CO2-Recycling Luftnummer

Neue Technologien verwandeln CO2 aus der Luft in Nahrungsmittel, Pflegeprodukte oder Treibstoff. Was verspricht das CO2-Recycling?

Freitag, 23. September 2022 - Management
Bettina Röttig

Ein Forschungsansatz der NASA aus den 1960er-Jahren könnte der Konsumgüterindustrie eine neue aktive Rolle im Kampf gegen den Klimawandel einbringen: Die US-Raumfahrtbehörde hatte entdeckt, dass sich CO2 aus der Luft mithilfe spezieller Mikroben einfangen und nutzen lässt, beispielsweise um Nahrungsmittel herzustellen.

Eine Reihe von Biotech-Start-ups hat Technologien und damit Produkte entwickelt, die auf Basis von recyceltem und transformiertem Kohlendioxid hergestellt werden, darunter alternative Proteine, Kunst- und Treibstoffe. Auch Konzerne wie Coca-Cola, Beiersdorf und Unilever sowie Investoren wie Bill Gates setzen auf die kommerzielle Nutzung des Treibhausgases.

Kiverdi, 2008 gegründet, hat rund 50 Patente angemeldet beziehungsweise bereits erteilt bekommen, die auf der NASA-inspirierten Technologie beruhen. 2019 stellte das Unternehmen erstmals CO2-basierte Fleischalternativen her und gründete hierfür die Unternehmenstochter Air Protein. Nur vier Tage werden laut Kiverdi für die Herstellung des „Luftproteins“ benötigt, dessen Klima-, Wasser- und Landfußabdrücke im Vergleich positiv ausfallen sollen. Weitere Tochterunternehmen stellen Fischfutter und Dünger aus eingefangenem Kohlendioxid her.

Das finnische Biotech-Unternehmen Solar Foods will 2023 mit der Produktion des selbst entwickelten Proteins Solein beginnen, das nach eigenen Angaben in Brot- und Backwaren, Fleischersatz, Getränken und Pasta eingesetzt werden kann. In der Herstellung nutzt das Start-up recyceltes atmosphärisches Kohlendioxid, erneuerbare Energien und die Fermentation.

Dr. Pasi Vainikka (Foto), Gründer und CEO von Solar Foods, vergleicht den Prozess mit der Produktion von Wein oder Bier. Anstatt Hefe würden Mikroben mit CO2 und Nährstoffen „gefüttert“. Die Mikroorganismen vermehren sich in Wasser, das ebenfalls aus der Luft gewonnen wird. Am Ende des Produktionsprozesses ist ein Pulver mit einem Proteingehalt von 65 bis 70 Prozent entstanden. Für die Herstellung von 1 Kilogramm Solein werden 1.000 Liter Wasser und 1 Quadratmeter Fläche benötigt. Im Vergleich zu pflanzenbasiertem Protein würde laut Solar Foods 100-mal weniger Wasser eingesetzt, die Landnutzung sei 200-mal effizienter. Beziehe man die Flächennutzung ein, sei Solein CO2-positiv, so Vainikka. Für 2023 rechnet er mit der Novel-Food-Zulassung.

Kunden sind noch unsicher
Wie steht es jedoch um die Akzeptanz beim Verbraucher? In einer Umfrage der University of Southern California gaben 69 Prozent der rund 2.000 befragten US-Bürger an, Produkte auf Basis von recyceltem CO2 nutzen zu wollen, nachdem sie das Konzept erklärt bekommen hatten (Quelle: Lauren Lutzke & Joseph Árvai). Weniger mutig zeigten sich die Befragten hinsichtlich des Konsums CO2-basierter Lebensmittel und Getränke. Gut ein Drittel war sich nicht sicher, ob diese ein Gesundheitsrisiko mitbringen könnten. Somit wird die richtige Kommunikation hin zum Kunden entscheidend sein für den Erfolg solcher Produktinnovationen.

Potenzial von CCU

Mittels CCU (Carbon Capture and Utilization), einer Technologie zur Abscheidung und Verwendung von Kohlendioxid aus Industrieanlagen oder der Atmosphäre, könnten die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 weltweit um 0,5 Gigatonnen pro Jahr reduziert werden. (Quelle: McKinsey)