Influencer Gute Idee mit Risiko

Influencer-Marketing wird im Lebensmitteleinzelhandel immer populärer. Doch es gibt auch Fallstricke. Die Lebensmittel Praxis setzt einige Schlaglichter auf dieses Thema der Zukunft.

Sonntag, 22. August 2021 - Management
Thomas Klaus
Artikelbild Gute Idee mit Risiko
Bildquelle: Kaufland

Anscheinend geht im LEH-Marketing ohne Influencer immer weniger. P hat deshalb den 16-jährigen Instagramer „tomhatbars“ beauftragt, sich im Internet umzusehen: Kommen die Influencer-Auftritte für Lebensmitteleinzelhändler auf Instagram, Youtube und Tiktok tatsächlich gut an? Oder reagieren die Jugendlichen als wesentliche Zielgruppe eher kritisch bis ablehnend? Das Ergebnis seiner mehrtägigen Recherchen: „Es gibt unter Jugendlichen kaum Hinweise auf eine negative Resonanz!“
Ein weiteres Indiz, welches für Influencer-Marketing spricht. Und doch hat diese Marketing-Variante ihre Tücken.

Beispiel Commanderkrieger
Einer der Fallstricke: Manchmal werden Influencer schneller unpopulärer, als die Unternehmen und ihre Werbeverantwortlichen es möglicherweise wahrnehmen. LP hat drei Fälle recherchiert, in denen zumindest auf Youtube Boden verloren gegangen zu sein scheint.

Beispiel: André Krieger alias Commanderkrieger. Der veröffentlicht seit Sommer 2010 auf Youtube Filme, die ihn beim Videospielen zeigen. Damit hat sich der frühere Personenschützer mehr als 739.000 Abonnenten erarbeitet. Allerdings ist die Zahl der Aufrufe seit einiger Zeit stark rückläufig. Mehrere Videos von Krieger bringen innerhalb von drei Wochen lediglich jeweils ungefähr 3.000 Aufrufe zustande. Das ist wohl ein Alarmzeichen für ihn. Und wenn eine bekannte Gewürzmanufaktur Commanderkrieger als Werbepartner auserkoren hat, muss sie aufpassen, dass sie nicht zusammen mit ihm innerhalb der Szene als „CommanderKlicklos“ durch den Kakao gezogen wird – eine Titulierung, wie sie inzwischen mancherorts im Netz für Krieger gewählt wird.

Zweites Beispiel: Timoteo Micael Gonzalez Gonzalez alias Liont, der werblich gerne mit Telekommunikationsanbietern kooperiert. Auf seinem Youtube-Kanal Liont TV hat er seit Sommer 2011 knapp 1,67 Millionen Abonnenten für seine Comedy- und Unterhaltungsvideos aufgebaut. Doch der Großteil der Beiträge aus dem vergangenen Jahr bringt es lediglich auf Aufrufe im fünfstelligen Bereich. Das Video „I follow U“ wurde innerhalb von drei Monaten sogar nur 22.500 Mal angeklickt.

Drittes Beispiel: Joshua Weißleder alias Simon Desue. Mit 4,29 Millionen Abonnenten ist er einer der ganz Großen und seit Sommer 2009 auf Youtube zu Hause. Doch ein Blick auf seine letzten drei Videos, in denen er bevorzugt sein luxuriöses Leben zur Schau stellt, belegt Aufrufzahlen zwischen 361.000 und 414.000. Diese wurden binnen eines Jahres beziehungsweise in neun Monaten erreicht. Das ist angesichts der Abonnentenzahlen nur eingeschränkt beeindruckend.

Der Social-Media-Star steht unter anderem bei Haribo und McDonald’s unter Vertrag. Für beide Unternehmen organisierte er Ess-Wettbewerbe. Bei der Haribo-Challenge mussten 100 Gummibärchen in 100 Sekunden dran glauben. Ähnlich konzipiert war die Issmirwurst-Challenge für den Fast-Food-Konzern.

Fake-Follower als Dauerproblem
Ein großes Problem mit Dauerbrenner-Charakter sind die Fake-Follower. Diese zu enttarnen, wird immer kniffliger, weil Bots menschliches Verhalten anno 2021 schon sehr gut nachahmen können. Hinweise auf Bots können sich jedoch unter anderem dann ergeben, wenn eher bewertende als inhaltliche Kommentare abgegeben werden oder eine große Anzahl von Interaktionen gleichzeitig auf einem Account zu beobachten ist. Wird dann auf die Profilseiten geklickt, lassen sich häufig Account-Namen entdecken, die aus einem Buchstaben- und Zahlen-Chaos bestehen. Und: Fake-Profile sind oft durch sehr wenige Bilder und sehr viele Follower gekennzeichnet. Analyse-Tools wie Quintly, Social Blade und Influencerdb können bei der ersten Analyse helfen.

Über allem steht die Frage, ob nicht nur der richtige Influencer, sondern auch die richtige Plattform gewählt wurde. Bemerkenswert sind zum Beispiel die Ergebnisse des Influencer Marketing Benchmark Reports des Marktforschungsunternehmens WARC, das im Januar mehr als 5.000 Marketing-Entscheider interviewt hatte. Demnach könnte Tiktok In-stagram in naher Zukunft als bedeutendste Plattform für Influencer-Marketing ablösen. 45 Prozent der Entscheider platzieren ihre Influencer-Kampagnen über Tiktok. Die erdrückende Dominanz von Instragram, die sich noch vor einem Jahr gezeigt hatte, ist Schnee von gestern.

