Rewe Mathematikon Heidelberg Im Zweifel für den Umsatz

Sahin Karaaslan lebt nach dem von Konfizius inspirierten Motto „Mache aus deinem Hobby deinen Beruf, dann brauchst du nie mehr zu arbeiten“. Bloß für einen einzigen Beruf konnte er sich nicht entscheiden. Er ist Arzt, Politiker – und erfolgreicher Rewe-Händler.

Donnerstag, 01. September 2016 - Ladenreportagen
Sonja Plachetta
Artikelbild Im Zweifel für den Umsatz
Studenten kaufen gern Bio. Karaaslan trägt dem mit einer gebündelten Platzierung Rechnung.
Bildquelle: Carsten Hoppen
Fakten im Fokus
  • Verkaufsfläche: 1.460 qm
  • Mitarbeiter: 50
  • Artikel: 20.000
  • Umsatz pro Woche 180.000 Euro
  • Durchschnittsbon: 10,50 Euro
  • Öffnungszeiten: Mo. - Sa. 7 - 24 Uhr

Ungläubiges Staunen erntet Sahin Karaaslan regelmäßig, wenn er erzählt, wie viele Döner er täglich in seinem Rewe-Markt im Mathematikon auf dem Heidelberger Campus verkauft: 500 Portionen pro Tag, für 2,90 Euro das Stück. Da habe selbst Rewe-Vorstand Lionel Souque wissen wollen, wie das gehe. „Ich mache es eben richtig“, sagt der gebürtige Kurde mit einem verschmitzten Lächeln. Wenn er in Sachen Lebensmittel eine Kompetenz mitbringe, dann für den Verkauf von Döner. Denn schon als 18-Jähriger hat Karaaslan neben der Schule eine Dönerbude in Heidelberg betrieben, zunächst mehr schlecht als recht. Eine zündende Idee brachte den „Dönerdurchbruch“, wie er es nennt. Er kaufte einen Computer, entwarf einen Werbeflyer und pries einen Döner plus Getränk zum unschlagbaren Preis von 5 D-Mark an. Plötzlich standen die Kunden Schlange – wie heute auch wieder.

Schon damals lautete sein Motto: „Wenn du mehr willst, musst du auch mehr dafür tun.“ Das beherzigt er noch heute, wo ihm der direkte Nachbar Aldi mit der Einlistung von Markenartikeln zu Schleuderpreisen zuweilen ähnliche Sorgen bereitet, wie er als junger Dönerverkäufer anderen Gastronomen. „Mein Name bedeutet übersetzt ,Schwarzer Löwe’. Ich kämpfe ungern, aber wenn es sein muss, tue ich es“, sagt Karaaslan. Bei Ja!-Produkten und allen dort gelisteten Markenartikeln geht er die Aldi-Preise mit und erklärt seinen Kunden, dass sie bei ihm durch ein „One-Stop-Shopping“ Zeit sparen können. Es scheint zu funktionieren: „Bei mir sind ab 17 Uhr alle sechs Kassen offen, bei Aldi höchstens zwei.“

Bei Frische im Vorteil
Der 37-Jährige sieht die Vollsortimenter trotz aller Bemühungen der Discounter im Vorteil. „Das Thema Frische und Convenience kriegen sie niemals so hin wie wir“, ist er sicher. Stillstand dürfe es dennoch nicht geben. „Um im Markt zu bestehen, müssen wir neue Wege gehen.“ So testet er an der Fleischtheke ein innovatives Konzept mit der regionalen Metzgerei Unger (siehe Text auf S. 25), und er hat als erster Händler in Deutschland neue TK-Kühlschränke mit Vorschubsystem installiert, die ihm 30 Prozent mehr Fläche für das aufstrebende Tiefkühlsortiment bringen. Auch das Süßwarenkonzept ist neu, mit Farbleitsystem an den Regalleisten und indirekt beleuchteten weißen Schirmen in den entsprechenden Farben darüber. Zudem stehen, ein halbes Jahr nach der Eröffnung, erste Veränderungen an. Am Eingang wird z. B. in Kürze Sushi angeboten, und in der Obst- und Gemüseabteilung soll es bald eine Olivenbar mit Antipasti sowie heißer Theke in Selbstbedienung geben. Ein entsprechendes Modul wird gerade für ihn entwickelt.


Schnell gelesen

Rewe Mathematikon, Berliner Str. 49,  69120 Heidelberg

  • Der Markt liegt auf dem Campus, aber auch in der Nähe der teuersten Wohngegenden Heidelbergs. Schon Anfang 2017 will Sahin Karaaslan die 200.000-Euro-Umsatzmarke in der Woche knacken. Aktuell setzt er 180.000 Euro um und liegt damit bereits 30.000 Euro über Plan.
  • Der Kaufmann testet ein neuartiges Konzept zur Vermarktung von regionalem Fleisch an der Theke: Die Metzgerei Unger liefert die Ware, einer ihrer Mitarbeiter berät die Kunden.
  • Der Dönerverkauf (500 Stück am Tag) lockt zusätzliche Kunden an.

