Es herrscht Goldgräberstimmung rund um das Thema Retail Media im deutschen Handel. Bei der Entwicklung der Werbeausgaben wächst dieser Bereich rasant. Während lineares Fernsehen bei der Platzierung der Werbebudgets in den zurückliegenden Jahren deutlich an Boden verloren hat, legte das von Amazon befeuerte Thema zweistellig zu. Der internationale Wirtschaftsverband der Onlinewerbebranche (Interactive Advertising Bureau) prognostiziert für das laufende Jahr ein Ansteigen der Retail-Media-Ausgaben auf 14,3 Milliarden Euro in Europa, nach 10,5 Milliarden im Jahr zuvor. Den Löwenanteil sichert sich in Europa Amazon: Nach 7,9 im Jahr 2023 werden dieses Jahr geschätzte 10,5 Milliarden Euro der digitalen Werbegelder aus der Industrie in die Schatzkammern des US-Plattformgiganten fließen. Allerdings, der Markt bewegt sich: Neben der Otto Group, Zalando und Douglas fordern inzwischen auch die Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland ihren Teil vom neu zu verteilenden Werbekuchen. Längst haben die Schwarz-Gruppe, Rewe und Edeka erkannt, dass Retail Media eine Geldgenerierungsmaschine ist, die Online- und Offline-Welten ertragsfördernd verbindet. Ein bedeutender Vorteil im Vergleich zu den reinen Plattformanbietern.
Die Verschmelzung von Online und Offline
„Retail Media ist die einzigartige Möglichkeit, Marken und Produkt dort zu präsentieren, wo ihre Relevanz, Wahrnehmbarkeit und Akzeptanz hoch, ihr Weg zum Kunden sehr kurz und ihr Kontext am natürlichsten sind“, definiert der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Als Mediengattung ermögliche Retail Media auf Basis einer datengetriebenen Historie eine Funnel-übergreifende Messbarkeit der Werbewirkung, betonen die Digital-Marketer. Dies geschehe direkt im digitalen und physischen Ökosystem des Retailers. Apropos Funnel: Dabei handelt es sich in der Marketingsprache um ein System, das aus verschiedenen Inhalten besteht und potenzielle Käufer Schritt für Schritt von Werbeanzeigen, Social-Media-Posts oder Suchmaschinenabfragen über Landingpages bis hin zum Kauf eines Produkts führt.
Zusätzliche Einnahmequelle für Kaufleute
Diese Schritte können inzwischen auch auf der Fläche gegangen werden. Anbieter wie Emsu aus Aachen offerieren Komplettlösungen mit Bildschirmen für jeden Anwendungsbereich. Ob frei stehende, integrierte oder auch gekühlte Lösungen: Geschäftsführer Adrian Hoesch verweist im Gespräch mit der LP auf die vielfältigen Möglichkeiten für passgenaue und zielgruppengerechte Werbemaßnahmen mit Erfolgsgarantie. „Das digitale Einkaufserlebnis steigert die Abverkäufe in jeder Kategorie“, sagt der Manager des Retail-Media-Infrastrukturanbieters. Heute diene Retail Media lediglich als Werbekanal, künftig sei es als Teil der Infrastruktur des PoS-Marketings nicht mehr wegzudenken: Trade Marketing, Brand Advertising und Shopper Marketing werden nämlich — durch Daten getrieben — gezielt zum Nutzen der Händler und der Industrie gemeinsam gedacht. „Im Grunde verbindet Retail Media die Mediaausgaben mit dem Umsatz“, bringt es Hoesch auf den Punkt.
Prof. Carsten Kortum von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn pflichtet dem bei. Retail Media sei ein Hebel für eine höhere Profitabilität im Handel. Von diesem riesigen Kuchen sollten sich die Händler durch konsequentes und strategisches Investieren in digitales Marketing ein Stück abschneiden. Das Feld müsse nicht Amazon, Google oder sonstigen Plattformanbietern überlassen werden. Kortum verweist im Gespräch mit der LP darauf, dass nicht mehr Werbegelder im Umlauf seien. „Die Budgets werden nur anders verteilt“, betont er. Deshalb müsse der Kaufmann schnell handeln.
Retail Media ist jetzt bei den Selbstständigen angekommen. Vereinfacht ausgedrückt, können sie heute individuell mit Lieferanten verhandeln und sich eine weitere Einnahmequelle sichern. Stelen und Videoboards an den Gondelköpfen aufstellen und mit den richtigen technologischen Systemen verbinden – schon können Zielgruppen ganz spezifisch und effizienter erreicht werden. Die Marktforschung zeigt: Kunden fühlen sich von digitalen Produktanzeigen angesprochen. Retail Media setzt auch auf der Fläche die adäquaten Kaufimpulse und erhöht den Durchschnittsbon.