Ladenkonzepte Nur keine falsche Bescheidenheit

Von vielen Studienreisen ins Ausland weiß Claus Wester von Jos de Vries: Deutsche Händler haben beim Storytelling noch Nachholbedarf.

Mittwoch, 18. April 2012 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Nur keine falsche Bescheidenheit
Bildquelle: Nilling

Herr Wester, in welchen Lebensmittelladen gehen Sie selbst am liebsten einkaufen?

Am liebsten gehe ich in ein Geschäft mit schöner Atmosphäre, guter Übersicht und leichter Kundenführung. Dabei spielt die Warenpräsentation eine wichtige Rolle. Wenn ich mal über den Tellerrand von Deutschland hinausblicken darf, gehört in Europa Eataly in Turin zur absoluten Spitze. Dieses Konzept würde ich mir auch für Deutschland wünschen, obwohl es sicher nicht eins zu eins zu übertragen ist. Nach wie vor gefällt mir wegen der außergewöhnlichen Warenpräsentation das Konzept von Whole Foods in den USA, seit einigen Jahren auch mit drei Geschäften in London präsent, sehr gut. Im Discount-Bereich finde ich Trader Joe’s aus den USA sehr gut. Es unterscheidet sich konzeptionell grundlegend vom Discount in Europa. Storytelling und angenehme Ladenatmosphäre werden hier konzeptionell gelebt. Themen, die aktuell auch den europäischen Discount beschäftigen.

In welchem Land gibt es auf dem Gebiet des Ladendesigns bei Lebensmittelhändlern die größte Innovationskraft?

Wie schon meine genannten Beispiele erkennen lassen, sehe ich Italien und USA weiterhin als führend an. Auch die Niederlande sind mit den Formaten Albert Heijn und Jumbo sehr innovativ.

Wo steht Deutschland beim kreativen Ladenbau im internationalen Vergleich?

In den vergangenen zehn Jahren haben sich die deutschen Lebensmitteleinzelhändler in diesem Bereich sehr positiv entwickelt. Themen wie Ladenatmosphäre und Warenpräsentation haben sich deutlich verbessert. Der internationale Wettbewerb schaut sich jetzt sogar auf Fachstudienreisen diese Konzepte an. Dies war früher weniger der Fall. Vor allem die selbstständigen Kaufleute der großen Ketten entwickeln sehr individuelle Konzepte, die sich in der jeweiligen Region vom Wettbewerb abgrenzen.

Wo hat Deutschland Nachholbedarf?

Dies ist schwer zu beantworten, da der deutsche Markt durch den hohen Discount-Anteil sehr preisgetrieben ist. Die im internationalen Vergleich geringen Margen haben dazu geführt, dass der deutsche LEH schon sehr optimiert ist. Wenn ich einen Tipp geben soll, würde ich das Storytelling weiter fokussieren. Themen wie Nachhaltigkeit, Regionalität und Eigenmarken werden schon stark umgesetzt. Dies könnte man dem Kunden im Geschäft noch deutlicher vermitteln nach dem Motto „Tue Gutes und sprich drüber“. In England und den Niederlanden wird dies stärker gelebt.

Welche Trends, die Sie auf Ihren Studienreisen im Ausland ausgemacht haben, sind auch für Deutschland interessant?

Da in den vergangenen Jahren in Deutschland sehr stark an der Atmosphäre gearbeitet wurde, sehe ich hier wenig Nachholbedarf. Neben dem schon erwähnten Storytelling sehe ich das Thema Self-Scanning im Ausland häufiger umgesetzt. Im Vergleich zum Self-Check-Out hat Self-Scanning einen echten Kundenvorteil. Der Kunde kann die Ware im Einkaufswagen schon sortieren und muss sie beim Check-Out nicht noch mal auf das Band legen. Dies erspart Zeit und wird bei Tesco in England und Albert Heijn in Holland sehr gut angenommen. Ein Geschäftsführer von Tesco in London erzählte mir, dass 40 Prozent seiner Kunden das Self-Scanning schon nutzen.

Was ist die Philosophie von Jos de Vries von einem attraktiven Ladendesign?

Eine pauschale Antwort gibt es hier nicht. Wir setzen kein Standard-Konzept um, sondern entwickeln auf das Briefing des Kunden abgestimmte Konzepte. Die oben erwähnten Punkte wie Storytelling über Instore-Kommunikation sind dabei jedoch ein wichtiges Instrument. Eine grundsätzliche Aussage bei JDV ist der Fokus auf die Warenpräsentation und weniger auf die Ladenbau-Elemente. Bei Jumbo beispielsweise sind die Kühltheken eher minimalistisch orientiert, nach dem Vorbild von Marktständen, um eine Marktplatzatmosphäre zu schaffen.