Interview Patrick Steppe „Frische wird erweitert“

Lekkerland-Chef Patrick Steppe spricht über die Zusammenarbeit mit Eigentümer Rewe und das „Netzwerk der Zukunft“.

Freitag, 17. Februar 2023 - Management
Manuel Glasfort
Artikelbild „Frische wird erweitert“
Bildquelle: Peter Eilers

Wie hat sich das Geschäft von Lekkerland seit der Übernahme durch Rewe Anfang 2020 verändert?
Patrick Steppe:
Ich möchte die Frage gern aus zwei Blickwinkeln beantworten. Seit bald drei Jahren agieren wir unter dem Dach der Rewe Group. Innerhalb der Rewe Group bilden wir das seitdem neue und ergänzende Geschäftsfeld Convenience. Wir sind also nicht eingebaut, sondern angebaut worden. Von außen betrachtet hat sich an unserem Kern und Aufbau nichts verändert: Wir sind die Experten für Convenience und wollen unsere Kunden dabei unterstützen, die Wachstumschancen des Außer-Haus-Konsums zu nutzen. Dafür bieten wir ihnen eine einzigartige Kombination aus Großhandelssortiment, Logistik-Leistungen und verschiedenen Dienstleistungen an. Aber natürlich haben wir uns auch verändert: Das sieht man, wenn man näher hinschaut – sozusagen durch die Fenster ins Innere. Der Zusammenschluss sollte das Beste aus zwei Welten zusammenführen – und das hat aus unserer Sicht auch sehr gut geklappt. Unsere Expertise in den Bereichen Convenience und Feinlogistik wird ergänzt durch das Know-how im Category-Management und die starke Marke von Rewe. Das schlägt sich in vielen Bereichen nieder, beispielsweise im Sortiment oder in unseren Shop-Formaten.

Gleichzeitig hat sich im Convenience-Segment zuletzt einiges getan – nicht nur durch die Corona-Pandemie …
Richtig. Die Veränderungen des Convenience-Segments sind durch verschiedene gesellschaftliche und technologische Entwicklungen getrieben und durch die Corona-Pandemie teilweise noch verstärkt und beschleunigt worden. Nehmen Sie die wachsende Bedeutung von E-Mobilität, nachhaltigem Konsum oder von digitalen und automatisierten Lösungen. Aus diesen Veränderungen ergeben sich für Lekkerland Herausforderungen, aber vor allem Wachstumschancen. Das gilt natürlich auch für unsere Kundinnen und Kunden. Das ist eine große Chance. Diese nutzen wir, indem wir unter anderem unsere Logistik fit machen für die Anforderungen des Außer-Haus-Konsums der Zukunft – im Rahmen des Projekts „Netzwerk der Zukunft“ bis 2030. Dafür ist unser Eigentümer bereit, einen dreistelligen Millionenbetrag zu investieren.

Wie haben sich der Umsatz und die Zahl der belieferten Verkaufsstellen entwickelt?
Die letzten beiden Jahre waren geprägt von der Corona-Pandemie. Die Menschen waren weniger unterwegs, viele der von uns belieferten Shops wurden weniger frequentiert oder zeitweise geschlossen. Wir sind stolz, dass wir für unsere Kunden auch in dieser Zeit ein zuverlässiger Partner waren. Gemeinsam sind wir durch diese Krise gegangen. Dadurch haben wir auch unsere Umsatzziele erreicht. Im Jahr 2021 hat unser Geschäftsfeld Convenience europaweit rund 13,7 Milliarden Euro umgesetzt, mehr als 4 Prozent mehr als 2020.

Ist die Integration in den Rewe-Konzern bereits komplett abgeschlossen?
Als Convenience-Sparte der Rewe Group ist Lekkerland in den Bereichen eigenständig, in denen dies für die speziellen Anforderungen des Convenience-Segments sinnvoll oder erforderlich ist. Dies sind beispielsweise Logistik, Vertrieb oder Category-Management. Es gab also keine Integration im klassischen Sinne, aber es gibt natürlich einen intensiven Know-how-Austausch und eine enge Zusammenarbeit in Bereichen, wo wir gemeinsam besser und/oder schneller sind. Ebenso gab es einige organisatorische Neuaufstellungen. Beispielsweise verantworten wir bei Lekkerland heute das Convenience-Format Rewe To Go.

13,7 Mrd. Euro

hat Lekkerland 2021 europaweit im Geschäftsfeld Convenience umgesetzt.

51.300

Verkaufsstellen belieferte Lekkerland 2021 in Deutschland.

5.100

Mitarbeiter hat Lekkerland, davon 3.235 in Deutschland und jeweils Hunderte in Belgien, Spanien und den Niederlanden.

Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Ganz generell kann ich sagen: Die Zusammenarbeit mit Rewe macht richtig viel Spaß! Wir haben ein gemeinsames Verständnis darüber, wo wir Wachstumschancen sehen, für beide Unternehmen steht der Kunde im Mittelpunkt – und wir haben ähnliche Unternehmenskulturen. Das erleichtert vieles.