Jede Chance nutzen
Weitere Ideen werden sicherlich folgen, denn während der bis Mitte Oktober dauernden Semesterferien, wo Kundenzahl und Umsatz zurückgehen, „ist Zeit für die Feinarbeit und um mich zu fragen: Was ist der richtige Weg? Was ist nachhaltig für mein Unternehmen?“ Wobei ein Grundsatz von vorneherein feststeht: „Im Zweifelsfall entscheide ich mich für den Umsatz. Denn was nutzt mir die beste Spanne, wenn ich nichts verkaufe?“

Wie es ist, nichts zu verkaufen, hat Karaaslan früh erfahren – mit 24 Jahren, als er gegen jeden Rat die 1.000 qm große Lebensmittelabteilung „Delikatessa“ im Heidelberger Kaufhof übernahm und ihn niemand beliefern wollte, zunächst auch die Rewe nicht. Seine Eltern, die mit ihm und seinen neun Geschwistern 1989 aus Kurdistan nach Deutschland gekommen waren, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, waren fassungslos. Ihr Sahin, der angehende Arzt, ließ sein Medizinstudium ruhen, um sich als Händler zu versuchen. „Manche Chancen bekommt man nur ein Mal im Leben, dann muss man sie nutzen“, sagt Karaaslan.

Schließlich wird der junge Händler doch noch mit der Rewe einig, und von da an läuft es. Außer dem „Delikatessa“ und dem Rewe im Mathematikon betreibt der „reine Self-made Man“, wie er sich selbst bezeichnet, heute noch zwei City-Märkte in Heidelberg, und er ist, ohne selbst die Ausbildung zu haben, ehrenamtlicher Prüfer für Einzelhandelskaufleute bei der IHK.

Spaß als Antriebsmotor
Doch sein Kindheitstraum, Arzt zu werden, lässt Karaaslan nicht los. 2009 nimmt er sein Studium wieder auf und pendelt jahrelang zwischen der Universität und seinen Läden. Seine Doktorarbeit über die Rolle der Makrophagen bei Darmkrebs will er noch in diesem Jahr abgeben. „Ich kann mir gut vorstellen, in Teilzeit als Arzt zu arbeiten, doch meine Märkte möchte ich nicht mehr aufgeben“, sagt er. Wie praktisch, dass sich da gleich bei zwei seiner Filialen ein Krankenhaus unmittelbar gegenüber befindet.

Fleiß, Leidenschaft und der Mut, sich auf Neues einzulassen, haben Karaaslan, der Vater von fünf Kindern ist, weit gebracht. Nur ein Ziel hat er nicht erreicht: Die Wahl zum Oberbürgermeister von Leimen hat er verloren. Doch als Ortsvorsitzender der Grünen in der Stadt ist er weiterhin politisch tätig. Er, der als junger Zuwanderer den Rechtsstaat und die Freiheit in Deutschland zu schätzen gelernt hat, hält Politik für wichtig: „Sie bestimmt unser Leben, da will ich mich engagieren.“ Zudem hat der Tausendsassa noch weitere Ehrenämter inne. „Ich sehe das nicht als Arbeit, alles macht mir Spaß“, sagt er. „Und wenn es Spaß macht, kommt der Erfolg von allein.“

Spaß hätte der Kaufmann auch an einem weiteren Markt. Er träumt von einem Rewe-Center mit 5.000 qm, in denen er seine Ideen umsetzen kann, etwa eine extra Halal-Fleischtheke, („Da ist noch viel Umsatzpotenzial.“) und einem pfiffigen Gastrokonzept („Das ist für mich die Zukunft.“). Eine Karriere in der Rewe-Zentrale hat Karaaslan, der Rewe-Chef Alain Caparros als seinen Freund bezeichnet, dagegen vorerst nicht ins Auge gefasst: „Köln ist erst mal kein Thema für mich. Ich will das, was ich mache, richtig machen, bevor ich den nächsten Schritt gehe.“

Fleisch aus der Region

Sahin Karaaslan bietet Fleisch aus der Region mit einem besonderen Konzept an. Ein Teil der Theke wird ausschließlich mit Ware von der Metzgerei Unger bestückt, die eine eigene Schlachtung sowie Produktion betreibt und täglich frisch liefert. Karaaslan bezahlteinen Unger-Mitarbeiter für die Dienste hinter der Theke: „So wird Regionalität authentisch gelebt.“ Ein Konzept mit Mehrwert für alle: Karaaslan hat ein Alleinstellungsmerkmal, die Metzgerei Unger einen weiteren Absatzkanal neben den vier Filialen, und der Kunde findet allesan einem Ort. Die Preise sind die gleichen wie in den Filialen, z. B. für die beliebte Merguez (2,44 Euro pro 100 g) . Der Erfolg gibt ihnen recht „Allein im Juli hat der Umsatz um 6 Prozent zugelegt“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Michael Stauch.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Wenn die Arbeit spaß macht, kommt der Erfolg von ganz allein.<br />
Rewe-Kaufmann Sahin Karaaslan
Bild öffnen Studenten kaufen gern Bio. Karaaslan trägt dem mit einer gebündelten Platzierung Rechnung.
Bild öffnen Michael Stauch (r.) verkauft nicht nur die Ware der Metzgerei Unger, sondern unterstützt Metzgermeister Kevin Glück auch beim Alltagsgeschäft
Bild öffnen Für die Salatbar wird alles<br />
frisch im Markt zubereitet.
Bild öffnen Obst und Gemüse bringe 18 Prozent des Umsatzes ein.
Bild öffnen Die Matheformeln auf den Kassenbändern sind eine Hommage an den Standort: das Mathematikon.
Bild öffnen Mehrsprachig ist die Weinabteilung gekennzeichnet. Wappen, Name der Region und der Winzergenossenschaft bieten zudem Orientierung.
Bild öffnen Tageslicht und Heidelberg- Motive sollen das Einkaufserlebnis garnieren.
Bild öffnen So duftet die Welt: Kunden können an ausgewählten Gewürzen riechen.
Bild öffnen Der offene Eingangsbereich<br />
wirkt einladend.

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