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„Das sieht hier ja alles ganz anders aus , seit wann ist der Laden denn so?“ Die ältere Dame neben der neu gestalteten Gemüse-Auslage der Filiale von Aldi Süd in Unterhaching sieht sich um. „Fast schon edel“, findet sie. Harun Akgül freut sich über solche Reaktionen. Er gehört zum Filialführungsnachwuchs bei Aldi Süd und beobachtet genau: „Vorhin sagte ein Kunde: Das ist ja hier ein richtiger Hightech-Aldi“, berichtet er, und dass die neu gestaltete Filiale auch viele neue Kunden anziehe. „Ich sehe immer noch jeden Tag unbekannte Gesichter hier im Laden.“ Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er Mitte Mai nach vier Wochen Umbauzeit die Filiale im Münchner Süden neu eingeräumt und so das neue Konzept des Discounters Karton für Karton mit Leben gefüllt. „In den ersten Wochen habe ich mich gefühlt wie im Urlaub“, sagt Akgüls Kollegin Birgitta Bittersohl. „Der neue Look ist toll, die Kunden suchen weniger und wir bekommen super Feedback.“ Beim Vorort-Termin in Unterhaching bestätigen Einkaufende spontan, was das Aldi-Management auch in diversen Befragungen herausgefunden hat: „Die Kunden sind begeistert“, sagt Projektleiterin Zehra Yildirim. Nur vereinzelt reagierten sie wie der ältere Herr, der, mit einem Karton unter dem Arm, anmerkt, er empfinde die Neugestaltung als etwas zu kühl.
Globaler Vormarsch
Aldi und Lidl dominieren nicht nur in Deutschland, sondern weltweit den Discountmarkt für Lebensmittel. Weltweit erwarten die Analysten von Planet Retail, dass die Discountformate in den kommenden zehn Jahren am schnellsten wachsen werden. Mehr als 5 Prozent Umsatzwachstum erwarten sie für dieses Format, für Supermärkte deutlich weniger. Als Testmärkte für den besonders umkämpften deutschen Markt gelten Länder mitähnlichen Konsumenten wie z. B. Australien. Dort gibt es bereits den „Luxus“-Aldi.
Schöne neue Aldi-Welt
Die neue Einfachheit beschreibt Projektleiterin Yildirim so: „Wir sind immer noch Aldi, nur ein bisschen schöner.“ Auf keinen Fall sollen die Kunden den Eindruck gewinnen, dass die neue Welt auf die Preise durchschlägt. Palettenweise möglichst viel Ware auf die Verkaufsfläche zu bringen war gestern, jetzt geht es darum, ein wenig Wohlgefühl zu erzeugen und sich ein moderneres Erscheinungsbild zu geben. Das beginnt im Pilotmarkt in Unterhaching schon vor der Eingangstüre: Hier hängt nicht mehr der alte Schaukasten, in dem die Handzettel angepinnt wurden, sondern ein digitaler Bildschirm. „Die Inhalte lassen sich leichter steuern“, erläutert Projektmanager Holger Philippin, „und sind farblich an das neue Konzept angepasst.“
Gemeint ist damit ein in der Architektur wie in den Ladenbau-Elementen wiederkehrendes dezentes Grau, während lichtes Grau an den Wänden die Warenpräsentation und die Orientierung auf der Fläche unterstützt. Paletten gibt es immer noch im Laden, doch sind sie nun hinter Verkleidungen nicht mehr sichtbar. Deutlich reduziert wurde die bisher übliche Schilderflut: „Unsere Kunden kennen unser gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Daher können wir gut auf Deckenhänger verzichten und bringen stattdessen mehr Ruhe in den Filialraum“, ist Zehra Yildirim überzeugt. Deshalb erfolgt die Preisauszeichnung künftig ausschließlich am Regal von unten nach oben. Sollen bestimmte Sortimente besonders betont werden, finden sie Platz in einer Kopfgondel. So ist etwa ein Teil des Bio-Sortiments prominent platziert. „Damit haben wir die Möglichkeit, Bereiche in Szene zu setzen, ohne ein Plakat aufzuhängen oder einen Aufkleber auf dem Boden zu platzieren“, sagt Yildirim.
Drei Fragen an Andreas Kaapke
Was treibt die Discounter zur Veränderung?
Die letzten 30 Jahre waren von Wachstum geprägt, jetzt gewinnen Supermärkte Marktanteile zurück. Also schaut man sich an: Was macht denn die Renaissance der Supermärkte aus? Frische im Discounter – das war z. B. vor zehn Jahren undenkbar. Heute heißt es: Wenn sich der Supermarkt über Frische definiert, dann müssen wir dagegenhalten.
Wo bleibt da die Abgrenzung zum Supermarkt?
Sie sind nach wir vor der Feind, aber die Reinrassigkeit, die es vor 25 oder 30 Jahren gab, wird sich auflösen. Discounter integrieren Elemente des Supermarkts und umgekehrt.
Ist somit Platz für einen neuen Hard Discount?
Dafür ist die Zeit noch nicht ganz reif – aber lassen Sie zwei, drei Jahre ins Land gehen. Wenn die Umrüstungsphasen abgeschlossen sind und es an bestimmten Standorten eine entsprechende Nachfrage für Geschäfte mit deutlich reduzier-ten Sortiment und wirklichen Schnelldrehern gibt – warum nicht. Es wird Kunden geben, die es so schnell und so einfach wie möglich haben wollen, ohne Marktplatz, Augmented Reality und Prosecco mit Frau Maisenkaiser.