Drogeriemärkte Des einen Leid...

Die Schlecker-Insolvenz hat Einfluss auf den gesamten Drogeriemarkt-Bereich. Die Wettbewerber haben sich in Position gebracht. Der Kampf um die Kunden des ehemaligen Marktführers ist in vollem Gang.

Mittwoch, 03. November 1999 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Des einen Leid...
Großbaustelle Schlecker

Abzusehen war die Schlecker-Insolvenz. Das Mitleid des Wettbewerbs mit der Unternehmensführung hält sich in Grenzen – zu viel wurde falsch gemacht, zu spät gegengelenkt. Was in den Reaktionen der verschiedenen Mitbewerber mitschwingt, ist eine gewisse Genugtuung darüber, dass man es selbst besser wusste, besser macht, und die Hoffnung, sich nun ein größeres Stück vom Kuchen sichern zu können.

Denn klar ist: Die Schlecker-Insolvenz wirkt sich direkt auf den Gesamtmarkt aus. Führt zu einer Umverteilung der Marktanteile. Eröffnet Chancen für den Wettbewerb. Auch wenn sich die Konkurrenz zu diesem Zeitpunkt noch nicht in die Karten schauen lässt, ist deutlich: Der Kampf um die Schlecker-Kunden hat längst begonnen.

Eine Chance, die Lücke, die der Rückzug Schleckers auf dem Land zum Teil hinterlässt, füllen zu können, sieht Denise Klug, Associate Analyst bei Planet Retail, vor allem für die selbstständigen Lebensmittel-Einzelhändler. „Sie können oft direkt auf die örtlichen Anforderungen reagieren und sich gewisse Freiheiten, beispielsweise bei der Bestimmung des Sortiments, zu Nutze machen.“ Denkbar wären kleine Nachbarschaftsläden wie Rewe nahkauf oder Edeka nah & gut. „Allerdings bleibt das Grundproblem dasselbe: Die niedrige Kundenfrequenz und der damit verbundene geringe Umsatz. Auch andere Händler können das nicht so einfach lösen.“

Durchaus interessant sind die vakanten Flächen beispielsweise für die Kunden der Großhandlung Okle. Einige führten bereits Gespräche über Umzüge in ehemalige Schlecker-Filialen, da diese meist größer seien als die eigenen Märkte, zentraler lägen und mehr Parkplätze hätten, berichtet Hans-Philipp Okle, geschäftsführender Gesellschafter der Okle GmbH. Er sieht durch die Schlecker-Insolvenz insgesamt die Chance für eine stärkere Profilierung der Okle-Partnerkaufleute als Nahversorger.

Für die Expansionspläne der direkten Konkurrenten dürften die bundesweit rund 2.200 nun geschlossenen Schlecker- und 122 Ihr-Platz-Filialen jedoch kaum eine Rolle spielen. Die Kleinflächen passen nicht ins Konzept der Drogerieunternehmen. Hatte beispielsweise Unternehmenschef Dirk Roßmann vor einigen Wochen noch Interesse an rund 80 Schlecker-Märkten bekundet, steht mittlerweile fest: Die von Schlecker aufgegebenen Standorte kommen für Rossmann nicht in Frage. „Interessant sind jene Märkte, die nicht geschlossen werden“, lautet die Antwort aus der Zentrale in Burgwedel. Auch das Expansionstempo werde Rossmann nicht erhöhen. Es seien unverändert 100 bis 120 Neueröffnungen für 2012 geplant. dm und Müller schweigen sich zu diesem Punkt noch aus.


Wer wird also am Ende am stärksten von der Schlecker-Pleite profitieren? Für Planet-Retail-Expertin Klug eindeutig „die direkten Konkurrenten wie Rossmann, dm oder Müller“. Das Drogeriesortiment im LEH sei immer noch sehr klein, so die Erklärung. Rewe und Edeka arbeiteten derzeit am Ausbau der Kompetenz in diesem Sortiment. Noch fehle es jedoch den Vollsortimentern an entsprechenden Eigenmarken und einer Preispositionierung, die der von dm oder Rossmann ebenbürtig sein könnte. „Da mag eine professionelle Shampoo-Eigenmarke, wie Rewe sie kürzlich eingeführt hat, ein erster Schritt sein, der aber längst nicht ausreichend ist“, urteilt Klug.

