Quadratisch, praktisch, gut: Die typische Aldi-Filiale war jahrzehntelang am Ortsrand zu finden, auf der grünen Wiese, gut erreichbar, ein eingeschossiger Einheitsbau mit ebenerdigen Parkplätzen ringsum. Die Zeiten sind vorbei. Aus gutem Grund: Aldi gewinnt immer mehr Kundschaft in der Stadt. Und es ist nicht nur die Stadtbevölkerung, die in der City-Filiale shoppt, sondern zudem Berufspendler, Menschen in der Mittagspause oder auf dem Heimweg, die solch zentral gelegene Märkte für den schnellen Einkauf nutzen. Kurz gesagt da, wo Menschen leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Lebensmitteleinkauf ist kein extrahierter Vorgang mehr, sondern wird in den täglichen Tagesablauf integriert. Wenn also der Berg nicht zum Propheten kommt, muss auch ein Harddiscounter seinen Wohlfühlstandort im Gewerbegebiet mit Flachbau-Filiale aufgeben. Und so verwundert es also nicht, wenn Justus Rehn, Director Property Development des Projektentwicklungsbüros München bei Aldi Süd, das bauliche Engagement Aldis in deutschen Großstädten mit den Worten „Wir suchen die Nähe zu unseren Kundinnen und Kunden“ begründet. Laut einer repräsentativen Kundenumfrage des Instituts für Handelsforschung in Köln aus dem Jahr 2020 hat für diese Klientel das Einkaufskriterium „Nähe“ mittlerweile die stärkste Bedeutung. Mehr als alle anderen Kriterien. Kein Wunder, denn der Planungshorizont für den Einkauf wird kürzer; mit der Folge, dass „die gute alte Speisekammer heute kein düsterer kleiner Raum mehr ist, sondern der attraktive Nahversorger um die Ecke“, so der Immobilienspezialist.
Das Zauberwort heißt daher auch für Harddiscounter „Mixed-Use-Immobilien“, also multifunktionale, mehrgeschossige Geschäfts- und Wohngebäude im urbanen Raum. Manchmal als Mieter, manchmal als Eigentümer. Um das optimal umzusetzen, hat man eigene Projektentwicklungsbüros für Köln, Frankfurt und Offenbach, Stuttgart und München eröffnet. Warum? „Weil wir uns in einer Metropole wie München darauf einstellen müssen, dass wir zukünftig fast ausschließlich über Mixed Use nachdenken müssen“, weiß Rehn. Und so etwas gibt es nicht vom Reißbrett wie übliche Aldi-Einheitsbauten.
60 Prozent der Münchner Aldi-Filialen befinden sich jetzt schon in Mixed-Use-Komplexen. So wurde beispielsweise 2008 in der Schwanseestraße in München-Giesing das Projekt „Wohnen über dem Supermarkt“ in die Tat umgesetzt. Hier hat Aldi Süd 25 Eigentumswohnungen über der Filiale gebaut und im Anschluss verkauft. Bis heute betreibt der Discounter den Standort als Mehrheitsteileigentümer einer Wohneigentümergemeinschaft.
„Die Macherei“ im Bau
Im Münchner Stadtbezirk Berg am Laim entsteht seit Herbst 2017 das urbane Büro- und Geschäftsquartier „Die Macherei“. Auf dem 26.400 Quadratmeter großen Grundstück an der Weihenstephaner Straße im Münchner Osten wird es ab Herbst dieses Jahres einen zentralen Quartiersplatz sowie sechs Gebäude mit unterschiedlichen Architektursprachen geben. Neben Büros, Geschäften und Läden, Restaurants und einem Fitnessstudio wird auch ein Design-Hotel mit gefalteter Fassade eröffnen. In den Büros werden bis zu 2.500 Angestellte aus national wie international etablierten Unternehmen und Start-ups arbeiten. Aldi Süd bezieht als Mieter 1.500 Quadratmeter im Erdgeschoss des Gebäudes „M2“ − mit direktem ÖPNV-Anschluss. Man übernimmt die Einzelhandelsfläche im „veredelten Rohbau“ und baut die Fläche selbstständig aus.
Beim Bau des „Jugendstilpark Quartier 5“ in München-Haar ist der Harddiscounter Teileigentümer. Bis 2023 entstehen zwei viergeschossige Baukörper mit 45 Mietwohnungen und Büros auf einer Gesamtfläche von rund 3.900 Quadratmetern, einer gemeinsamen Tiefgarage sowie einer großen Aldi-Filiale und weiteren Geschäften und Restaurants im Erdgeschoss. Projektiert wird das Quartier 5 gemeinsam von Aldi Süd und einem oberbayerischen Wohnungsunternehmen. „Für Investoren, Kommunen und Behörden sind wir ein zuverlässiger und langfristiger Partner“, so Rehn.
Neben Neubauten beschäftigen sich die Immobilienexperten bei Aldi Süd aber auch mit der Optimierung der schon vorhandenen Filialen im Eigentum. Aldi stockt auf, im buchstäblichen und im übertragenen Sinne. „Das Thema Wohnraum spielt dabei eine große Rolle − aber nicht ausschließlich“, erläutert Rehn. Je nach Standort könnten auch Restaurants oder Büros die Umgebung sinnvoll ergänzen. „Ebenso kann auch eine Kindertagesstätte der passende Baustein für einen Standort sein.“
Wird es also mittelfristig statt Zucker und Mehl Wohnungen und Büros in den Aldi-Filialen geben? „Unsere Kernkompetenz ist der Lebensmittel-Einzelhandel. Hierauf möchten wir auch in Zukunft unseren Hauptfokus legen“, verneint Rehn vehement. Der Aufbau langfristiger Partnerschaften für Immobilienprojekte sei dem Konzern aber wichtig. Der Aldi-Mann fügt hinzu: „Am Ende bleiben wir als Discounter ein effizienzgetriebenes Unternehmen. Hier besteht unser Vorteil in erster Linie aus unseren leistungsfähigen und flexiblen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort, die jeden Tag das Optimum aus noch so kniffligen Filialen und verwinkelten Grundrissen herausholen.“