Spielwarenhandel Mytoys hat ausgespielt

Mit Mytoys wagte die Otto Group den Schritt in die Spielware und hat mit diesem Engagement jahrelang Geld verbrannt. Rund 500 Millionen Euro Umsatz werden jetzt frei – mit Chancen auch für den LEH.

Freitag, 21. April 2023 - Management
Matthias Mahr
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Bildquelle: MyToys

Während Dr. Michael Otto seinen 80. Geburtstag feiert und durch Fernsehshows wie „Markus Lanz“ tourt, haben etwa 800 Mitarbeiter bei Mytoys nichts zu lachen. Die Hamburger Otto Group stellt den Geschäftsbetrieb der Spielwarenplattform Mytoys.de ein und schließt bis Februar 2024 alle 19 Filialstandorte sowie die Verwaltung in Berlin. Die Marke Mytoys werde künftig ausschließlich auf der Otto-Plattform angeboten, teilte der Konzern mit. Von dieser Mitteilung waren die Mitarbeiter geschockt; es soll dafür keinerlei interne Anzeichen gegeben haben. In Stuttgart wurde im Milaneo-Center sogar einen Tag vor dem Verkünden des Mytoys-Aus noch ein neuer Store eröffnet. Fast ein Vierteljahrhundert überlebte Mytoys im harten Kampf um Marktanteile, jetzt ist Schluss. „Im wettbewerbsintensiven und margenschwachen Spielzeugmarkt ist das bisherige monothematische Multichannelkonzept nicht weiter erfolgreich umzusetzen“, heißt es aus der Hamburger Konzernzentrale. Auf rund 500 Millionen Euro Umsatz kam MyToys zuletzt, über 90 Prozent der Erlöse wurden digital erwirtschaftet. Annähernd 95 Prozent der Unternehmensanteile liegen bei Otto. Seit Juni 2020 führen Martin Schierer als CEO sowie Tobias Nieber als CFO die Mytoys Group. Ab 2021 verstärkte Katrin Behrens (CTO) die Geschäftsführung des Spielwarenhändlers.

Das Ende kommt nicht überraschend
Für Kenner der Spielwarenszene in Deutschland kommt das Aus plötzlich, aber nicht überraschend. „Die haben nie Geld verdient und waren im Markt fast immer die Günstigsten“, berichtet ein Experte aus dem Handel, der nicht genannt werden will. Nur im Corona-Boom seien die Zahlen kurzzeitig ausgeglichen gewesen, sonst seien nur Verluste geschrieben worden. Derzeit werde von einem Bilanzverlust in Höhe von 240 Millionen Euro gesprochen. Es sei vorgekommen, dass Mytoys 25 Prozent unter üblichen Einstandspreisen die Spielwaren im stationären Handel angeboten habe. Sein Fazit lautet deshalb: „In Summe gewinnt die stationäre Spielwarenbranche, weil wir jetzt die Chance haben, dass die Margen wieder ins Lot kommen.“ Besonders der Fachhandel könne davon profitieren.

LEH müsste bei Spielwaren neu denken
Hermann Hutter, u. a. Vizepräsident des HDE und Vorsitzender des Branchenverbandes Spieleverlage, betont hingegen: „Für den Spielwarenmarkt ist es schon ein Schock, wenn ein renommierter Player vom Markt geht.“ Der Markt hat sich nach Aussagen von Hutter, der mit seinem Spieleverlag „Huch!/Hutter Trade“ international erfolgreich tätig ist, in den zurückliegenden zehn Jahren sehr gut entwickelt. Eltern kauften stets hochwertigere Spielwaren ein. Der Handelskenner verweist auch auf die Folgen für die Innenstädte. Nach Gerry Weber, Esprit, Galeria und den Schwierigkeiten bei Peek & Cloppenburg fehle ein weiterer Mosaikstein in den Einkaufsstraßen. Hutter sagt: „Ohne Zielkäufe gibt es keine Profite in der Nachbarschaft. Bei den verbliebenen Geschäften gehen dann auch Impulskäufe zurück. In der Spielware landet der Zielkauf künftig verstärkt bei Müller, Thalia oder Amazon.“

Hutter sieht jedoch auch Chancen für den LEH. „Wer hochwertige Lebensmittel kauft, sucht auch nach hochwertigen Spielwaren“, lautet sein Hinweis auf Walmart und Target in den USA, die umfangreich stationär und online Spielwaren verkaufen. „Das Angebot im LEH muss den Zielkunden im Blick haben. Wer das anbietet, was alle haben, bleibt unter den Möglichkeiten“, ist er sich sicher. Qualität müsse auf der Fläche geboten werden und eben nicht die Billigware aus China.

Mit dieser Sicht steht Hutter nicht allein da. Tassilo Zimmermann, Nonfood-Dozent an der DHBW in Heilbronn, sieht die Chancen für den LEH kritisch: Spielware ist dort nie Kompetenz, sondern reines Impulsgeschäft etwa vor Ostern und Weihnachten. Meist beginnen im LEH bereits im Oktober die Preise zu purzeln. „Die Regalmeter fristen oft ihr Dasein, Kundenstrukturanalysen gibt es nicht“, moniert er. Ein Umdenken sei erforderlich, nur dann könne der LEH ein Stück vom Mytoys-Kuchen haben.