Followfood Die grüne Null ist nicht genug

Bio- und Fischexperte Followfood arbeitet daran, ein regeneratives Unternehmen zu werden. Was es bedeutet, Pionierarbeit zu leisten, und an welchen Projekten die Friedrichshafener arbeiten, darüber sprach die Lebensmittel Praxis mit Julius Palm, Mitglied der Geschäftsführung von Followfood.

Freitag, 23. September 2022 - Management
Bettina Röttig

Es ist ein neues Buzzword in der Food-Branche: regenerativ. Was unter einem auf Regeneration ausgerichteten Wirtschaften genau zu verstehen ist, dazu gibt es keine allgemeingültige Definition. Für Julius Palm, stellvertretender Geschäftsführer von Followfood, bedeutet es vereinfacht, mehr zu geben, als zu nehmen: „Regeneratives Wirtschaften ist für uns der nächste Evolutionsschritt. Wir kommen aus einem Wirtschaften, das die planetaren Grenzen überschreitet, mehr zerstört und entnimmt, als nachwachsen kann. Nachhaltiges Wirtschaften setzt sich das Ziel der Netto-Null, Schäden auszugleichen.“ Regeneratives Wirtschaften dagegen solle sich „netto positiv“ auf alle Bereiche – von Umwelt über Biodiversität und Klima bis zum Mensch – auswirken.

Der größte Hebel, um Followfood zu einer regenerativen Marke zu machen, liegt laut Palm aktuell in den Lieferketten. „Wir schauen im Sourcing genau, welche Rohwaren wir aus regenerativem Anbau beziehen können und wo wir unsere Lieferanten dabei unterstützen können, ihre Praktiken und Betriebe dahingehend weiterzuentwickeln.“ Bio plus ist das Ziel. Dabei geht es um Maßnahmen wie Humusaufbau, um CO2 im Boden zu binden, um Agroforstwirtschaft oder syntropische Landwirtschaft. Eine große Herausforderung: Im Sourcing kann das Unternehmen nicht auf Zertifizierungssystemen aufbauen. Auch die Wissenschaft arbeitet erst daran, die Wirksamkeit von verschiedenen Praktiken zu erforschen und in Zahlen zu gießen, die sich später auch monetarisieren lassen können, sprich: in Nachhaltigkeitsbilanzen oder True Cost Accounting einbezogen werden können.

„Wir leisten hier Pionierarbeit für die ganze Branche – ein Riesenkraftakt“, betont Palm. Ein eigenes Team, die Impact-Development-Abteilung von Followfood, beschäftigt sich mit nichts anderem als der Wirksamkeit des eigenen Handelns auf allen Stufen. „Wir entwickeln und bewerten Projekte in enger Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten, um herauszufinden, wie viel Impact wir mit unterschiedlichen regenerativen Methoden wo für welche Anbaukultur erzielen können.“ So steht Followfood den Produzenten in der Lieferkette beratend zur Seite und fördert die Weiterentwicklung.

Kooperativ statt Konkurrenz
Die Erkenntnisse aus den Projekten zum regenerativen Wirtschaften wird der Nachhaltigkeits-Spezialist öffentlich machen: „Wir agieren in einem Wirtschaftssystem, das auf Konkurrenz setzt, um Wachstum zu generieren. Darauf, dass Wissen gleich Macht bedeutet und Geheimhaltung oder Patente Wettbewerbsvorteile bringen.“ Followfood wolle den Gegenbeweis erbringen zur berühmten These des Philosophen Theodor W. Adorno, es könne kein richtiges Leben im falschen geben. „Wir arbeiten von jeher kooperativ, setzen auf maximale Transparenz, legen unsere Lieferanten offen. So werden wir auch für die Forschungsergebnisse auf Open Source setzen.“ Das kooperative Mindset setzt sich im Umgang mit Lieferanten fort. „Wir übernehmen auch mal Kosten in der Lieferkette, wenn einer unserer Partner Probleme hat. In Krisen wie der aktuellen zeigt sich dann, dass wir für unser Handeln belohnt werden, unsere Lieferketten sicherer und unser Unternehmen und unsere Partner resilienter aufgestellt sind.

Dass der Fokus auf Nachhaltigkeit und Transparenz sich auch positiv auf den Umsatz auswirkt; das zeigen die aktuellen Zahlen. Ganz spurlos gehe die aktuelle Situation, insbesondere das Schrumpfen des Bio-Fachhandels und die Zugewinne der Discounter und Handelsmarken, an Followfood nicht vorbei. Der Handel wolle jedoch nicht auf die Marke verzichten, Followfood schrumpfe um einiges geringer als der Markt und gewinne im rückläufigen Markt Marktanteile.
„Hier hilft uns, dass wir als Marke bekannt sind, der man ihre nachhaltige Positionierung abnimmt, und dass es immer noch Menschen gibt, die auf Nachhaltigkeit schauen. Wir glauben, dass viele Menschen Marken wollen, die in einer Krise, in der es auch um Klima, Energie- und Lebensmittelversorgung geht, Verantwortung übernehmen und glaubhaft versichern können, dass sie nicht Profit schlagen oder unnötig höhere Preise weitergeben, sondern für Werte stehen.“

Erste Produkte aus ökologisch-regenerativer Landwirtschaft hat Followfood in diesem Sommer vorgestellt: Fünf Mehle von Gut & Bösel, einem Landwirtschafts- und Forstbetrieb aus Alt Madlitz, sowie Tiefkühl-Kartoffelprodukte vom Demeter-Hof Unterer Berghof in Wildberg machen den Anfang. Die beiden Partnerbetriebe werden durch den 2019 ins Leben gerufenen Followfood Bodenretter-Fonds gefördert. Das Geld stammt aus Verkaufserlösen zahlreicher Followfood-Produkte. Pro verkaufte Verpackung fließen 5 Cent in die Initiative. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Produkte vom Handel gleich verstanden und so positiv aufgenommen werden“, sagt Palm.

Die Fakten

Nach dem Rekordjahr 2020 erzielte Followfood 2021 einen Gesamtumsatz von 69 Millionen Euro (Vorjahr: 73 Mio. Euro). 2022 will Followfood auf 80 Millionen Euro wachsen. Erstmals hat das Unternehmen im August 2022 einen testierten Gemeinwohl-Ökonomie(GWÖ)-Bericht vorgelegt, der sich mit 719 von 1.000 erreichbaren Punkten sofort in der Spitzengruppe der GWÖ-Bewegung platzierte.