Weltrecyclingtag Hochgesteckte Ziele werden verfehlt

Verpackungen sind Wertstoffe. Was bei Glas, Metall und Papier bereits sehr gut funktioniert, steckt bei Kunststoffen noch in den Kinderschuhen. Besonders Recyclingkapazitäten müssen deutlich ausgebaut werden.

Montag, 10. April 2023 - Management
Matthias Mahr
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Bildquelle: marks GmbH

Am 18. März war Weltrecyclingtag. 2018 ins Leben gerufen, soll er seither auf die Bedeutung des Recyclings für die Erhaltung unserer wertvollen Primärressourcen und die Sicherung der Zukunft unseres Planeten aufmerksam machen, heißt es auf der Homepage des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Am Weltrecyclingtag komme die Welt zusammen und setze den Planeten an die erste Stelle, heißt es salbungsvoll weiter. Ziel sei es, darüber zu informieren, dass Recycling einen globalen Ansatz erfordere und Ressourcen nicht als Abfall betrachtet würden, sondern eine Wiederverwendung verdienten.

Es fehlt an Post-Consumer-Rezyklat
Eine Bestandsaufnahme zum Recycling in Deutschland zeigt: Glas, Papier und Metalle haben eine hervorragende Recyclingquote von bis zu 92 Prozent. Ernüchterung folgt bei den Kunststoffen. Die aktuellsten Zahlen zu den Stoffströmen stammen von 2021: In diesem Jahr wurden 99,4 Prozent der in Deutschland gesammelten Kunststoffabfälle insgesamt verwertet. Das klingt gut. Leider entfielen davon nur 1,98 Millionen Tonnen (35 Prozent) auf die stoffliche Verwertung. Knapp 65 Prozent der Kunststoffabfälle wurden weiterhin energetisch verwertet – also verbrannt. Diese Kunststoffe gingen somit dem Stoffkreislauf verloren. Immerhin: Weniger als 1 Prozent der Kunststoffabfälle wurden deponiert. Was aber schwerer wiegt: Der Einsatz von Rezyklaten (PCR) aus Post-Consumer-Abfällen, also Leichtverpackungen, konnte sich von 2019 bis 2021 lediglich von 7 auf 9 Prozent verbessern.

Die Zahlen zeigen: Besonders beim Recycling von Verpackungen aus Kunststoff ist weiterhin viel Luft nach oben. Folglich könnten die Ziele, die sich Handel und Industrie beim Einsatz von Rezyklaten gesetzt haben, infrage gestellt sein. Zudem: Wo liegt der Nutzen für die Umwelt, wenn die großen Konsumgüterriesen wie Nestlé ihre Verpackungen bis 2025 zu 100 Prozent recyclingfähig gestalten, sie dann aber doch größtenteils wieder in der energetischen Verwertung landen sollten? Nestlé plant, bis 2025 den Einsatz von Neu-Kunststoff um ein Drittel zu reduzieren. Offen bleibt auch hier, wo die PCR-Kunststoffe in der benötigten Menge herkommen sollen, zumal lebensmittelrechtliche Vorgaben ihren Einsatz als Verpackungen im Direktkontakt beispielsweise mit Wurstwaren derzeit unmöglich machen. Wasch- und Reinigungsmittelhersteller wie Werner & Mertz haben zumindest dieses Problem nicht.

Die Stoffstromzahlen wurden von Kunststoffverbänden erhoben. Sie beziehen sich auf Deutschland. Für Europa und global betrachtet sind die Statistiken schlechter. In Osteuropa etwa gibt es bis dato keine funktionierenden Sammelsysteme.

Besser sammeln, mehr recyceln

Druck kommt von der europäischen Politik: Bis 2030 soll ein Mindest-Rezyklatanteil von 10 bis 35 Prozent für alle Kunststoffverpackungen erreicht werden, bis 2040 steigen die Vorgaben auf 50 bis 65 Prozent. Außerdem pocht die neue EU-Verpackungsrichtlinie auf die vermehrten Mehrwegverpackungen mit Pfandsystemen. Die ambitionierten Ziele rütteln die gesamte Wertschöpfungskette wach.

Handel und Konsumgüterindustrie haben sich längst bewegt. Mit den dualen Systemen haben sie Initiativen wie „Mülltrennung wirkt“ ins Leben gerufen. Der Verbraucher muss zwingend ins Boot geholt werden, wenn die Ziele der Kreislaufwirtschaft erreicht werden sollen. „Noch immer erschwert falsch entsorgter Abfall in der Gelben Tonne oder im Gelben Sack das Recycling wertvoller Rohstoffe. Umgekehrt gehen Wertstoffe aus falsch in den Restmüll geworfenen Verpackungen für immer verlo‧ren“, sagt Axel Subklew, Sprecher der Initiative „Mülltrennung wirkt“. Fest steht: Verpackungsrecycling kann nur funktionieren, wenn Abfälle richtig getrennt und entsorgt werden. Je mehr und je besser, desto größer sei der Nutzen für die Umwelt, betont Subklew. Es kann nämlich nur recycelt werden, was zuvor gesammelt wurde. Recyclinganlagen für Leichtverpackungen werden derzeit bundesweit ausgebaut. Auch für gebrauchte Getränkekartons entsteht eine weitere PE-Alu-Recyclinganlage bei Köln. Und die Schwarz-Gruppe hat längst erkannt: Verpackungsabfälle sind Rohstoffe. Mit Prezero haben Lidl und Kaufland das Abfallmanagement in die eigene Hand genommen und sich unabhängig vom Markt gemacht.