Aus dem Kampf um die Schlecker-Kunden könne Rossmann als Gewinner hervorgehen. „Schlecker-Kunden sind oft Gewohnheitstiere der älteren Generation. Sie gingen schon immer bei Schlecker einkaufen und sind der Kette auch treu geblieben. Nun müssen sie sich umorientieren. Rossmann könnte diese Art von Kunden mit seinen Werten vielleicht am ehesten ansprechen, während dm vor allen Dingen bei jüngeren Kunden beliebt ist“, meint Klug.

Die Marktdaten zeigen: Im Januar und Februar gewannen alle Schlecker-Wettbewerber – Drogeriemärkte, LEH sowie Fachhändler – von den Problemen des ehemaligen Branchenprimus, so das Ergebnis der GfK. Insbesondere dm und Rossmann konnten zu Jahresbeginn im Segment Körperpflege deutlich an Umsatz zulegen. Dr. Wolgang Adlwarth, Division Manger bei Gfk Panel Services, führt den Umsatzschub von Rossmann auf dessen aggressive Preispromotions Anfang des Jahres zurück. Auch Rewe rückte Körperpflege- und Kosmetikprodukte im Januar intensiv über den eigenen Handzettel in den Fokus. Das zweistellige Umsatzplus des Discounters Penny bei Körperpflege/Kosmetik resultiert laut GfK aus dem neuen Ladenkonzept, das nach und nach umgesetzt wird.

Auch Edeka räumt Drogeriewaren einen höheren Stellenwert ein. „Die Warengruppen WPR und Körperpflege/Kosmetik haben im vergangenen Jahr deutlich an Umsatz gewonnen“, heißt es aus Hamburg. Dazu beigetragen hätten eine intensive Sortimentsarbeit, starke Eigenmarken sowie die Verstärkung der vertrieblichen Aktivitäten auf allen Stufen. In das Segment Körperpflege und Kosmetik investiert auch Globus. 47 Mitarbeiter aus 32 Filialen schlossen Ende März einen IHK-Lehrgang zum Kosmetikfachberater ab und bieten ab sofort eine qualifizierte Beratung in den Drogerieabteilungen an. In diesem Jahr sollen weitere Mitarbeiter die Fortbildung besuchen.

Gesamtmarkt unter Druck

Doch wie so oft folgt auf eine gute Nachricht eine schlechte: Der Markt für Drogeriewaren insgesamt entwickelt sich rückläufig. Die Gründe: Zum einen können die zweistelligen Verluste des Schwergewichts Schlecker durch den Wettbewerb noch nicht aufgefangen werden, zum anderen sanken erneut die Preise im bereits hart umkämpften Markt. Verzeichnete der LEH im Januar und Februar laut GfK eine durchschnittliche Preiserhöhung um 2,7 Prozent, lagen die Preise für Drogeriewaren um 0,2 Prozent unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums.

Mit einer Trendwende ist in den kommenden Monaten nicht zu rechnen. Schließlich will auch Schlecker massiv die Preise senken. Der Wettbewerb sieht diese Ankündigung derzeit gelassen. Rossmann werde nicht an der Preisschraube drehen, so das Versprechen aus Burgwedel, denn: „Rossmann und dm sind ohnehin die Günstigsten“.

Direkte Auswirkungen wird die Schrumpfkur Schleckers nach Einschätzung von Adlwarth auf die Marken in den Drogeriesortimenten haben. In den vergangenen Jahren stiegen die Anteile der Preiseinstiegs- und Mehrwert-Handelsmarken im Drogeriemarkt weiter. Zwar hatte Schlecker bereits 2011 angekündigt, den Anteil an Eigenmarken aufstocken zu wollen. Im Vergleich zum Wettbewerb führe Schlecker jedoch nach wie vor sehr wenige Eigenmarkenprodukte, die Bedeutung der Industriemarken im Drogeriemarkt werde daher weiter sinken, der Anteil der Handelsmarken wachsen, erklärt Adlwarth.