Inwieweit profitiert Lekkerland vom neuen Eigentümer und umgekehrt? Gibt es Kannibalisierungseffekte?
Wir profitieren vor allem von den umfassenden Kenntnissen aus dem Lebensmittelhandel, betreffend Verhalten und Wünsche von Endverbrauchern. Umgekehrt ist für unseren Eigentümer unsere Convenience-Expertise hilfreich. Auf vielen Feldern arbeiten wir eng zusammen, beispielsweise bei der Entwicklung und Pilotierung von autonomen Shop-Lösungen. Unter dem Strich hat der Zusammenschluss für uns bei Lekkerland neue Möglichkeiten eröffnet, unser Geschäft und das Angebot für unsere Kunden weiterzuentwickeln. Ein Beispiel hierfür ist das „Logistiknetzwerk der Zukunft“, das wir bis 2030 aufbauen wollen. Dank der Bereitschaft der Rewe Group, umfassend zu investieren, können wir unsere Logistik-Infrastruktur derart optimieren, dass wir ideal aufgestellt sind für die Wachstumschancen von heute und morgen.

Bilden die Tankstellen weiterhin das Rückgrat des Geschäfts, oder hat es eine Verschiebung hin zum klassischen Lebensmitteleinzelhandel gegeben?
Lekkerland steht für Großhandel und Convenience, nicht für den Lebensmitteleinzelhandel. Unser gemeinsames Ziel war und ist es, Kompetenzen zu bündeln und zusammen Wachstumschancen im Außer-Haus-Konsum zu nutzen. Diese Wachstumschancen sehen wir in verschiedenen Bereichen. Dabei werden Tankstellenshops immer eine wesentliche und bedeutende Kundengruppe für uns sein.

Was hat sich für die Lekkerland-Kunden mit Blick auf Produktauswahl und Preise getan?
Hinsichtlich des Sortiments waren wir auch in der Vergangenheit gut und sehr breit aufgestellt. Eine Entwicklung, die unseren Kunden gerade jetzt zugutekommt, ist die Weiterentwicklung unseres Eigenmarken-Sortiments. Da haben wir in den letzten beiden Jahren stark vom Know-how der Rewe profitiert. Zusätzlich bieten wir unseren Kunden heute Module an, die Produkte und Eigenmarken aus dem Rewe-Sortiment enthalten.

Tankstellen und Kioske

Lekkerland beliefert vor allem Tankstellen und Kioske mit Tabakwaren und Snacks, außerdem ist das Unternehmen im Großhandel aktiv. Rewe wollte mit der Übernahme am 1. Januar 2020 vor allem seine Position im Außer-Haus-Verzehr stärken. Bereits vor der Fusion war Rewe in dem Segment aktiv: Es hatte Rewe-To-Go-Shops in Aral-Tankstellen eingerichtet, nachdem Lekkerland Aral als Großkunden verloren hatte.

Umsatzbringer Zigaretten

Ein Großteil des Umsatzes von Lekkerland entfällt auf Zigaretten und andere Tabakwaren. Im Jahr 2018 machten diese Produkte fast 80 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Seit der Übernahme wird der Umsatz nicht mehr nach Produktgruppen aufgeschlüsselt. Unter den alten Eigentümern von Lekkerland war Japan Tobacco mit 25 Prozent einer der Hauptanteilseigner.

Welche Zukunftspläne verfolgen Rewe und Lekkerland?
Die Rewe Group und Lekkerland sind überzeugt vom Erfolg des Convenience-Segments. Wir sehen in vielen Bereichen Wachstumschancen für uns und unsere Kunden. Ein Beispiel sind automatisierte Shop-Lösungen. Verbraucher wollen sich heute einfach, schnell und unabhängig von Öffnungszeiten unterwegs versorgen können. Daher sehen wir viele mögliche Anwendungsfälle für autonome Shop-Lösungen und testen diese. Auch nimmt die Nachfrage nach frischen Produkten, die bequem unterwegs verzehrt werden können, weiter zu. Vor diesem Hintergrund errichten wir das „Logistiknetzwerk der Zukunft“.

Wie weit sind Sie denn aktuell mit dem „Logistiknetzwerk der Zukunft“, das bis 2030 realisiert werden soll?
Mit dem Projekt „Netzwerk der Zukunft“ werden wir unsere Frische- und Tiefkühl-Kapazitäten in den nächsten Jahren massiv erweitern, neue Standorte errichten und bestehende modernisieren. Dabei liegen wir absolut im Zeitplan. Ende 2022 haben beispielsweise unsere ersten beiden neuen Standorte den Betrieb aufgenommen. Unser neues Regionallager in Kerpen bei Köln ist nun für die Belieferung von Kunden im Rheinland zuständig. Und der neue Standort in Wedemark bei Hannover wird sukzessive die Rolle des Zentrallagers für Norddeutschland übernehmen.