Seit der Pandemie liegt ein besonderes Augenmerk auf dem Heimtiermarkt, einem der großen Profiteure der Corona-Jahre. Im Homeoffice schafften sich die Deutschen über eine Million Hunde zusätzlich an, das sorgte für einen Nachfrageboom bei Heimtiernahrung und -bedarf in allen Handelskanälen. Aus dem Boom nach dem ersten Lockdown 2020 ist inzwischen ein nachhaltiger Bedarf geworden. Handel und Industrie haben längst mit neuen Produkten auf die veränderten Nachfragebedingungen in dieser Warengruppe reagiert. Nischenanbieter drängen neu in den Markt und suchen ihre Chance. Zwar flachen die zunächst zweistelligen Zuwachsraten in diesem Segment derzeit ab, doch in den kommenden fünf Jahren erwarten Experten weiterhin ein deutliches Plus, insbesondere beim Tierbedarf wie Spielzeuge. Der Lebensmitteleinzelhandel (einschließlich Drogerien und Discountern) behauptet sich als Hauptabsatzweg für Heimtier-Fertignahrung. 2,8 Milliarden Euro wurden damit 2023 in den Märkten umgesetzt (siehe Grafiken in der Slideshow).
Vollsortimenter brauchen A-Marken
Rückblick: Mit Beginn des Ukraine-Krieges Ende Februar 2022 laufen die Kosten bei den Herstellern aus dem Ruder. Edeka und Rewe liegen in den Folgemonaten mit den großen Markenherstellern über Kreuz. Die Händler machen sich zum Anwalt der Verbraucher und bezweifeln die geforderten höheren Preise von Mars Petcare sowie Nestlé Purina. Es kommt zu Auslistungen und zu leeren Regalen. „Das war keine gute Zeit für uns als Vollsortimenter. Wir haben Kunden an den Fachhandel verloren. Tierliebhaber achten weniger auf den Preis. Unsere Handelsmarken waren kein Äquivalent für diese Zielgruppe. Die Eigenmarken lagen zum Teil in diesen Monaten wie Blei in den Regalen“, sagt ein Rewe-Kaufmann, der nicht genannt werden will. Doch das änderte sich mit der Inflation. Als der Preisanstieg vom Trab in den Galopp wechselte, legte der Absatz von Handelsmarken im LEH deutlich zu – auch gestützt durch Testergebnisse der Stiftung Warentest. Kaufland-Eigenmarken hatte hier bei Trockenfutter für Hunde die Nase vorn. Aber auch Edeka, Rewe sowie die Discounter sicherten sich erste Plätze in weiteren Kategorien. „Billig schlägt Marke“ zeigte Wirkung beim Verbraucher.
Hersteller- und Handelsmarken im Plus
Derzeit entwickeln sich laut GfK Consumer Panel aus dem April Hersteller- und Handelsmarken im ersten Tertial 2024 im Gleichschritt, getrieben von einem Zuwachs an Einkäufen von knapp 5 Prozent sowie von höheren Ausgaben per Trip in Höhe von 3 Prozent (Handelsmarke) beziehungsweise 4 Prozent (Herstellermarke). Allerdings: Das höhere Preisniveau bei Petfood werde aktuell vor allem von der Marke gepusht (plus 8 Prozent), während die Preisdynamik bei der Handelsmarke nachlasse (plus 4 Prozent). Sowohl Handelsmarke als auch Herstellermarke setzen nach Angaben der Marktforscher in den ersten vier Monaten dieses Jahres auf Promotion: Mehr Käufer (plus 16 Prozent) kauften häufiger (plus 15 Prozent) aktionsgetrieben als im ersten Tertial des Vorjahres.
Und was bereitet den Selbstständigen mehr Freude, Hersteller- oder Handelsmarke? „Bei uns wachsen die Eigenmarkenanteile. Aber sie wachsen nicht exorbitant. Der Stücknutzen der Eigenmarke ist wohl höher, aber noch ist das Vertrauen der Kunden in die A-Marke größer. Das sorgt für eine deutlich höhere Drehgeschwindigkeit. Es sind weiterhin die Marken, die den Endverbraucher zu uns auf die Fläche locken. Das schaffen unsere Eigenmarken nicht immer“, betont der bereits zitierte Rewe-Kaufmann.
Handelsprofessor Carsten Kortum von der DHBW in Heilbronn stützt diese Aussage. Die Marke habe eventuell weniger Marge in Prozent, aber letztlich einen höheren Deckungsbeitrag pro Stück, weil sie deutlich teurer verkauft werde. Der Hochschullehrer sagt: „Es ist gefährlich für jede Category, wenn die Top-A-Marken fehlen. Dann wechselt der Konsument die Straßenseite.“ Soll heißen: Ohne starke Marken verliert der Vollsortimenter an Strahlkraft. Die Wichtigkeit von Marken unterstreichen die GfK-Zahlen aus dem ersten Tertial: Die Mars-Rückkehr machte sich mit einem erhöhten Shoppertraffic in Höhe von plus 7 Prozent am Supermarkt-Regal bemerkbar.
Fest steht auch: Die Handelsmarken erfahren derzeit eine Premiumisierung, um Konsumentenrente abzuschöpfen. Im Fachhandel ist das schon zu sehen. Und die Eigenmarkenhersteller suchen die Chance in Marktlücken. Landguth startet mit eigener Marke bei veganem Tierfutter. „Wir haben den Anspruch, mit unserem Produkt ‚Vutter!‘ Marktführer in der Nische zu werden und diese peu à peu so aufzubauen, dass die Nische eine Marktrelevanz erfährt“, sagt Geschäftsführer Jürgen de Vries.
Rofu steigt ins Großhandelsgeschäft ein
Beim Tierbedarf können Eigenmarken leichter punkten. Der Spielwarenhändler Rofu hat während der Pandemie Zubehör für Hunde und Katzen als neuen Fokusmarkt ausgemacht. Vor allem die höhere Preisbereitschaft der Tierliebhaber macht dieses Geschäft attraktiv. Rofu-Geschäftsführer Michael Edl ist ein anerkannter Fernost-Sourcing-Experte. Er weiß: „Anders als bei der Nahrung ist den Hunden und Katzen beim Spielzeug die Marke gleichgültig. Die Fellnasen legen auch keinen Wert auf teure Lizenzware. Unsere Ware ist zertifiziert und zugelassen – darauf legen wir besonderen Wert.“ Mit der Eigenmarke sei er nicht in der Preistransparenz des Verbrauchers. Anders als bei Marken falle der Preisvergleich aus. Inzwischen hat Rofu beim Tierbedarf eine Großhandelsfunktion aufgebaut. Erste Einzelhändler werden nach Aussagen von Edl beliefert. Rofu zählt zwar nicht zu den großen Anbietern im Handel, aber in puncto Sourcing hat das Unternehmen schon immer einen guten Riecher bewiesen. „Wir sind mit unseren Tierbedarf-Eigenmarken in einem sehr guten Preis- und Leistungsverhältnis“, berichtet Edl, der längst im asiatischen Raum China-Alternativen ausgemacht hat. Der Tierbedarfsmarkt wächst. Rofu baut sein Großhandelsangebot aus. Es scheint, als bekomme Platzhirsch Trixie einen angriffslustigen Wettbewerber beim Heimtierzubehör.