Galeria Kaufhof Befreiungsschlag gesucht

Galeria kämpft ums Überleben. Lokale Konzepte eröffnen Chancen beim Verbraucher. Die Übernahme von Häusern durch Kommunen ist eine Notlösung, um Frequenz in den Innenstädten zu halten.

Freitag, 01. März 2024 - Management
Matthias Mahr und Christina Steinhausen
Artikelbild Befreiungsschlag gesucht
Bildquelle: Matthias Mahr

Derzeit gibt es noch 92 Galeria-Häuser. Dabei wird es nicht bleiben. Das sagen Handelsexperten wie Professor Gerrit Heinemann, der als ehemaliger Kaufhof-Manager beste Einblicke ins Warenhausgeschäft hat. Bei Galeria werden Stimmen laut, die einen Befreiungsschlag fordern und damit die Last so manch einer Filiale meinen, die schon längst hätte aufgegeben werden müssen, aber meist auf ausdrücklichen Wunsch von René Benko im Portfolio blieb. Ihm ging es ausschließlich um die Immobilie und deren Verzinsung.

In Berlin zum Beispiel gehören aus unternehmerischer Sicht vier der acht Häuser dichtgemacht, sagen Insider. Inzwischen gibt es zu jeder der 92 Galeria-Filialen einen Steckbrief, der die wirtschaftlichen Kennziffern und den Stand von Technik sowie Ausrüstung umfasst. Bis Ende März soll Klarheit darüber herrschen, mit welchen Standorten es weitergeht. Storecheck am Rosenmontag nachmittags bei Galeria auf der Frankfurter Zeil: Das erst vor rund zwei Jahren generalüberholte Haus ist bestens frequentiert. Bereits der Samstag soll nach Aussagen eines Beschäftigten einem Vorweihnachtssonnabend geglichen haben.

Auf der Zeil bleibt die Schlagzahl hoch
„Totgeglaubte leben länger“, sagt ein altgedienter Mitarbeiter des Hauses, der schon unter Hertie-Flagge seinen Dienst versehen hat. Trotz Insolvenz habe es kaum Engpässe in der Warenversorgung gegeben. Die Regale sind bestens gefüllt und die Frankfurter in Kauflaune, nicht nur, weil satte Rabatte winken. Galeria Zeil lebt, obwohl auch hier 30 Prozent des Umsatzes als Mietzins auf das Ergebnis drücken. Normal seien nach Aussagen eines Mitarbeiters 7 bis 
12 Prozent. Frankfurt lockt mit einem Erlebniskauf. Verwöhnwelten mit Top-Marken in den Bereichen Handtaschen, Beauty, Uhren und Schmuck sowie Premium-Fashionmarken wie unter anderem Boss oder Marc O’Polo machen den Unterschied. Die großen Marken sind Shop-in-Shop integriert. Auch auf der Nonfood-Fläche stärkt dieses Prinzip bei WMF, Fissler sowie Zwilling den Abverkauf. Während Galeria nach jeder Insolvenz Mitarbeiter verliert, stehen bei den Top-Marken weiterhin eigene Mitarbeiter zur Beratung der Kunden bereit. „Die Beratung ist doch das, was Warenhäuser ausgezeichnet hat“, sagt ein Mitarbeiter, der jetzt für einen deutschen Markenhersteller arbeitet und zuvor bei Hertie angestellt war. In Frankfurt werde die Shop-in-Shop-Ware grundsätzlich über Galeria geordert. Es gilt das Filialdepot-Konzept: Galeria zahlt die Ware erst, wenn das Geld der Verbraucher in der Kasse geklingelt hat. Bis dahin verbleibt die Ware im Eigentum des Lieferanten. Galeria ist Frequenzbringer auf der Zeil, benötigt aber auch ein gutes Umfeld. Dass Peek & Cloppenburg insolvent sei, bereite Bauchschmerzen. Es fehle bereits Conrad Elec-tronics in der Nachbarschaft, und die Kundschaft der Marke Esprit werde schmerzlich vermisst, betont eine Galeria-Angestellte. In der Innenstadt greifen viele Bausteine ineinander.

90

Warenhäuser 
betreibt Galeria derzeit noch in Deutschland.

30

Prozent Mietzins vom Umsatz 
müssen einige Häuser schultern.

Im mittleren Management des Unternehmens ist inzwischen eine „Jetzt erst recht“-Mentalität ausgeprägt. Optimistisch blicken Filial- und Regionalleiter in die Zukunft. „Man fragt sich aktuell manchmal schon, warum die Leute noch zu uns einkaufen kommen – aber sie tun es. Es gibt einen Markt für Warenhäuser in Deutschland“, sagt einer, der Verantwortung trägt und an ein modernisiertes, jüngeres, lokaler aufgestelltes Unternehmen glaubt. Bis zu 
75 Filialen werden, so heißt es, bestehen bleiben. Diese werden lokaler agieren als bisher.

Die Markthallen bringen Frequenz
Lebensmittel werden im neuen Konzept eine wichtige Rolle spielen. Denn gerade an großen Standorten sorgen sie für Frequenz, gehören einfach dazu. Nachdem Peter Obeldobel, der die Lebensmittelgesellschaft zuletzt geführt hatte, das Unternehmen vor wenigen Wochen verlassen hat, kümmert sich seit Anfang Februar Klaus Lipka um den Food-Bereich. Dieser umfasst neben den Markthallen auch die Restaurants, Konzepte wie Pommeshelden, Sektbars und Delis. Der Lebensmittelbereich war 2023 profitabel und hat das Vor-Corona-Niveau längst wieder erreicht. Wie die neue Lebensmittel-Welt bei Galeria aussehen könnte? Da lohnt ein Blick zu Manor in der Schweiz: klein, fein, einmalig, lokal, frisch.
Nicht überall gelingt der Erhalt der Warenhäuser. In Hanau oder Lüneburg übernimmt die Kommune das Ruder: „Das sind nur Notlösungen, um die Innenstädte lebendig zu erhalten. Aber ich gebe zu bedenken, dass Städte keine Center-Manager sind. Das traditionelle Kaufhaus wird es schwer haben zu überleben“, meint Professor Carsten Kortum, Handelsexperte von der Dualen Hochschule in Heilbronn.