Ohne Seiteneinsteiger geht hier nichts. Wenn nicht jemand ganz quer daherkommt, stellen wir ein, wer sich bewirbt“, sagt Guido Empen, Geschäftsführer der Edeka Gebauer Märkte in Göppingen. Vakante Stellen zu besetzen gehört für das Unternehmen zum Tagesgeschäft, denn bei 750 Mitarbeitern in sieben Märkten ist ständig Bewegung in der Belegschaft. „Der größte Personalnotstand herrscht an den Bedientheken, doch die wenigsten Quereinsteiger wollen hier arbeiten – außer vielleicht gelernte Köche“, sagt der Geschäftsführer. Arbeitgeber müssen seiner Erfahrung nach viel in Kauf nehmen, denn bei der jetzigen Arbeitsmarktsituation ist der Arbeitnehmer in der stärkeren Position.
Quereinsteiger mit hohen Gehaltsforderungen
Hinzu kommt: „Wir befinden uns im Stuttgarter Speckgürtel, wo die Automobilindustrie ein riesiger Wettbewerber ist – nicht nur für unsere Branche. Die zahlen Gehälter, da werden Sie blass! Kein Wunder, dass bei Daimler mehr Metzger schaffen als im LEH!“, sagt Guido Empen. Entsprechend hoch seien auch die Gehaltsforderungen der Quereinsteiger: „Manche fordern Stundenlöhne von 24 bis 31 Euro, wo ich sagen muss: So groß ist unsere Not auch wieder nicht.“ Seine Quereinsteiger bekommen zumindest anfangs einen geringeren Stundenlohn als gelernte Kräfte. Wenn dieser Mitarbeiter nach einiger Zeit genauso gute Leistungen bringt wie eine Fachkraft, können die Gehälter auch gleichgesetzt werden.
Guido Empen hat die Erfahrung gemacht, dass mehr als die Hälfte der Quereinsteiger nach zwei Monaten wieder aufhört, da ihnen die Arbeit zu anstrengend ist. Um sie länger an den jeweiligen Markt zu binden, zeigt Edeka Gebauer ihnen die Premiumseiten: „Wir bieten ihnen zum Beispiel eine Tätigkeit in ihrem gewünschten Bereich an, bieten Schulungen an und richten uns mit den Arbeitszeiten nach ihren Wünschen. Wenn wir sie direkt in der Spätschicht oder nur samstags einsetzen, sind sie sofort wieder weg.“
Mitarbeiter fair behandeln
Eine ganz andere Situation zeigt sich bei Elmar Engel, Inhaber des Rewe-Marktes Familie Engel in Biberach an der Riss. Es klingt wie ein Märchen, wenn er sagt: „Ich hatte noch nie Probleme, Fachpersonal zu bekommen.“ Seitdem er den 1.500 Quadratmeter großen Markt vor fünfeinhalb Jahren als Selbstständiger übernommen hatte, hat er noch nie eine Stelle ausgeschrieben. Im Gegenteil: Die Bewerber kommen aktiv auf ihn zu. „Wenn man die Mitarbeiter fair behandelt und fair bezahlt, dann bekommt man auch Arbeitskräfte“, spricht Elmar Engel aus Erfahrung.
Fair behandeln heißt für ihn: Alle Mitarbeiter werden nach Tarif bezahlt – plus Weihnachts- und Urlaubsgeld. Und jeder bekommt einen unbefriste-ten Arbeitsvertrag. „So kann ich gute Leute an mein Unternehmen binden“, sagt der Rewe-Kaufmann. Eine Fluktuationsrate von nur 10 Prozent spricht für sich. Er beschäftigt sieben Quereinsteiger im Markt, zwei an der Fleisch- und Wurst-Bedientheke und die anderen an der Kasse sowie im Markt. Seine wichtigste Anforderung an sie ist, dass sie ein offenes Wesen haben. Das nötige Know-how wird ihnen in internen Schulungen vermittelt.