Wohl den Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, die solche und ähnliche Risiken und Trends auf dem Schirm haben.
Kaufland ist hier in einer Leader-Rolle, wurde deshalb 2020 zum zweiten Mal in Folge mit dem „Social Media Award“ ausgezeichnet. Auf Insta-gram, Facebook, Youtube, Twitter und Tiktok erreichte das Unternehmen im vergangenen Jahr mehr als 6,7 Millionen Interaktionen und generierte 1,8 Millionen Fans.

Einer der Mosaiksteine des Engagements: Kaufland hat im Mai die Zusammenarbeit mit dem Youtuber CrispyRob (bürgerlich: Robert Brosowski) verstetigt. Der hat 2,05 Millionen Abonnenten. Seine Kartoffelchips „Rob’s“ bekamen einen festen Platz im Kaufland-Sortiment. Markus Geiger, Geschäftsführer Einkauf Food, begründet das: „Seit der ersten Auflage im vergangenen Juli ist die Kooperation eine Erfolgsgeschichte. Jede neue Sorte war innerhalb weniger Tage deutschlandweit ausverkauft.“ Nun gebe es das Produkt deutschlandweit und vorläufig exklusiv.

Kritik am Kaufland-König
Schulter an Schulter arbeitet Kaufland auch mit Jens Knossalla alias Knossi (1,22 Millionen Youtube-Abonnenten). Der war im März Star der Kampagne „König von Kaufland“. Hintergrund: Knossi hatte den Einzelhändler auf Instagram aufgefordert, ihn zum Regenten zu erklären. Kaufland reagierte mit dem Vorschlag, bei 75.000 Likes für das entsprechende Video auf Youtube werde der Wunsch erfüllt. Nach einem Tag hatte Knossi bereits für 84.000 Likes gesorgt. Kaufland knüpfte an diesen Erfolg an, indem im April der eigens kreierte Knossi-Likör „Alge“ gelistet wurde.

Knossi ist allerdings auch ein Beispiel dafür, dass die werbenden Influencer schnell ins Kreuzfeuer der Kritik geraten können und stets die Gefahr besteht, dass auch die Werbepartner Breitseiten abbekommen. Der Entertainer wurde in jüngster Zeit für einige der Witze und Aktionen in seiner Late-Night-Show „Täglich frisch geröstet“ auf RTL im Netz zum Teil heftig getadelt. Ende des vergangenen Jahres gerieten seine Casino-Streams ins Rampenlicht. Unter anderem nahm sich der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann der Sache an. Letztlich kündigte Knossi seinen Rückzug aus diesem Segment an. Bisher wurde Kaufland jedoch nicht direkt ins Visier genommen.

Kauflands Mitbewerber aus dem Lebensmitteleinzelhandel wollen sich in Sachen Influencer nicht lumpen lassen.
Drei Beispiele: Mit Unterstützung seines Arbeitgebers Lidl hat der Auszubildende „Tillmann“ Anfang des Jahres ein Rap-Video veröffentlicht und damit millionenfache Aufrufzahlen erreicht: Mitte Mai waren es allein auf Youtube 3,8 Millionen Aufrufe; Lidl selbst hat auf Youtube lediglich 63.000 Abonnenten. Den Song „Lidl Plus Rap“ rund um die digitale Kundenkarte „Lidl Plus“ hat der 19-Jährige nach Unternehmensangaben selbst verfasst. Dabei bekommen Mitbewerber des Discounters verbale Breitseiten ab. Unterstützt wird der junge Mann von dem Frankfurter Rap-Star Azad, während der bekannte Rapper Orkan Ce Regie führt. Lidl verbreitet das Video unter dem Hashtag #LidlMachtsMöglich auf allen seinen Social-Media-Kanälen. Es handelt sich angeblich um das erste Rap-Video, mit dem eine Supermarktkette in Deutschland gezielt jüngere Menschen ansprechen will.

Koch-Challenge von Aldi Süd
Beispiel zwei: Der Discounter Aldi Süd beendete vor einem Jahr eine eigene Youtube-Serie unter dem Titel „ALDIlicious – Die große Kochchallenge“. Für die Umsetzung ging der Discounter, der 24.900 Youtube-Abonnenten zählt, Kooperationen mit bekannten Youtubern ein. Bei der Auswahl der Influencer wurde bewusst darauf geachtet, dass sie keine Kochprofis sind. Die Zuschauer sollten nämlich leicht nachkochen können.

In der Serie traten jeweils zwei bekannte Youtuber in zwei Videos gegeneinander an. Was gekocht wurde, entschieden die Influencer selbst. Alle Zutaten stammen dabei aus dem Sortiment von Aldi Süd. Wer am Ende die Challenge gewann, entschied die Community. Denn das Video mit den meisten Kommentaren ging als Sieger hervor.

Beispiel drei: Rewe erregte im Februar und März 2020 mit einer Influencer-Challenge Aufsehen. Auf In-stagram wurde bewusste Ernährung thematisiert. Dafür wurden die Influencer Anne Menden, DominoKati, Dominic Harrison und Ana Johnson gewonnen. Behandelt wurden ein reduzierter CO2-Fußabdruck, die Freude am Ausprobieren neuer Lebensmittel und Gerichte, bewusstes und gesundes Essen sowie das Fühl-dich-wohl-Gefühl. Auch mehr als ein Jahr nach Abschluss der Kampagne vermarktet Rewe die Beiträge weiterhin.