Herr Wiens, Hochwasser und Starkregen führen häufiger zu Überschwemmungen von Supermärkten. Wie sehr beschäftigt das Thema Klimafolgenanpassungen Ihre Arbeit?
Klaus Wiens: Die Veränderungen sind spürbar. Das Wetter wird extremer, wie man auch an den Hochwasserschwankungen und Hitzewellen sieht, die in letzter Zeit zugenommen haben. Diese Extreme beeinflussen auch unsere Planungen und Bauprojekte erheblich.
Experten betonen, dass behördlichen Bauvorschriften nicht auf Klimafolgenanpassungen ausgerichtet sind. Wie stellen Sie sicher, dass Sie zukunftssicher bauen?
Für uns ist es wichtig, dass unsere Bauweise nachhaltig ist und zugleich auf die zunehmenden Klimaereignisse zugeschnitten ist. Die aktuellen Bauvorschriften reichen dafür nicht aus. Seit Jahren bauen wir nachhaltige Märkte mit einer Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Das aktuelle DGNB-Zertifizierungs-System ist mittlerweile stärker ausgerichtet auf Klimafolgenanpassungen und daher für uns das richtige Werkzeug.
Wie gehen Sie bei der Standortwahl und -planung für neue Märkte vor, um die Risiken zu kalkulieren und Maßnahmen zu planen?
Wir arbeiten eng mit Fachplanern zusammen, die uns bei der Risikoanalyse unterstützen. Durch Simulationen können diese abschätzen, welche Gefahren, wie zum Beispiel Überschwemmungen oder Starkregen, an einem bestimmten Standort drohen. Basierend auf diesen Analysen entscheiden wir, ob der Standort geeignet ist oder welche baulichen Anpassungen notwendig sind. Diese intensive Analyse ist heute wichtiger denn je.
Bei den letzten Hochwasserkatastrophen wurden kleine Bäche und Flüsse zum Problem, die zuvor wenig im Fokus waren. Meiden Sie künftig neue Standorte in der Nähe fließender Gewässer?
Es gibt keine Universallösungen und wir werden auch Kunden im Ahrtal und in der Nähe von fließenden Gewässern weiterhin bedienen. Wir müssen immer im Einzelfall bewerten, welche Standorte welche Maßnahmen benötigen, und Risiken gegen Nutzen abwägen.
Welche Maßnahmen zum Schutz vor Starkregen und Überschwemmungen haben den größten Nutzen?
Je nach Gegebenheit können wasserdichte Betonwannen verwendet werden oder ein Gebäude auf Stelzen gestellt werden. Wir haben unseren Markt in Erbenheim um 50 cm angehoben, das Wasser kann bei Starkregen in alle Richtungen vom Markt wegfließen. Zudem haben wir dort ein Parkplatzkonzept entwickelt, welches ringförmig erschlossen wird. Durch die Ringform wird weniger versiegelte Fläche benötigt, bei ungefähr gleicher Stellplatzanzahl. In Erbenheim konnten so rund 1.000 m² naturnah begrünte Grünanlage geschaffen werden – ein Beitrag zur „Schwammstadt“, den wir an anderen Standorten reproduzieren werden. Das ist ein Beispiel dafür, dass Lösungen nicht immer kostspielig und kompliziert sein müssen. Es gilt, neu zu denken.
Dennoch gibt es neue Green Buildings wie das in Schleiden-Gemünd, deren Parkplatz komplett versiegelt ist…
Es ist nicht leicht, alle Parteien mitzunehmen auf dem Nachhaltigkeitspfad. Gerade bei Mietobjekten haben wir nicht immer die volle Kontrolle darüber, ob die vereinbarte Begrünung umgesetzt wird. Eine Herausforderung, der wir uns stellen.
Wo sehen Sie die größten Hürden für klimaresilientes Bauen?
Die größte Herausforderung besteht meiner Meinung nach tatsächlich darin, bestehende Strukturen zu verändern und neue Standards zu setzen. Wir müssen in der Baubranche, bei den Zulieferern und bei unseren Partnern ein Bewusstsein schaffen, dass ein Umdenken notwendig ist. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass wir alle an einem Strang ziehen und konsequent nachhaltige und klimafreundliche Lösungen umsetzen. Wir müssen JETZT aufhören so zu bauen, wie wir es aktuell tun.
Wie arbeiten Sie mit Kommunen und Politik zusammen, um ein Umdenken zu erwirken?
Wir sind in Gremien, sprechen auf Fachveranstaltungen. Dabei geht es heute weniger darum, wie wir bauen, sondern warum wir anders bauen müssen. So versuchen wir, das Bewusstsein für die Dringlichkeit von Klimafolgenanpassung und Klimaschutzmaßnahmen im Bausektor weiter zu schärfen. Kein anderer Sektor hat einen so großen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen wie die Bauwirtschaft. Entsprechend groß ist die Verantwortung, jetzt die richtigen Lösungen zu finden.