Die guten Arbeitsbedingungen bei Rewe Familie Engel sprechen sich herum. Immer wieder bekommt er Initiativbewerbungen. „Wenn zum Beispiel eine gute Bewerbung für die Bedientheke dabei ist, greife ich zu, auch wenn ich gerade kein Personal benötige“, sagt Elmar Engel. Sein Leitsatz lautet nämlich: „Heute schon an morgen denken.“ Denn: Wenn an der Bedientheke eine Arbeitskraft für längere Zeit ausfällt, kann er sie sofort eins zu eins ersetzen. Seiner Beobachtung nach achten viele selbstständige Kollegen nur auf die Kosten. Man müsse aber das gesamte Paket sehen. Elmar Engel: „Ich habe zwar eine andere Philosophie und muss höhere Personalkosten in Kauf nehmen (ca. 13 Prozent des Netto-Umsatzes). Über die Jahre habe ich mir aber einen guten Ruf erarbeitet.“
Gesellschaftspolitische Verantwortung
„Menschen mögen und lächeln können, das sind die wichtigsten Kriterien an meine Mitarbeiter. Den Rest können wir ihnen beibringen“, lautet die Kernbotschaft von Paul Nowak, Geschäftsführer Nowak Frischemarkt in Iserlohn. Was Quereinsteiger und ungelernte Mitarbeiter betrifft, fühlt sich der Kaufmann gesellschaftspolitisch in der Pflicht: Er kümmert sich auch um Menschen, die schwer vermittelbar sind oder die aufgrund von Behinderungen auf dem normalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt keine oder kaum eine Chance haben. „Wir brauchen eine offene Kultur! Es ist mir eine Herzensangelegenheit, diese Menschen zu integrieren, auch wenn es nicht immer leicht ist“, ist der Kaufmann überzeugt.
Als das Jobcenter einen gelernten Friseur vermitteln wollte, der langzeitarbeitslos und sehr schwer vermittelbar war, hatte Paul Nowak ernsthaft überlegt, ob er ihn überhaupt einstellen soll. Doch er gab sich einen Ruck und setzte den jungen Mann an der Fleisch- und Wursttheke ein. „Die Kollegen schulten ihn und siehe da: Schon nach einer kurzen Einarbeitungszeit ‚rockt‘ er die Theke. Als gelernter Friseur kann er mit Kunden umgehen und er ist kommunikativ. Er ist eine Bereicherung für uns“, freut sich Paul Nowak.
Behinderte Menschen integrieren
Natürlich ist er froh, dass er viele gute Fachkräfte für seinen Markt gefunden hat. Er weiß aber auch: „Wir brauchen nicht nur Häuptlinge, sondern auch Indianer, die Leergut sortieren, SB-Wurst nach MHD kontrollieren oder Grillspieße bestücken. Das können keine Maschinen“, so der Kaufmann. Mit einfachen Tätigkeiten gibt er zum Beispiel Menschen, die in einer Behinderteneinrichtung wohnen, eine Aufgabe und eine Tagesstruktur. „Diese Frauen und Männer entwickeln sich dadurch weiter, man muss sich nur um sie kümmern“, sagt Paul Nowak. „Ich weiß, dass ich meinen Führungskräften damit etwas zumute, aber wir gehen mit unserem Integrationsgedanken in die richtige Richtung“, ist er überzeugt. Und er erfährt Anerkennung dafür: „Die Kunden wissen, dass Fehler passieren können. Die bügeln wir aber sofort wieder aus. Damit haben wir uns als Arbeitgeber sowie als kunden- und serviceorientierter Markt einen guten Ruf erarbeitet.“
Tipps für das Recruiting
Viele Händler sind froh, wenn sie überhaupt Bewerbungen bekommen. Um etwas Schwung in die Sache zu bringen, rät Katharina Weinert, HDE: „Neben dem Recruiting über Inserate in der Zeitung, die eigene Internetseite oder Online-Jobbörsen empfehle ich, einen Aushang am Pfandautomaten zu machen. Auch Durchsagen im Markt und die Kommunikation von offenen Stellen durch die Mitarbeiter in ihrem privaten Umfeld können für Aufmerksamkeit sorgen. Zudem empfiehlt es sich, Stellenangebote über die Social-Media-Kanäle zu posten.“ Hier können Händler ihre angebotenen Ausbildungsberufe und ihr Unternehmen vorstellen. Mehr noch: Wenn Mitarbeiter in kurzen Videos über ihren Arbeitsalltag berichten, können sich Bewerber besser ein Bild von der Tätigkeit machen, die sie erwartet. Und: Vorurteile wie das, man müsse von Montag bis Samstag durchgängig arbeiten, lassen sich ausräumen.
Für ein Bewerbungsgespräch empfiehlt die Expertin, die Interessen der Bewerber „herauszukitzeln“: Wofür interessieren sie sich? Was können sie? „Wenn ein Bewerber sehr gut kochen kann, ist er vielleicht ein guter Kandidat für die Eigenproduktion von frischen Produkten. In vielen Fällen gelingt es, die Leidenschaft zum Beruf zu machen“, so Weinert. „Der Händler sollte in der Zeit vom Vertragsabschluss bis zum Arbeitsbeginn unbedingt mit dem neuen Mitarbeiter in Kontakt bleiben. Es ist bei der aktuellen Arbeitsmarktlage schon häufiger vorgekommen, dass Bewerber mehrere Angebote annehmen und dann bei den ausgemusterten Arbeitgebern einfach nicht erscheinen. Dann beginnt die mühsame Mitarbeitersuche wieder von vorn.“