar wissen die Kunden in unserem Kerngebiet wie hier in Mecklenburg-Vorpommern, wo wir mit 115 Märkten vertreten sind, wer wer ist. In anderen Gebieten dagegen wie z. B. in Berlin kann es bei den Kunden zu Verwechslungen kommen. Aber durch unsere Differenzierungsmaßnahmen verbunden mit der ‚Mehr Netto’-Kampagne werden wir dieses Verwechslungspotenzial aufheben.

Wie sieht die ‚Mehr Netto‘-Kampagne konkret aus?
Mit unserem neuen ‚Mehr Netto’-Claim und der zugehörigen Kampagne ‚Mehr Netto für die Region, deine Familie und dich’ wollen wir uns von unserem Namensvetter abgrenzen, um Verwechslungen unserer Kunden zu vermeiden. So sind seit Kalenderwoche 28 neue gestaltete Handzettel im Einsatz, die in den einzelnen Bundesländern regional individualisiert werden. Großflächenplakate werden auf ‚Mehr Netto’ aufmerksam machen. Ab 2017 rollen die ersten Netto-Trucks mit dem neuem Mehr-Netto-Design über die Straßen, hinzu kommt dann entsprechende Bahnwerbung.

Digitalisierung ist im Einzelhandel ein großes Thema. Welchen Stellenwert hat es bei Netto?
Wir wollen uns erst einmal auf unser stationäres Geschäft konzentrieren. Einen Versuch mit einem Onlineshop hatten wir bereits unternommen, haben ihn dann aber wieder eingestellt. Sobald jedoch unsere dänische Mutter erfolgsversprechende digitale Konzepte hat, können wir das problemlos auf die deutsche Organisation übertragen.

Welche digitalen Aktivitäten gibt es?
Wir gehen verstärkt in die Social-Media-Kanäle. Das ist für uns zurzeit erfolgsversprechender. Für diese Aufgabe wollen wir Ende September eine neue Stelle besetzen. Außerdem haben wir unsere Website im April einem Relaunch unterzogen. Sie ist nun responsive. Unser Newsletter wird zweimal wöchentlich mit aktuellen Angeboten verschickt. 2017 steht der Relaunch unserer Netto-App an.

Gibt es in den Märkten digitale Feature zum Kunden?
Wir haben in unseren Märkten Preisscanner integriert. In 25 Märkten testen wir unsere Kundenkarte und wollen nach dem Test ausrollen. Der Kunde kann sich mit dieser Karte im Markt einloggen und erhält dann auf ihn abgestimmte Angebote.