Bleibt die Frage, welche Rolle Schlecker künftig im Drogeriemarkt spielen wird. Preisanpassungen alleine werden das Unternehmen nicht in die schwarzen Zahlen führen. Das zeigt erneut eine aktuelle Umfrage der Strategie Beratung OC&C. Demnach ist Schlecker das Schlusslicht unter den Drogeriemärkten – und zwar in sämtlichen Kriterien, lässt man die Parfümerie Douglas außen vor, die einzig als teurer wahrgenommen wird. Zu den Kategorien zählen u.a. Preis-Leistung, Vertrauen, Produktqualität und Produktauswahl. Es gilt also, in allen Bereichen Hausaufgaben zu machen.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. Verschiedene neue Konzepte werden getestet, z.B. das Shop-in-Shop-Konzept für Naturkosmetik von Müller. Darüber hinaus sorgen in diesem Jahr gleich zwei Drogeriemarktketten mit Jubiläums-Feierlichkeiten für Aufmerksamkeit. Die Hamburger Kette Budnikowsky wird 100 Jahre alt, Rossmann 40.

Drogerie-Unternehmen im Überblick
dm Drogeriemarkt, Karlsruhe
Umsatz 2010/11: 6,17 Mrd. Euro; Deutschlandgeschäft: 4,485 Mrd. Euro; 2011/12
Filialen (Stand Ende 2011): 2.572; davon 1.292 in Deutschland
Durchschnittliche Verkaufsfläche 557 qm
Mitarbeiter: 39.000; 25.000 davon in Deutschland
Profilierungsfelder: mehr als 2.900 Artikel unterdm-Eigenmarken, u.a. Naturkosmetik; 1.700 Eigenmarkenprodukte seit August 2011 auch über Amazonerhältlich; Bio-Lebensmittel der Marke Alnatura

Rossmann, Burgwedel
Umsatz 2011: 5,12 Mrd. Euro; Deutschlandgeschäft: 3,81 Mrd. Euro; 2012: 5,6 Mrd. Euro geplant
Filialen (Stand Januar 2012): 2.531, davon rund 1.612 in Deutschland; 919 im Ausland
Durchschnittliche Verkaufsfläche 450 qm
Mitarbeiter: 31.000
Profilierungsfelder: 43 Eigenmarken mit mehr 3.000verschiedenen Artikeln, Online-Shop

Drogerie Müller, Ulm
Umsatz 2011: rund 3 Mrd. Euro
Filialen: 643, davon 481 in Deutschland
Verkaufsfläche 400 - 4.000 qm
Mitarbeiter: 26.000
Profilierungsfelder: Shop-in-Shop-Konzept Naturshop für Naturkosmetik und nachhaltig produzierte Produkte (aktuell gibt es vier Naturshops), Multi-Media, Parfümerie, Spielwaren

Budnikowsky, Hamburg
Umsatz 2011: 390 Mio. Euro
Filialen: 154 im norddeutschen Raum
Profilierungsfelder: Regionalität, Naturkosmetik (Aliqua-Naturkosmetik-Onlineshop), Bio-Lebensmittel bekannter Fachhandels-Marken

Schlecker, Ehingen
Umsatz 2010: 6,55 Mrd. Euro (2011 zweistelliges Minus)
Filialen: 3.200 (von 5.400 Anfang 2012)
Verkaufsflächen: 100 bis 1.000 qm
Mitarbeiter: ca. 13.500 (von 25.250 Anfang 2012)
Profilierungsfelder: Positionierung als Nahversorger, Online-Shop
DM klarer Sieger
Der OC&C-Proposition-Index untersuchte zum zweiten Mal die Einzelhandelslandschaft über ein breites Spektrum an Branchen. Er basiert auf einer umfangreichen Verbraucherumfrage und liefert sowohl eine detaillierte Aufstellung der Stärken und Schwächen der einzelnen Händler und ermöglicht Händlern, ihre Position und ihr Image beim Kunden besser zu verstehen. Klarer Sieger unter den Drogeriemarktunternehmen war auch 2011 dm. Die Karlsruher heben sich besonders deutlich in den Kategorien Preis-Leistung, Vertrauen und Produktauswahl vom Wettbewerb ab und kommen auf ein Gesamtergebnis von 81,2 Punkten. Dahinter folgen Douglas (79,3), Rossmann (77,4) und Müller (74,8). Schlusslicht ist Schlecker (59,0).

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