Inhaltsübersicht
Hochprozentige Spirituosen aus Obst gibt es in vielen Ländern der Welt. Calvados beispielsweise stammt aus der Normandie und unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den deutschen Apfelbränden: Diese Spirituose wird aus gelagertem Apfelwein (Cidre) destilliert. Die bekannteste Sorte bei der Gruppe Tresterbrand (Brände aus den Rückständen der Weinproduktion) ist der italienische Grappa. Trotzdem: Wenn es so etwas wie eine typisch „deutsche Spirituose“ gibt, dann ist das der Obstbrand. Unter diesem Oberbegriff werden Obstwässer und Obstgeiste zusammengefasst (zu dem Unterschied siehe Kasten). Auch der Obstler zählt zu dieser Getränkeart. Dabei handelt es sich um eine Unterkategorie der Wässer die aus Äpfeln und/oder Birnen gewonnen wird und einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 Prozent Vol. hat. Feine Obstbrände eignen sich als Digestif oder zu Käse.
Die Wiege des Obstbrandes liegt im alemannischen Raum, wo das große Angebot an Kirschen, Zwetschgen und anderem Steinobst sowie Äpfeln und Birnen in der Rheingegend und an den Ausläufern des Schwarzwaldes die Obstbauern auf den Gedanken brachten, diese Rohstoffe auch zu alkoholischen Getränken zu verarbeiten. Heute findet sich eine Vielzahl von Brennereien im südwestdeutschen Raum. Aber auch in Elsass und Lothringen, der Schweiz, Österreich, Südtirol und Ungarn gibt es Obstbrennereien. Für die Bauern stellt dieser Wirtschaftszweig eine wichtige Einnahmequelle dar.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Obstbrände. Bei Kennern besonders beliebt sind sortenreine Apfelbrände. Das Obst kommt meistens von Streuwiesen. Prinzipiell kommen viele Apfelsorten für die Produktion in Frage, was der Kategorie ein breites aromatisches Spektrum verleiht. Einen weit bekannter Klassiker stellt auch das Kirschwasser dar. Eine Hochburg der Kirschwasser-Produktion liegt im badischen Teil des Schwarzwaldes. Nicht ganz zu verbreitet ist der Mirabellenbrand. Dieser muss vor der Abfüllung mit Wasser verdünnt werden, da sonst der Alkoholgehalt zu hoch wäre. Noch verhältnismäßig unbekannt ist auch der Schlehenbrand aus der Schlehe. Die Nachfrage wächst aber. Ernte und Produktion sind aufwendig, und der Preis ist dementsprechend hoch. Ähnliches gilt für die Rarität Zibärtle aus der Wildpflaume Zibarte.
Mittlerweile ist auch die Obstbrand-Zusammensetzung und -herstellung von der EU genauestens definiert. So heißt es in der Spirituosenverordnung: „Obstbrand ist eine Spirituose, die ausschließlich durch alkoholische Gärung und Destillation einer frischen fleischigen Frucht oder des frischen Mosts dieser Frucht — mit oder ohne Steine — oder von Beeren oder Gemüse gewonnen wird.“ Außerdem darf die Spirituose nur zu weniger als 86 Prozent Vol. destilliert werden, damit Aroma und Geschmack der Ausgangsstoffe bewahrt bleiben. Zu wichtigen Obstsorten bei der Herstellung zählen Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen. Aber auch Aprikosen, Maulbeeren und Quitten kommen bei der Herstellung einiger Varianten zum Einsatz. „Fränkischer Obstler“ ist eine geschützte Herkunftsangabe, genau wie das bekannte „Schwarzwälder Kirschwasser“. Bei geschützten Bränden müssen alle Rohstoffe aus der definierten Region stammen, sowie der erste Brennvorgang in dieser stattfinden.
Für die Qualität eines Obstbrandes sind im wesentlichen folgende Punkte ausschlaggebend:
- Frische und ausgewählte Früchte als Basis
- Saubere und kontrollierte Vergärung
- Reinheit des Destillats – d. h. keine Zusatz stoffe, eine saubere Trennung von Vor-, Mittel- und Nachlauf, nachträglich beigefügter Zucker (in Grenzen erlaubt) manipuliert das Ergebnis
- Reifezeit – ein Destillat braucht etwas Zeit (mindestens 1 Jahr), um sich vom Brennvorgang zu erholen und sein Aroma vollends zu entfalten. Je nach Sorte können unterschiedliche Reifezeiten nötig sein
- Ausstattung der Flasche – das Auge trinkt schließlich mit
Destillate mit besonders hoher Qualität können häufig vom Erzeuger direkt erworben werden. Viele Produzenten bieten zudem Sonderabfüllungen an mit einem besonderen Ausbau, ausgefallenen Obst- und Gemüsesorten sowie spezielle Jahrgangsbrände. Obstbrände sollten stets stehend gelagert werden. Andernfalls sind Geruchs- und Geschmacksveränderungen nicht ausgeschlossen. Ist eine Flasche einmal angebrochen, sollte sie dicht verschlossen werden, damit auch hier die Aromen möglichst gut erhalten bleiben.
