Marketing Bringen Gütesiegel mehr Wertschöpfung?

Gütezeichen auf Lebensmitteln signalisieren, dass es sich um Produkte mit besonderen Qualitäten handelt, die ihren Preis wert sind. Aber diese Strategie geht nicht immer auf.

Freitag, 19. Januar 2024 - Management
Gastbeitrag von Otto A. Strecker (Foto)
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Bildquelle: AFC

Der Markt für Siegel und Labels differenziert sich immer weiter aus in unterschiedliche Themengebiete und in immer speziellere Teilbereiche: Qualität, Herkunft, Fairness, Regionalität, Sensorik, Nachhaltigkeit, Soziales, Klimaschutz, Tierwohl und weitere mehr.

Als Reaktion auf die Vielfalt entstanden Meta-Labels, beispielsweise zunächst ein nationales, später ein EU-Biosiegel. Als Reflex darauf entstand wiederum etwa ein Siegel für „konventionelle“ Qualitätsware, das QS-Prüfzeichen. Weiteres Beispiel: Ein staatlich mitinitiiertes Regionalfensterprogramm; dieses soll die Vielfalt der hierzulande reichlichen Regional­siegel beherrschbar machen. Lebensmittelhändler begannen zusätzlich damit, eigene Labels an die Stelle unübersichtlich vieler, lizenzpflich­tiger Zeichen zu setzen.

Sinn und Zweck der Labels

Alle diese Ansätze verfolgen das Ziel, die Zahl der Siegel zu reduzieren, ohne auf die damit verbundene Botschaft verzichten zu müssen.
Einen weiteren Aspekt gilt es zu beachten: Discount-Ware und Handelsmarken sollen durch Gütesiegel in ihren Nutzenversprechen aufgewertet werden.

Die Agenda der Politik

Die Politik liebt Gütezeichen. Statt mit Verboten kann man sichtbare Zeichen im Wortsinne setzen. Renate Künast setzte als Landwirtschaftsministerin mit dem staatlichen Bio-Siegel ein Zeichen nach der BSE-Krise. Ex-Ent­wicklungshilfeminister Gerd Müller setzte mit dem Grünen Knopf ein Zeichen für soziale und ökologische Verantwortung in der Lieferkette für Textilien. Gleich drei Landwirtschaftsminister versuchten sich an einem staatlichen Tierhaltungszeichen als Statement gegen bestehende private Initiativen. Cem Özdemir führte es als Dritter in dieser Reihe schließlich ein. Es wirkt in der jetzigen Form weniger wie ein Absatzförderungsinstrument für Fleisch aus besseren Haltungsbedingungen als wie eine Warnung vor dem Verzehr tierischer Produkte.

Kaum ist das Label auf dem Markt, wird aus Özdemirs wissenschaftlichen Beirat bereits der Ruf nach neuen Zeichen laut. Gefordert wird ein Klima-Label und – noch bevor es das überhaupt gibt – schon ein übergrei­fendes staatliches und verpflichtendes Umweltlabel. Es könnte ziemlich eng werden auf der Vorderseite der Lebens­mittelverpackungen.

Das Ziel: Image-Transfer

Ein Ziel von Gütezeichen ist es, einen positiven Image-Transfer vom Label auf das Produkt zu erzeugen und die wahrgenommene Wertigkeit des Produktes im Themenfeld des Labels zu erhöhen. Jedes Label schwächt insofern die klassische Lebensmittelmarke. Es bringt zum Ausdruck, dass die Marke allein scheinbar nicht für die transportierte Botschaft des Labels stehen kann. Einzelne Zeichen, wie das Bio-Siegel oder DLG-Prüf­zeichen, können stärker werden als kleine und mittlere Marken.
Aufgewertet werden dadurch vor allem No-Name-Produkte als typische Discount-Ware. Sie stärken ihre Posi­tion im Wettbewerb. Wenn das Label funktioniert, verschieben sich Marktanteile in Richtung Preiseinstieg gegenüber dem Alternativ-Szenario ohne Label.

Achtung: Botschaft auf Zeit

Dieser Zusammenhang sollte der Politik zu denken geben. Labels konterkarieren den Effekt, der durch sie erreicht werden soll, nämlich die Wertschätzung und Wertschöpfung für die gekennzeichneten Produkte zu erhöhen – soweit es sich nicht um Discount-Produkte handelt. Eine Funktion erfüllen sie für Markenartikel allenfalls auf Zeit: nämlich ein relevantes Thema in die Markenbotschaft zu integrieren.

Kein Selbstläufer für die Marke

Premium-Marken brauchen keine Labels. Mittel-Marken hingegen nivellieren den Gehalt ihrer Markenbotschaft auf das Niveau von Handelsmarken und No-Name-Produkten. Das kann keine vielversprechende Marketingstrategie sein.