Lebensmittel-Sicherheit Das schwere Ringen um Verbraucher-Vertrauen - Dioxin, Pferdefleisch und BSE

Kunden werden misstrauischer. Sicherheit von Lebensmitteln kommt immer häufiger auf den Prüfstand. Um damit umzugehen, sind Transparenz und Vertrauen Schlüsselbegriffe.

Freitag, 27. Juni 2014 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Das schwere Ringen um Verbraucher-Vertrauen - Dioxin, Pferdefleisch und BSE
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Kommt hinzu, dass den meisten Menschen zum Thema Lebensmittelsicherheit Stichworte wie Dioxin in Fisch, Pferdefleisch in Lasagne, BSE, Acrylamid in Backwaren, Uran im Wasser oder auch nur unverständliche E-Nummern auf Verpackungen einfallen. Das will keiner. Und so bleibt bei vielen Verbrauchern ein gewisses Misstrauen gegenüber Lebensmitteln bestehen. Ohne Konsequenzen ist das nicht. Immerhin sagten vier von fünf Konsumenten in einer kürzlichen Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (Pwc), dass sie ihr Einkaufsverhalten geändert hätten – rund 60 Prozent interessieren sich plötzlich sehr für die Herkunft der Produkte, 35 Prozent achten auf Inhalts- und Zusatzstoffe. Ein Fünftel der Befragten kauft als Konsequenz mehr Bio- und Markenprodukte oder direkt beim Bauern. Und immerhin würde jeder zweite Deutsche für garantiert sichere Lebensmittel mehr Geld ausgeben, 10 Prozent Preisaufschlag will jeder fünfte Konsument zahlen. Ob diese Aussagen konkret an der Kasse umgesetzt würden, ist Fiktion, aber auch Chance.

Klar ist, dass sich immer mehr Menschen intensiv mit der Ernährung auseinandersetzen. Die Erkenntnis, dass die Ernährung großen, wenn nicht entscheidenden Einfluss auf Umwelt, Klima, Wirtschaft, Gesellschaft und Gesundheit hat, greift zusammen mit dem Wunsch nach nachhaltiger Lebens- und Wirtschaftsweise immer mehr um sich. Besagte Studie jedenfalls zeigt, dass Lebensmittelskandale, Werbelügen oder falsch deklarierte Produkte nicht mehr nur Image und Reputation einzelner Unternehmen beziehungsweise Produkte beschädigen, sondern die Branche insgesamt. Bei gut jedem dritten Konsumenten ist das Vertrauen in die Lebensmittelindustrie insgesamt sehr stark gesunken, während nur 15 Prozent von Einzelfällen ausgehen. Hier liegt ein Schlüssel: Vertrauen muss zurückgewonnen werden. Wenn es hundertprozentige Sicherheit nicht geben kann (s. o.), dann hilft neben dem beschriebenen Sicherungssystem und nachprüfbaren Testaten (siehe auch Seite 25) nur Transparenz entlang der Herstellungs- und Lieferkette sowie bei der Kennzeichnung. „Verbraucher erwarten von Lebensmittelhandel und -herstellern maximale Transparenz“, sagte Gerd Bovensiepen, Leiter des Bereichs Handel und Konsumgüter bei Pwc, gegenüber der Zeitschrift Absatzwirtschaft. Die Lebensmittelinformationsverordnung der EU, die im Dezember 2014 in Kraft tritt, wäre eine Chance für mehr Transparenz. Sie verlangt genauere Angaben zu Inhaltsstoffen und Produktherkunft. Allerdings wird das in der Branche nicht überall so gesehen.

Dabei belegen diverse Studien seit Längerem, dass Lebensmittelhersteller und -produzenten im Ranking des Branchenvertrauens nicht ganz oben stehen (übrigens genießen Discounter mehr Vertrauen als andere Lebensmittelhändler). Könnte es sein, dass der Aufbau von Vertrauen bei manchen Unternehmen eine eher untergeordnete Wertigkeit hat und stattdessen andere Dinge im Fokus stehen? Beispielsweise der niedrige Preis, der nur dann mittel- und langfristig zum Vertrauensaufbau beiträgt, wenn gleichzeitig Leistung und Qualität stimmt. Oder die Super-Sonderangebote, die mit immer neuen Superlativen in der Werbesprache angepriesen werden und einfach nur misstrauisch machen. Damit werden Schnäppchenjäger gelockt. Stammkunden werden die nicht.

Ein Brancheninsider nennt ein einfaches Beispiel für Vertrauen-zerstörendes Vorgehen im deutschen Handel: Wie immer sollte auch 2014 der Rubel zu Muttertag rollen. Deshalb gab es saftige Preisaufschläge für Blumen – vor allem bei Tankstellen, aber Super- und Verbrauchermärkte waren nicht zimperlich. Wer den „Kaufdruck“ beim Verbraucher nicht ausnutzte, waren Aldi und Lidl, die Blumen vor dem Muttertag zum Normalpreis weiterverkauften. Wer dürfte da am ehesten Vertrauen gewonnen haben.

Top Ten der Herausforderugen

Die Risiken, welche von „schlechten“ oder „unsicheren“ Lebensmitteln ausgehen, sind enorm.
Für den Supermarktbetreiber ergeben sich daraus große Herausforderungen. Hier die wichtigsten.

  1. Imageerhaltung
  2. Erreichbarkeit der Filialen
  3. Mangelnde Verfügbarkeit von Auskunftspersonal im Markt
  4. Klare Zuständigkeiten
  5. Stetige Gesetzesänderungen
  6. Tägliche Kontrollen (Reinigung, Instandhaltung, Produkte etc.)
  7. Einhaltung logistischer Rahmenbedingungen
  8. Optimale Lagerung
  9. Produktvielfalt und Produkthandling (Mindesthaltbarkeit, frische und offene Ware, Kennzeichnung etc.)
  10. Fachkunde des Personals