Veganuary Veganer Probelauf

Die „Bewegung“ Veganuary will Verbraucher von den Vorteilen einer rein pflanzlichen Ernährung überzeugen und ihnen den Einstieg erleichtern. Zum dritten Mal wird der vegane Januar in Deutschland beworben. Wie bedeutend ist der Vermarktungsanlass für Lebensmittelhandel und -hersteller?

Donnerstag, 13. Januar 2022 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Veganer Probelauf
Bildquelle: Getty Images

Food-Challenge mit Promi-Faktor und Hashtag-Gewitter: Der sogenannte Veganuary (eine Verschmelzung der englischen Worte „vegan January“) bewegt die Food-Branche wie kaum ein Neujahrs-Vorsatz zuvor. Ging es früher nach den Festtagen noch um den Verzicht auf Kalorien zum Wohle der Figur und persönlichen Gesundheit, sind höhere Ziele Treiber des aktuellen Trends. Umwelt- und Klimaschutz zum Beispiel. Hierzu wirbt die Non-Profit-Organisation Veganuary, welche die gleichnamige Bewegung 2014 in England ins Leben gerufen hat, mit konkreten Zahlen: Stellen eine Million Menschen ihre Ernährung für 31 Tage von einer Mischkost auf eine tierfreie Kost um, werden 103.840 Tonnen CO2-Äquivalente und 6,2 Millionen Liter Wasser eingespart. Die Daten beruhen auf Berechnungen von Oxford-Wissenschaftler Joseph Poore.

Mehr als 1,5 Millionen Menschen weltweit hatten sich bis einschließlich der letzten Kampagne auf der Veganuary-Website registriert. „Daten des Marktforschungsunternehmens Kantar zeigen außerdem, dass bis zu zehnmal so viele Personen tatsächlich beim Veganuary mitmachen“, so Katharina Weiss-Tuider, Leiterin der Organisation in Deutschland. Für den Nachahmer-Effekt und Glamour-Faktor sorgen Stars wie Paul McCartney, Timo Hildebrand, Bryan Adams, Venus Williams oder Dr. Eckart von Hirschhausen. Social Media befeuert die Kampagne. Der Hashtag #Veganuary erreichte bis Ende Januar 2021 mehr als 170 Millionen Menschen allein auf TikTok.

Die Kampagne wird hierzulande aktuell erst zum dritten Mal durchgeführt. Doch schon jetzt hat sie für Handel und Industrie eine große wirtschaftliche Schlagkraft entwickelt. So richten Hersteller ihre Entwicklung und veganen Produktlaunches bereits auf den Probemonat aus, und immer mehr Händler setzen in den ersten 31 Tagen des neuen Jahres pflanzliche Lebensmittel in Szene. 566 neue pflanzliche Produkte kamen gezielt zum Januar 2021 weltweit auf den Markt, 116 davon in Deutschland.

Hohe Beteiligung in Deutschland
2022 präsentieren nach Angaben der Organisation mehr als 200 deutsche Handelsunternehmen, Hersteller und Gastronomen neue rein pflanzliche Produkte und Aktionen zur Kampagne. „Angesichts des massiven Engagements der deutschen Wirtschaft wird der Lebensmittelmarkt im Januar 2022 einen weiteren veganen Boom erleben“, prognostiziert Weiss-Tuider.

Schon im vergangenen Jahr bewirkte der Probemonat positive Umsatzeffekte. Das ergab eine Umfrage der Lebensmittel Praxis aus dem November/Dezember 2021. Ein Plus von durchschnittlich 20 Prozent im veganen Segment verzeichneten die befragten Handelsmanager für Januar 2021 im Vergleich zum Vormonat. Dabei berichteten knapp 29 Prozent der Befragten von einer steigenden Nachfrage nach veganen Produkten in ihren Märkten, obwohl sie den Veganuary bisher selbst nicht aktiv beworben hatten.

Nachfrage deutlich angekurbelt
Der positive Effekt ist sogar nachhaltig. „Der Veganuary erfreut sich in Deutschland einer immer größer werdenden Beliebtheit und hat immense Auswirkungen auf den Markt der pflanzlichen Fleischalternativen“, weiß Anja Grunefeld, General Manager DACH, Livekindly (Like Meat, Oumph!). Die Bewegung bringe deutlich mehr Relevanz zu einer bewussteren, pflanzenbasierten Ernährung, die über den Monat Januar hinausgehe. „So konnte der gesamte Markt für Fleischalternativen bis November 2021 ein Wachstum von 33 Prozent verbuchen“, weiß Grunefeld. Kein Wunder also, dass das Thema in diesem Jahr noch einmal größer in den Medien und Handzetteln von Lebensmittelhandel und Drogisten gespielt wird. Die Zentralen zeigen sich engagiert und kreativ.

