Innenstädte Handel ist Wandel

Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes Deutschland – Baden-Württemberg, glaubt, dass viele Innenstädte ihr Konzept überarbeiten müssen.

Montag, 15. März 2021 - Management
Elena Kuss
Artikelbild Handel ist Wandel
Bildquelle: Handelsverband Deutschland

Welche Rolle spielt der LEH in der Innenstadt?
Sabine Hagmann: Das kommt drauf an, um welche Innenstadt es geht. In den Großstädten spielt der Lebensmitteleinzelhandel vielleicht keine ganz so große Rolle. Der LEH trägt zur Grundversorgung bei – zum Beispiel von Mitarbeitern, die in der Innenstadt arbeiten.

Die Innenstädte waren auch schon vor der Pandemie von Leerstand geplagt. Viele hatten gehofft, dass der Lebensmittelhandel Teil der Lösung sein kann. Wie hat sich das während der Pandemie verändert?
Der LEH ist ein Frequenzbringer. Arbeitnehmer gehen in die Innenstadt, um sich mittags zu versorgen. Das gilt auch für die Touristen, die sicher wiederkommen werden. Aber auch das Wohnen kommt immer stärker zurück.

Erreicht der LEH in der Innenstadt überhaupt noch Bewohner?
Ja! Ein gutes Beispiel ist Stuttgart. Im Kern der City im Dorotheen-Quartier wurden gerade viele neue Wohnungen gebaut. Natürlich luxuriöse Wohnungen. Aber hippes Wohnen ist in der Stadt immer häufiger möglich. Über den Märkten werden Wohnungen eingerichtet. Das kennen wir auch von Ikea in Hamburg. Und in kleinen Städten ist es sowieso noch üblich, dass dort gewohnt wird.

Wie geht es für die Händler weiter?
Wir sind der Ansicht, dass wir mit dem Virus leben müssen. Der Staat darf nicht mehr nur auf Inzidenzen schauen. Selbst das RKI geht davon aus, dass der Einzelhandel mit seinem unterdurchschnittlichen Infektionsgeschehen öffnen darf. Man muss mehr testen. Und die Öffnung der Geschäfte als Teil der Lösung begreifen.

Der LEH wurde in letzter Zeit doch auch stark kritisiert. Zu viele Non-Food-Produkte, heißt es. Im Saarland gibt es sogar ein Werbeverbot.
Der LEH macht einen super Job. Die Situation ist für die Mitarbeiter und Manager extrem anspruchsvoll. Wenn der LEH sein Sortiment erweitert, ist das legitim. Wenn man Werbung verbietet, darf deshalb der Einzelhandel ja nicht wieder öffnen. Was ist also die Alternative? Es wird online oder gar nicht gekauft. Der LEH ist ein Teil der Lösung. Und die Öffnung weiterer Geschäfte ein weiterer Teil.

Im Saarland soll Click & Collect durch das Verbot gefördert werden?
Das ist keine Alternative für den Kunden. Wir haben hier maximal 15 Prozent des Umsatzes, die so aufgefangen werden. Wer ist der Kunde? Der Kunde arbeitet zu Hause. Hat vielleicht Kinder, die von zu Hause unterrichtet werden müssen. Das Werbeverbot ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht.

Wann wird die Innenstadt wieder ihre alte Frequenz bekommen?
Die Menschen werden noch vorsichtig bleiben. Solange die Gastronomie nicht aufhat, wird es entspannter sein in den Innenstädten. Wenn geimpft wird, müsste aber auch in einem Monat viel passieren. Wir sehen das beispielsweise in Israel.

Auch der LEH hatte in den letzten Jahren auf Gastronomie gesetzt.
Wir wissen das von 2020: Handel und Gastronomie gehören ganz fest zusammen. Wäre ich ein Händler, würde ich eher weiter darauf setzen, als das Angebot aufzugeben. Weil es sensationell zum Sortiment passt. Es ist toll, was der LEH da leistet. Verwöhnen geht nicht digital. Verwöhnen geht nur vor Ort.

Lidl hat angekündigt, vermehrt in die Innenstädte zu ziehen. Ist das ein Hoffnungsschimmer?
Wir wünschen uns Innenstädte, die bunt sind. Aber ich glaube auch, dass zu viele Lebensmittelläden sich nicht durchsetzen. Insgesamt werden die Innenstädte an ihrem Konzept arbeiten müssen. Wir müssen an den Kunden denken. Und der hat sich im letzten Jahr sehr verändert.