Interview mit Dr. J. Elfers - Commerzbank „SB-Warenhäuser trifft es sehr hart“ - Weitere Fragen

Unter den veränderten Einkaufsgewohnheiten leiden die Großflächen am meisten. Am besten stehen Selbstständige und regionale Unternehmen dar.

Samstag, 17. August 2013 - Management
Artikelbild „SB-Warenhäuser trifft es sehr hart“ - Weitere Fragen
Um gestiegene Kosten (Personal, Energie) abzufedern, braucht der LEH ein Umsatzplus, so Dr. Elfers.
Bildquelle: Mihr, Steinheuer

Das heißt, beim Endverbraucher geht die Bedeutung des Kriteriums Preis zugunsten des Kriteriums Qualität zurück?
Ja und nein. Denn trotz der gerade skizzierten Entwicklung sind und bleiben die Kunden auch im Supermarkt preisbewusst. Sie empfinden durchaus Artikel als teuer, überteuert oder dem Wert entsprechend. Und manchmal gönnen sie sich gerne etwas.

Kommen wir zu den Baustellen und Chancen, an denen der Handel arbeiten sollte.
Nonfood ist eine solche Baustelle: Die Konkurrenz durch Online nimmt zu. Auch das bekommen vor allem die SB-Warenhäuser und die Großflächen zu spüren. Tesco hat deshalb jetzt für das UK-Geschäft alle Bauvorhaben für neue große Nonfood-Flächen auf Eis gelegt und rund 800 Mio. GBP abgeschrieben, die für schon gekaufte Grundstücke geflossen waren. Tesco hat akzeptiert, dass das künftige Nonfood-Geschäft weitgehend online betrieben wird. 8.000 qm Verkaufsfläche kann man nur mit Lebensmitteln aber kaum rentabel bespielen. Potenzial hätten auf dem deutschen Markt gerade in den Großstädten weitere gut geführte Supermärkte, aber bspw. auch Pick-up-Stationen, etwa an Standorten in der Nähe von U-/S-Bahn-Stationen in Wohngebieten. Kleine Flächen von etwa 100 oder 200 qm Größe zu mieten und dort für die Kunden fertig gepackte Taschen zu deponieren, die diese dann mit nach Hause nehmen, so etwas kann funktionieren. Stadtteil-Konzepte für Wohngebiete würde ich so etwas nennen. Es gibt viele Menschen, die z. B. Waren aus einem Globus gerne kaufen würden (etwa wegen der Eigenproduktion ohne Geschmacksverstärker, Konservierungsmittel etc.), die aber keine Zeit oder Lust haben, sich per PKW auf den zeitraubenden Weg zu einer bestimmten Einkaufsstätte zu begeben.

Könnten auch ausländische Handelsunternehmen in Deutschland so etwas machen?
Der deutsche Markt ist für ausländische Handelsunternehmen nicht attraktiv. Die Marktteilnehmer hier sind extrem fit und leistungsstark. Deutschland hat innerhalb Westeuropas immer noch das niedrigste Preisniveau (85 Prozent). Viele haben sich hier schon versucht, Carrefour, Delhaize, Marks & Spencer, Promodes, Wal Mart. Oft hatten sie wie die Migros oder Delhaize vier Standorte und haben sich dann für einen Marktrückzug entschieden. Aktuell hat Ahold aus Holland mit „Albert Heijn to go“ vier Standorte in Deutschland aufgebaut, die zeitnah auf zehn Stores ausgeweitet werden sollen. Mehr als der Gedanke der Auslastung der heimischen Distributionszentren steckt selten dahinter – und dann schlagen noch die Logistikkosten zu Buche. So etwas mag an einzelnen Standorten funktionieren und sich rechnen, aber generell ist das kein erfolgversprechender Weg.

Und bei Kleinst-Formaten wie Rewe to go?
Da verhält es sich ganz ähnlich. Wenn es mal von einem Klein-Format 100 Standorte in Deutschland gibt, dann könnte es anfangen, interessant zu werden. Vorher sind die Rechengrößen und die Volumina viel zu klein, um über eine profitable Darstellung zu reden. Dass „Albert Heijn to go“ etwa ins Ausland gehen will, ist nachvollziehbar, in Übersee und im Heimatmarkt Niederlande liegt der Marktanteil schon so hoch, dass Wachstum dort quasi unmöglich ist. In Belgien, wo Lebensmittel generell teurer sind als in den Niederlanden, kann das dort von Ahold eingeführte Konzept mit größeren Albert- Heijn-Supermärkten gut aufgehen, aber in Deutschland, wo unsere Lebensmittel billiger sind und Logistikkosten noch dazu kommen, sind die Vorzeichen eher ungünstig. Aber: An einzelnen Standorten mögen solche Konzepte auch funktionieren.

Wie sehen und bewerten Sie das Migros-Engagement in Deutschland? Warum treten die Schweizer hier an?
Der Schweizer Markt ist stark konzentriert, gerät aber zunehmend auch unter Preisdruck, getrieben durch die deutschen Discounter, die in der Schweiz expandieren, und die günstigeren Preise jenseits der Grenzen (Stichwort: Einkaufstourismus). Da kann der Aufbau alternativer Standbeine ein strategischer Ansatzpunkt sein.

Convenience bleibt Trend?
Ja, immer mehr Deutsche leben in (Groß-)Städten, in Single- oder Kleinhaushalten und ändern ihre Essgewohnheiten. Der Out-of-home-Markt wächst unaufhaltsam. Das ist eine problematische Entwicklung für den LEH. Denn statt Brot, Butter und Käse im LEH zu kaufen, nehmen wir uns auf dem Weg zur Arbeit beim Bäcker oder aus einem Convenience-Format ein Sandwich, einen Wrap oder ein Brötchen mit. Darauf muss der Handel reagieren. Er schafft ebenfalls Conve-nience-Angebote, oft direkt am Eingang.

Bildquellen: Mihr, Steinheuer

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