Wo sehen Sie aktuell falsche?
Der Gesetzgeber will aktuell Photovoltaik über Parkplätzen. Das ist keine gute Idee. Photovoltaik gehört auf Dächer. Der Boden unter einem Gebäude ist bereits versiegelt, das Gebäude ans Stromnetz angeschlossen. Überbaue ich Parkplätze mit Photovoltaik, verbrauche ich zusätzliche Materialien und Emissionen, das Regenwasser wird abgeleitet, kann nicht versickern. Wir benötigen Bäume und Grünflächen auf Parkplätzen, nicht Photovoltaik. Wir könnten viel schlauer bauen, zum Beispiel Parkplätze nach dem Schwammstadtprinzip gestalten. Nachhaltigkeit erfordert einen holistischen Ansatz. Das Klima interessiert sich nicht für Einzelmaßnahmen.
Dennoch braucht es diese, zum Beispiel bei Bestandsmärkten. Wie wollen Sie diese klimaresilienter machen?
Das ist eine Herkulesaufgabe, die wir nur nach und nach in individuellen Projekten bewältigen können. Wir zeichnen für rund 3.300 Märkte verantwortlich. In rund 80 Prozent sind wir Mieter. Wie schon erwähnt, gilt es auch bei Vermietern und Investoren noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Dabei helfen jedoch Gesetze und Verordnungen wie die Taxonomie-Verordnung. In einer ganzheitlich nachhaltigen Betrachtung ist es wichtig, bestehende Bauten möglichst lange zu erhalten und kreativ zu nutzen und damit die bereits getätigten Emissionen langfristig zu binden. Leider wurden Supermärkte lange Zeit nicht sonderlich hochwertig gebaut, was die Sache erschwert.
Was sind die wichtigsten Maßnahmen gegen Hitze?
Wir achten verstärkt auf Hitzeschutz, indem wir zum Beispiel Dächer begrünen. Das trägt zum Wärmeschutz bei und beeinflusst das Mikroklima positiv. Die wichtigste Maßnahme ist ein konstruktiver Sonnenschutz. Wir wollen nicht mehr auf Tageslicht und damit Fenster verzichten, müssen aber die Wärmestrahlung blockieren. Für die Verschattung von Fenstern leisten wir uns zum Beispiel den „Luxus“ von Dachüberständen, auch wenn damit die Verkaufsfläche geringfügig kleiner ausfällt. Bei Bestandsmärkten müssen wir prüfen, ob beispielsweise elektrochromes Glas, das sich automatisiert abtönen lässt, eine wirtschaftliche Lösung sein könnte, oder Sonnenschutzlamellen etc..
Schauen Sie auch, wie andere Länder bauen, die mehr Erfahrungen mit Hitze und Überschwemmungsschutz haben?
Ja, definitiv. In Großbritannien gibt es beispielsweise sehr strikte Bauvorschriften für Überflutungsgebiete, die wir in Deutschland so nicht haben. Dort ist es nicht erlaubt, in der Nähe von Flüssen zu bauen. Wir beobachten solche Gegebenheiten genau, denn vielleicht werden sich hierzulande auch einmal die Bauvorschriften ändern.
Wie weit sind Sie mit der neuen Generation der Rewe Green Buildings?
Der Markt Rewe Green Farming in Wiesbaden-Erbenheim in modularer Holzbauweise, den wir 2021 eröffnet haben, zeigt, wie wir künftig auf nachhaltige Baumaterialien und Kreislaufwirtschaft setzen. Im Januar 2024 haben wir unsere neue Musterbaubeschreibung veröffentlicht, die auf den Erfahrungen aus Wiesbaden-Erbenheim basiert. Unsere erste Baubeschreibung für einen modularen, kreislauffähigen Holzmodul-Supermarkt. Aktuell sammeln wir in konkreten Projekten noch Erfahrungen dazu, wie sich die Optimierungen des Musterkonzeptes in der Praxis bewähren. Schon jetzt ist klar, dass wir künftig weniger Schrauben benötigen als in Erbenheim. Wir sind also in der vertieften Pilotierung und Standortplanung. Ab 2026 etwa werden wir dann voraussichtlich die alte Musterbaubeschreibung vom Markt nehmen und überall dort, wo möglich, unserer neuen Märkte nach dem neuen Konzept bauen. Wir arbeiten zudem daran, die Prozesse auf den Baustellen zu verbessern, schneller zu werden und Emissionen immer weiter zu reduzieren.
Der Klimawandel ist da - so halten Sie ihn aus
Das Klima wandelt sich zum Schlechten: Fluten überschwemmen Supermärkte, Hitzewellen ersticken die Kauflaune. Wie sich Händler und Hersteller widerstandsfähig machen.