Multichannel Ein Geschäft auf allen Kanälen

Wie kauft der moderne Kunde ein? Der Handel experimentiert mit unterschiedlichen Multichannel-Konzepten. 

Mittwoch, 18. April 2012 - Management
Sonja Plachetta und Bettina Röttig
Artikelbild Ein Geschäft auf allen Kanälen
Quelle: Lebensmittel Praxis
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Dass die Kunden skeptisch sind, ist auch die Erfahrung von Kaufmann Marten Freund, der in Kiel den Schlemmermarkt Freund führt. Bereits seit zehn Jahren betreibt er einen Online-Shop in Eigenregie. Der Umsatz ist allerdings nicht zufriedenstellend. Statt der anvisierten 300.000 Euro pro Jahr, stagniert das Geschäft bei etwa 70.000 Euro. Angesichts dieser Zahlen ist Freund unsicher, ob er überhaupt in eine Shopüberarbeitung investieren soll. Seine Kunden schätzen seinen Bring-Service als wesentlich wichtiger ein als das zusätzliche Lebensmittelangebot im Internet. Manch anderer Händler, der ebenfalls ausliefert, ist weniger glücklich damit, weil sich diese Dienstleistung für ihn nicht rechnet.

Die Frage nach der Profitabilität stellt sich genauso bei den Abhol-Stationen verschiedener Handelsunternehmen. Laut der oben genannten Studie wollen 78 Prozent bei Abhol-Lösungen keine zusätzlichen Gebühren entrichten, während zwei Drittel bei Lieferung nach Hause immerhin 1 bis 5 Euro zu zahlen bereit wären. Tatsächlich sind die Servicegebühren gering. Bei Real können Kunden online Ware zum gleichen Preis wie in den stationären Märkten für 1 Euro extra bestellen, bei Rewe fallen 2,50 Euro an. Globus verlangt gar keine Servicegebühr. „Damit sind wir kundenfreundlicher als andere Anbieter“, behauptet Norbert Schillo, Globus-Geschäftsführer. Angaben zu Umsatz oder Profitabilität macht keines der Unternehmen. Bei Real heißt es immerhin: „Mit der Kundenfrequenz sind wir sehr zufrieden. Sie liegt derzeit über unseren Planungen.“ Das Potenzial für diesen Vertriebskanal schätzen die Unternehmen als sehr gut ein: Weitere Drive-In-Standorte wollen alle eröffnen. Dabei verfolgen sie unterschiedliche Strategien. Während Rewe seine Pick-up-Stationen an bestehende Märkte andockt, nutzt Real für sein Drive-In-Konzept separate Gebäude mit eigenem Lager. Globus ist noch unentschieden. Nach dem ersten Globus-Drive, der eine Stand-Alone-Lösung ist, soll der zweite Standort an ein bestehendes SB-Warenhaus angebunden werden.

Die Akzeptanz für die Abhol-Lösungen ist jedenfalls noch ausbaufähig. Beim Online-Kauf bevorzugen der A.T.Kearney-Studie zufolge drei Viertel der Befragten die Lieferung nach Hause, die Abholung an einer Collect-Station liegt mit 60 Prozent an dritter Stelle hinter der Selbstabholung im Supermarkt (68 Prozent). Laut einer Umfrage im Auftrag des IT-Anbieters Aldata unter 1.000 Verbrauchern können es sich nur 23 Prozent der Befragten vorstellen, den Drive-In-Einkauf dem Einkauf im stationären Handel vorzuziehen, 42 Prozent ziehen das nicht in Betracht. 13 Prozent lehnen eine Abhol-Lösung sogar grundsätzlich ab, weil sie kein Auto oder keinen Internetzugang haben. Allerdings: Je jünger die Befragten, desto offener sind sie für die neue Vertriebsschiene. Gut 32 Prozent der 18- bis 34-Jährigen würden diese Form des Einkaufens testen.

Unabhängig vom Vertriebskanal müssen alle Anbieter aber versuchen, Bedenken in Bezug auf Frischware auszuräumen. 48 Prozent der Online-Käufer würden sich gar keine Frischware liefern lassen, an einer Pick-up-Station würden nur 9 Prozent frische Produkte abholen, so die A.T.Kearney-Studie. Bvlo-Sprecher Max Thinius ist zuversichtlich, dass sich diese Zweifel zerstreuen lassen: „Wenn jemand die Qualität hochhält und seinen Kunden das beste frische Angebot in die Tüte steckt, wird sich das schnell herumsprechen.“

Lesen Sie hier, mit welchen Multichannel-Strategien stationäre Lebensmittelhändler unter anderem beim Verbraucher punkten wollen.

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Bild öffnen Noch sind viele Verbraucher zurückhaltend, was den Online-Einkuaf von Lebensmitteln betrifft. Sie haben Bedenken in Bezug auf die Produktqualität.
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