Diebstahlkriminalität Kleine Lawine losgetreten

Ein Kaufmann wird täglich von Tätergruppen mit Migrationshintergrund bestohlen und macht das öffentlich. Die Diskussion darüber hält an.

Freitag, 19. Januar 2024 - Management
Thomas Klaus
Artikelbild Kleine Lawine losgetreten
Bildquelle: Büro MdB Peter Aumer

Edeka-Kaufmann Konstantin Gatzke aus dem bayerischen Regensburg hat eine kleine Lawine losgetreten. Wegen einer regelrechten Flut an Diebstählen in seinem Markt im Donau-Einkaufszentrum (DEZ) platzte dem 48-Jährigen der Kragen. Er postete auf Facebook, nannte Ross und Reiter. Die Rede war von schwarz gekleideten Männern aus Asylwohnheimen, die sich jeden Tag ohne zu bezahlen die Taschen vollmachten. Die durchschnittliche Schadenshöhe bezifferte Gatzke öffentlich auf 300 bis 500 Euro – pro Tag. Besonders regte sich der Edeka-Kaufmann über das dreiste Vorgehen der Täter auf. Die würden in erster Linie teurere Waren ins Visier nehmen und beispielsweise gerne aus den Tiefkühltruhen Doraden oder Garnelen stehlen.

Polizei: Diebstähle häufen sich
Oft würden kleine Gruppen zuschlagen und später den Laden durch den Eingangsbereich wieder verlassen, nachdem ein wartender Komplize den Sensor für die Schranke betätigt hätte. Den Post auf Facebook hat Gatzke inzwischen gelöscht. Öffentlich äußern mag er sich zurzeit nicht mehr. Die örtliche Presse berichtet in diesem Zusammenhang von massiven Shitstorms im Internet. Aber die Diskussion über die von Konstantin Gatzke aufgespießte Kriminalitätsproblematik und den richtigen Umgang mit ihr geht trotzdem weiter.

Dass die Aussagen nicht aus der Luft gegriffen sind, bestätigt das zuständige Polizeipräsidium Oberpfalz auf LP-Anfrage. Polizeioberkommissar Claus Feldmeier sagt: „Die Polizei in Regensburg konnte seit Herbst 2023 Häufungen von Ladendiebstählen feststellen. Auffällig ist, dass in circa einem Drittel der Fälle die ermittelten Tatverdächtigen die tunesische Staatsangehörigkeit haben.“ Außerdem notiert die Polizei: Anscheinend sei eine kleine, arbeitsteilig vorgehende Personengruppe für eine Vielzahl von Delikten verantwortlich. Die Täter könnten zum Teil in einer drei Kilome­ter vom DEZ eröffneten Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge verortet werden.

Der auf den LEH spezialisierte Ladendetektiv Matthias Dreiucker, Leiter der Ladendetektive-Sektion im Bundesverband des Detektiv- und Ermittlungsgewerbes, kennt ebenfalls zahlreiche ähnliche Fälle wie die von Konstantin Gatzke geschilderten – und das bundesweit. Der Fachmann sieht einen engen Zusammenhang mit den offenen Eingängen in den Geschäften; die erleichterten Diebstähle. Matthias Dreiucker rät den Händlern zu mehr Überwachungstechnik und einem konsequenten Anzeigeverhalten: „Stets sollte die Polizei hinzugezogen werden.“

Minister Aiwanger solidarisiert sich
Doch die Sache ist sensibel, wenn die Tätergruppen einen migrantischen Hintergrund haben. Edeka Nordbayern-Sachsen-Thüringen zum Beispiel warnt gegenüber LP, eine Berichterstattung könne „schnell zu einer Stigmatisierung von Personengruppen führen“. Der Bayerische Flüchtlingsrat sieht das ähnlich. Er befürchtet „rechte Stimmungsmache“, die die Gesellschaft noch weiter spalten könne.

Die Gefahr der Stimmungsmache erkennt prinzipiell auch Christian Spielvogel, der für Regensburg verantwortliche Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern (HBE). Die von Gatzke angesprochene Kriminalität sei allerdings ein Fakt. Damit nicht hinter dem Berg zu halten, das findet Spielvogel auch im Sinne des Mitarbeiterschutzes „absolut richtig“. Aber Posts auf Facebook und Beiträge in anderen sozialen Medien böten stets das „Risiko der absichtlichen oder unabsichtlichen Fehldeutung“, meint der Geschäftsführer. Der HBE setze bei dem Thema stattdessen auf eine „fundierte Medienarbeit“, die Zusammenarbeit mit der Polizei und auf den engen Austausch mit der Politik. Zum Beispiel mit dem örtlichen CSU-Bundestagsabgeordne­ten Peter Aumer. Der traf sich mit Gatzke und schrieb daraufhin Bundesinnenministerin 
Nancy Faeser (SPD) einen Brief, in dem er sie zum Handeln aufforderte.

Solidarisch mit Konstantin Gatzke zeigt sich auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Er lässt LP wissen: „Ladendiebstahl ist ein Straftatbestand, der konsequent geahndet werden muss, um Wiederholungstäter abzuschrecken. Unabhängig von Nationalität, Herkunft oder Aufenthaltsstatus.“ Würden die Diebstähle bandenmäßig organisiert, sei es „umso schlimmer“. Die Taten – so Aiwanger – schadeten den ohnehin angegriffenen Bilanzen der Einzelhändler und den ehrlichen Kunden, die durch höhere Preise für den Schaden aufkommen müssten. Stillschweigen, betont der stellvertretende Ministerpräsident, sei der falsche Weg.

Diebischer Angriff auf eine weltoffene Branche

Kommentar von Thomas Klaus

Der Lebensmittelhandel ist eine der weltoffensten Branchen überhaupt – mit Kunden und Mitarbeitern aus aller Welt. Das Diskriminieren und Ausgrenzen von Menschen mit Migrationshintergrund passt nicht zum Menschenbild und Geschäftsmodell (fast) aller Händler. Edeka-Kaufmann Konstantin Gatzke ist da keine Ausnahme. Übrigens ist der Regensburger vor 33 Jahren aus Russland nach Deutschland gekommen, beschäftigt viele Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Aumer nennt Gatzke sogar ein „Musterbeispiel für einen ehrbaren Kaufmann“. Auf jeden Fall verkörpert er die für den LEH typische Weltoffenheit.

Missstände klar benennen
Doch Weltoffenheit und geöffnete Diebesbeutel schließen sich aus. Konstantin Gatzke und jeder andere Kaufmann haben jedes Recht zum Schutz ihres Eigentums und zum Anprangern von Ladendiebstählen, die sie bares Geld kosten und außerdem am Nervenkostüm der Chefs und Mitarbeiter zerren. Ob die Taten nun von Deutschen oder zum Beispiel von Tunesiern begangen werden (wie in Regensburg laut Polizei keine Ausnahme), darf nicht der entscheidende Punkt beim Publikmachen der Fälle sein. Denn erst das klare Benennen der Missstände macht individuell passende und sinnvolle Gegenstrategien möglich. Die braucht es. Und die fallen je nach Täterkreis unterschiedlich aus.