Mit dem Kampagnen-Slogan „Probier’s vegan“ motivieren derzeit Lidl und dm Drogeriemarkt. Bei Rossmann heißt es „vegan l(i)eben“. Der Fokus liegt neben pflanzlichen Lebensmitteln auch auf veganer Kosmetik. Neu dabei ist Edeka. „Vegan genießen. Umwelt schonen“, argumentieren die Genossen und rufen Kunden auf: „Werden Sie #Ve-ginner!“ Unter dem Hashtag sind zahlreiche Aktivitäten auf allen Kanälen geplant. Zur Verfügung gestellt werden Rezepte, Wochenpläne sowie Tipps und Motivation zum Einstieg in eine vegane Ernährungsweise. Die Kundenzeitschrift „Mit Liebe“ ist als Vegan-Spezial in Rekordauflage ins Jahr 2022 gestartet.

Erstmals aktiv sind auch Metro, Combi und Kaufland sowie Kochbox-Versender Hello Fresh. Außerdem dabei: Tegut, Budni, Famila Nord-Ost und Basic.

Schon zum dritten Mal engagiert sich Globus. Mehr als 450 vegane Artikel sind in den 51 Globus-Märkten zu finden. Dabei wird das Sortiment stetig erweitert, jüngst zum Beispiel durch vegane Produkte unter der Eigenmarke „Globus Fresh ’N’ Go“, darunter veganer Backfisch oder Filetstücke Like Beef teriyaki.

Mit Probierpreisen gelockt
Aldi Süd ist ebenfalls Unterstützer der ersten Stunde in Deutschland. „Zum Veganuary 2021 haben wir unsere Kunden über unsere unternehmenseigenen Kanäle mit vielen unterschiedlichen Produktempfehlungen, Tipps und Rezeptideen sowie Informationsbeiträgen rund um die vegane Ernährung unterstützt. Ein besonderes Highlight dabei war unsere Blogserie auf dem Aldi-Süd-Unternehmensblog“, heißt es aus Mülheim an der Ruhr. Darin schilderte eine Mitarbeiterin ihre Erfahrung während der Challenge und räumte mit Mythen und Irrtümern zur veganen Ernährung auf. Ziel war es, Kunden zu informieren und sie zum Weitermachen zu motivieren. Mit Erfolg: Der Discounter verzeichnet nach eigenen Angaben über den Januar hinaus ein steigendes Interesse an pflanzlichen Produkten. Zum Veganuary 2022 sind zahlreiche pflanzliche Produkte aus dem Standardsortiment zu günstigeren Probierpreisen erhältlich. „Zusätzlich werden wir den ganzen Monat über spannende Aktionsartikel anbieten – darunter auch vegane Markenartikel.“

Auch die Industrie nutzt den Anlass verstärkt, um neue Produkte zu lancieren und die Zielgruppe der Flexitarier mit Argumenten, kreativen Kooperationen und besonderen Angeboten zu erreichen.

Werbung mit Klimaschutz
So hat Iglo beispielsweise die „Trydays for Foodture“ ausgerufen und motiviert damit frei übersetzt zum Ausprobieren (englisch „try“) einer Ernährung, welche die Zukunft der Menschen und unseres Planeten sichern soll. Mit der Haltungskampagne wolle man zum Nachdenken anregen und die Konsumenten zu einem Engagement für eine Ernährungswende bewegen.

Die Bedeutung des Veganuary bei den Verbrauchern habe durch das steigende Bewusstsein für Klimaschutz und die Rolle der Ernährung zugenommen, meint Guido Klüh, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing bei Endori. „Bei unserem ersten Veganuary 2019 gab es wenig Teilnahme im Handel, und der Monat war auch für Endori eher ein kleines Puzzleteil im Kommunikationsplan. Die Gewichtung hat von da an nicht nur bei uns spürbar zugenommen.“ Mittlerweile bespielt der Veggie-Spezialist den Monat mit einer eigenen maßgeschneiderten Kampagne. Geplant hat Endori zum aktuellen Aktionsmonat neben der Einführung neuer Fischalternativen im LEH unter anderem Gewinnspiele, Kooperationen mit anderen Marken und Influencern sowie eine Mitmach-Challenge mit einem Radiosender. Eine enge Zusammenarbeit mit der Betriebs- und Systemgastronomie soll das Thema zusätzlich in die Breite tragen.

