Die Sammelquote von Elektroschrott ist im vergangenen Jahr abermals gesunken. Sie liegt mit 32 Prozent weit entfernt vom vorgeschriebenen Ziel. 65 Prozent der Altgeräte sollen eigentlich jährlich bei den Sammelstellen anfallen. Diese sogenannte Branchenquote wurde seit ihrer Festschreibung 2019 noch nie erreicht. Der beste Wert konnte 2017 mit 45,1 Prozent dokumentiert werden. Umweltverbände beklagen ein System ohne Konsequenzen. Soll heißen: Die Quoten werden gerissen, aber den Herstellern und Vertreibern droht kein entschlossenes Handeln durch den Gesetzgeber. Angesichts von Rohstoffmangel und Umweltproblemen keine gute Entwicklung.
In Gewichtseinheiten erscheint die Entwicklung noch dramatischer, denn die Lücke zum Sammelziel vergrößert sich kontinuierlich. Die Altgerätemenge sank bereits 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 30.000 auf insgesamt rund 1 Million Tonnen. Das waren 3 Prozent weniger als noch 2020. Immerhin entsprach das aber 2021 noch einer Sammelquote von 38,6 Prozent. Zum Erreichen des Sammelziels fehlten bereits vor drei Jahren 690.000 Tonnen Altgeräte. Ursache für diesen Abstieg ist jedoch nicht nur die gesunkene Sammelmenge, sondern auch die Anzahl an verkauften Neugeräten. Diese Käufe verzeichneten während der Pandemie einen starken Anstieg auf 3,26 Millionen Tonnen in Verkehr gebrachter Elektrogeräte – darunter der neue Toaster und die innovative Kaffeemaschine fürs Homeoffice, aber auch der im Trend liegende Weihnachtspulli mit LED-Beleuchtung inklusive Lithium-Batterien.
Novelle zielt auf den Lebensmittelhandel ab
Herausreißen soll es jetzt die Novelle des bereits 2022 überarbeiteten Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG). Bereits seit dem 1. Juli 2022 müssen auch Lebensmittelhändler mit einer Gesamtverkaufsfläche von mindestens 800 Quadratmetern, die dauerhaft oder zumindest mehrmals im Kalenderjahr Elektrogeräte führen, Altgeräte kostenlos annehmen. Damit sind die meisten Märkte großer Marken wie Aldi, Lidl, Netto Marken-Discount, Edeka oder Rewe betroffen. Kleinere Altgeräte unter 25 Zentimetern können dort einfach abgegeben werden – etwa Rasierer, der kleinere Toaster oder die elektrische Zahnbürste. Größere Altgeräte müssen die Märkte nur beim Kauf eines entsprechenden Neugeräts kostenlos zurücknehmen.
Die Novelle sieht nun eine Erweiterung der Rückgabemöglichkeit auf Altgeräte mit einem „Kantenmaß“ von 50 Zentimetern vor. Denn in der Praxis liegen viele Kleingeräte und kleine IT-/TK-Geräte zwischen 25 und 50 Zentimetern. Diese Erweiterung soll künftig die Rückgabe für den Verbraucher vereinfachen und praktikabler machen. Zusätzlich sollen die Märkte, die unter diese Regelung fallen, sichtbare Schilder anbringen müssen, die sie als Rücknahmestelle ausweisen. Die Politik verbindet die Überarbeitung des ElektroG mit der Hoffnung, dass ausgediente Elektrogeräte durch ein flächendeckendes Netz an verbrauchernahen Rückgabemöglichkeiten der korrekten Entsorgung besser und leichter zugeführt werden können. So sollen weniger Altgeräte abseits der korrekten Pfade, wie zum Beispiel im Hausmüll, Verpackungsmüll oder der Natur, wo sie nicht hingehören, entsorgt werden. Eine Rewe-Kauffrau berichtet: „Aktuell ist das für uns kein Problem. Die Zentrale unterstützt uns beim bürokratischen Aufwand hinter der Rücknahme. Und ehrlich gesagt, uns bringt derzeit kaum jemand ein Gerät zurück.“ Doch das könnte sich bald ändern. Altgeräte-Alarm im LEH könnte zum Szenario werden.
Lidl und Aldi verlieren vorm Landgericht
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vor wenigen Wochen zwei juristische Erfolge gefeiert, weil die großen Discounter die Rücknahmepflicht nicht flächendeckend ernst genommen hatten: Das Landgericht Mainz hat Aldi (Aktenzeichen 12 HK O 30/23) und das Landgericht Frankenthal Lidl (Aktenzeichen 2 HK O 36/23) dazu verurteilt, ausgediente Elektrokleingeräte unentgeltlich zurückzunehmen, wie es das Gesetz seit 2022 vorschreibt. Bei Testbesuchen wurde der DUH bei beiden Discount-Riesen die Altgeräte-Rücknahme verweigert. Daher hatte die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation geklagt und recht bekommen.
Im LP-Gespräch weist Thomas Fischer, DUH-Leiter Kreislaufwirtschaft, auf die kommenden Klagen seines Verbandes hin: Jetzt geraten die Onlinehändler als Trittbrettfahrer des ElektroG ins Visier. Hier dürfen sich Lidl und Aldi erneut auf Klageschriften freuen, weil sie sich wohl auch mit ihrem E-Commerce-Zweig nach DUH-Aussagen nicht vorbildlich verhalten hätten.
Es fehlt ein Anreizsystem für den Verbraucher
Kommentar von Matthias Mahr
Die Sammelquoten sind unterirdisch schlecht. Für die jährlich neu in Verkehr gebrachten Elektrogeräte kommen kaum alte zurück. Ins Visier von Gesetzgeber und Umweltverbänden gerät dabei der Lebensmitteleinzelhandel, da dort angeblich nicht ausdrücklich genug und flächendeckend auf die Rückgabemöglichkeit hingewiesen wird. Der Vertreiber der Elektrokleingeräte soll auch für die Sammlung und sachgemäße Weitergabe der verkauften Einheiten zu den Entsorgern verantwortlich gemacht werden.
Das ist mir zu kurz gesprungen und zu pauschal. Klar, der Handel und Hersteller müssen an den Kosten der Elektroschrott-Rücknahme beteiligt werden. Das geschieht auch.
Der Schlüssel liegt beim Verbraucher. Dieser muss die Altgeräte zurückbringen. Am besten dort, wo geschultes Personal mit den zum Teil auch gefährlichen Hinterlassenschaften umzugehen weiß. Warum gibt es kein Anreizsystem, das den Käufer auch am Ende der Lebenszeit eines elektronischen Alltagshelfers zum Schnäppchenjäger macht? Cash für zurückgegebene, wichtige Ressourcen wäre ein Belohnungssystem, das jede noch so bequeme Rücknahmestelle im Handel schlagen sollte. Ganz banal wäre ein Pfandsystem, wie wir es bei Getränken längst kennen. Der Verbraucher muss aufgeklärt werden, dass ein Gerät mit Lithium-Batterie in der Hausmülltonne zu verheerenden Bränden führen kann. Hier gilt es anzusetzen.