Bei Obstbränden gilt es unbedingt, die richtige Temperatur zu beachten. Ähnlich wie bei Wein, entfalten die klaren Brände ihr volles Aroma erst bei einer bestimmten Temperatur. Bei Obstwasser und -brand liegt diese zwischen 15 und 18 Grad Celsius. Die empfohlene Trinktemperatur für Obstler liegt bei 8 bis 10 Grad Celsius.
Ebenfalls wichtig für den Kenner ist die Wahl des Glases. So eignet sich besonders ein Glas mit langem Stil (damit der Brand kühl bleibt) und einem bauchigen, nach oben geöffneten Körper, der den Alkohol nicht zu sehr in den Vordergrund rückt und die Aromen-Entfaltung unterstützt.
Die Zuckerung von Obstbrand
Mit zusätzlichem Zucker lassen sich Mängel überdecken. Laut EU-Spirituosenverordnung ist eine Zuckerung des fertigen Obstbrandes bis zu einem gewissen, je nach Herstellungsland unterschiedlichen, Grenzwert zulässig. In Deutschland liegt dieser bei 10 g pro l Fertigware. Ausgenommen sind Obstbrände mit Herkunftsbezeichnung. Hier darf nichts hinzugegeben werden. Zucker rundet den Brand ab und u?berdeckt mögliche qualitative Schwächen. Zumeist sind Konsumenten über die geschmackliche Manipulation nicht informiert.
Wasser und Geist
Den Unterschied zwischen Obstwasser und -geist kann man sich gut merken, denn die Wässer werden aus Kern- und Steinobst gewonnen (bspw. Zwetschgen oder Kirschen). Bei der Herstellung von Obstgeist dienen als Rohstoffe aromatische, zuckerarme Beeren wie Himbeere und Heidelbeere. Um das Aroma nicht durch Gärung und Destillation zu irritieren und trotzdem Alkohol zu erhalten, legt man die Fru?chte unvergoren in neutralem Alkohol ein und destilliert das sogenannte Mazerat anschließend.
Die Herstellung
Für einen Obstbrand sollten ausschließlich frische Früchte mit kräftigem Aroma verwendet werden. Der Gärprozess sollte „kontrolliert“ ablaufen, d. h. durch die Zufuhr von natürlicher Reinzuchthefe wird eine Fehlgärung vermieden. Größere Brennereien mit entsprechender technischer Ausstattung können, durch den Einsatz von Kühlschlangen, die Temperaturentwicklung beim Gärprozess steuern. Dabei werden die empfindlichen Aromen geschont, und es wird verhindert, dass sie sich bereits während der Gärung verflüchtigen. Bei zuckerarmen Früchten (meist Beeren) wird der Alkohol nicht aus der Frucht gewonnen, sondern mithilfe von Neutralalkohol der Frucht entzogen (Mazeration). Gärung und Mazeration finden heute in Edelstahl oder beschichteten Betontanks statt. Die Destillation erfolgt meist auf kupfernen Brennblasen, die heute zumeist per Dampf erhitzt werden. Um durch Oxidation eine gewisse Milde zu bekommen, sollten Obstbrände über einen gewissen Zeitra um in belüfteten Edelstahltanks gelagert werden. Manche Sorten werden auch in Holz-Fässern gelagert. Diese sind zumeist aus Esche, da sie kein Geschmack und Aroma abgibt. Nach der Reife werden die Destillate mit Wasser auf Trinkstärke herabgesetzt.
Wissenscheck
{tab=Fragen:}
- Wie heißt ein bekannter, sortenreiner Birnenbrand?
- Welchen Alkoholgehalt dürfen Obstbrände in keinem Fall überschreiten?
- Nennen Sie mindestens zwei Obstbrände mit geschützter Herkunft!
{tab=Antworten:}
- Williams
- 86 Prozent vol.
- Schwarzwälder Kirschwasser, Fränkischer Obstler