Zum Jahresstart 2022 setzt auch die Marke Made with Luve (Prolupin) mit einer integrierten Kommunikationsoffensive auf den Veganuary. Im Zentrum der Kampagne, die vor allem Flexitarier ansprechen soll, sind die Joghurt-Alternativen „Lughurts“ und Botschaften wie „Im Januar fürs Klima kämpfen. Mit dem Löffel“. Vernetzt werden die Aktivitäten mit einer PoS-Inszenierung, die Zweitplatzierungen, Wobbler und Schieneneinleger sowie Promotion-Packs im Veganuary-Design umfasst.

Pünktlich zum Veganuary 2022 inspiriert Biovegan mit neuen Ei-Alternativen zu einer rein pflanzlichen Ernährung. Omelett-, Rührei-, Eiweiß- und Ei-Ersatz werden mit Wasser angerührt und eignen sich zum Backen und Kochen. Hej Natural plant zwei neue Produkteinführungen während des veganen Probemonats. Anfang Januar soll mit dem „Hej Bite Dark Chocolate“ ein komplett mit Schokolade umhüllter Nussriegel in das Bio-&-Vegan-Sortiment der Marke aufgenommen werden. Zusätzlich wird Ende Januar eine neue Haferriegel-Linie auf den Markt kommen. Das Besondere: Die Produkte werden bio, vegan und glutenfrei sein. Eine Sampling-Kooperation mit Hello Fresh im Januar soll für noch mehr Sichtbarkeit der Marke im veganen Segment sorgen. Außerdem kündigt der Hersteller für 2022 eine neue Plakatkampagne an, welche die Produktbesonderheiten gezielt hervorheben wird. 

Botschafter motivieren
Rammstein-Sänger Till Lindemann zieht für die Like-Meat-Kampagne „So schmeckt #veganuary“ ins Feld. Schon 2021 feierte die Marke mit einem Food-Performance-Movie mit Lindemann große Erfolge. Daran knüpft Hersteller Livekindly nun an. „Dieses Mal haben wir uns von dem legendären Karl Lagerfeld inspirieren lassen. Message des Films ist, dass Pflanzenfleisch zwar nichts mit Mode zu tun hat, dafür aber mit Stil“, erklärt Geschäftsführerin Grunefeld. Zu sehen ist der Film auf der Marken-Website sowie auf Youtube. Mit einem Ausbau des Produktportfolios sowie einem Verpackungsrelaunch soll die Marke im aktuellen Jahr am PoS glänzen. Gelauncht werden mehrere Innovationen, die die klassische Küche bereichern werden. „Gleichzeitig möchten wir die Präsenz von Oumph! im LEH sowie den Vertrieb im Foodservice-Bereich ausbauen, damit die Marke in Deutschland flächendeckend erhältlich ist“, kündigt Grunefeld an.

Für gesteigerte Aufmerksamkeit für ihre neue pflanzliche Produktlinie „Vega Lecker“ sorgt die Molkerei Rücker sowohl am PoS als auch auf Social Media. Von Anfang Dezember 2021 bis Ende Januar 2022 werben Zweitplatzierungsdisplays im Kühlregal-Umfeld unter dem Aktionsmotto „Celebrate Veganism“ für eine Gratis-Zugabe-Aktion. Für den Kauf von zwei Rücker-Vega-Lecker-Produkten (Salatwürfel oder Pfannen- und Grillgut) können sich Konsumenten gratis drei Ansteck-Buttons mit den Statements „Hergestellt mit Herz und Hanf“, „Very Lecker“ und „There is no planet B“ aus einer Schütte mitnehmen. Eine Coupon-Rabatt-Aktion unterstützt die Bewerbung der Produkte in ausgewählten Märkten.

Die PoS-Aktion wird ergänzt durch einen Botschafter-Mechanismus auf Social Media. Unter dem Motto „Share the Love – Spread the Taste“ hat die Marke im Dezember 2021 Botschafter gesucht, die Freunde und Familie pflanzlich bekochen wollen. Über ihre Erfahrungen im Veganuary 2022 berichten die Botschafter auf Instagram und Facebook. Die Inhaber Insa und Klaus Rücker haben sich der Bewegung angeschlossen und berichten selbst online über ihre Erfahrungen.