Automatisierung im Handel Schöne neue Welt?

Bessere Warenverfügbarkeit, personalisierte Werbung, dynamische Preise: All dies wird durch künstliche Intelligenz möglich. Wohin der Handel steuert.

Freitag, 06. November 2020 - Management
Elena Kuss
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Marco Atzberger, Mitglied der EHI-Geschäftsleitung, resümiert die Ergebnisse der EHI-Szenario-Studie zur Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) im Handel so: „Es ist nicht die Frage, ob KI den Handel beeinflusst, sondern wann und vor allen Dingen wie.“ Auf die Frage, was passieren würde, wenn der Handel weiterhin passiv bliebe, sagt der Geschäftsleiter trocken: „Dann machen es die anderen.“ Kein wünschenswertes Szenario. Trotzdem ist es eines der acht möglichen, die die Studie „Die Zukunft der Künstlichen Intelligenz im Handel 2030“ von EHI in Zusammenarbeit mit Management International (ScMI) entwickelt hat. Nur wenn der Handel gemeinsam arbeite, könne er beeinflussen, wo sich KI hin entwickele, betont Atzberger. Alexander Fink, Vorstand ScMI, erklärt, warum die Zukunftsbilder entwickelt wurden: „Szenarien sind ein Werkzeug.“ Ähnlich einem Wetterbericht sollen die Visionen dem Händler helfen, eine Strategie für die Zukunft zu entwickeln. So wie man einen Regenschirm mitnimmt, wenn der Wetterbericht Regen gemeldet hat.

Wesentlich ist dabei natürlich, dass die Zukunftsvorhersage auf methodisch fundierte Beine gestellt wird. Das EHI nutzte deshalb das Szenario-Management von ScMI, um Zukunftsbilder für die Entwicklungen von künstlicher Intelligenz im Handel innerhalb der nächsten zehn Jahre zu beschreiben und zu bewerten. Das interdisziplinäre Experten-Team aus Handelsunternehmen wie dm und Migros und Technologie-Dienstleistern wie Umdasch und Wanzl sammelte 70 Einflussfaktoren, die durch das ScMI zu 25 Schlüsselfaktoren zusammengefasst wurden. Aus diesen Schlüsselfaktoren entwickelte das Management-Team acht Szenarien, die von einer langsamen KI-Entwicklung bis zu einer völligen Umstrukturierung des Marktes durch künstliche Intelligenz reichen.

Was ist am wahrscheinlichsten?
Am ehesten erwartet werden die Szenarien 7 und 8. Amazon Go ist ein Beispiel für ein KI-basiertes Ecosystem, wie es das Szenario 7 beschreibt. Der Kunde meldet sich über sein Amazon-Konto mit hinterlegter Zahlungsfunktion an. Öffnet der Nutzer die Amazon-Go-App, generiert sie automatisch einen QR-Code: die Eintrittskarte für den kassenlosen Supermarkt. Abgerechnet wird automatisch, wenn der Kunde den Laden wieder mit seinem Einkauf verlässt. Vergleichsportale zeigen dagegen eher, wie das Szenario 8 den Handel fordern könnte. Heute finanzieren sich die Portale in der Regel durch Weiterleitungsentgelte wie Pay per Click, Pay per Sale oder Pay per Lead. Kunden können so vermehrt ihre Einkaufsprozesse selbst steuern. Händler sollten nachziehen: Geschäftsmodelle zur schnellen und effizienten Abwicklung – jenseits von Marketing – werden wichtiger.

Christoph Maris, Vice President Operations LR Health & Beauty Systems, kommentiert: „Stationärer Handel ist nicht bekannt für Technikaffinität.“ Ein Beispiel: Rewe habe sehr lange gebraucht, bis sich das Unternehmen für Payback entschieden hatte. „Jetzt beherrschen sie die Klaviatur mit am besten“, findet Maris. Aktuell sitze der Händler beispielsweise auf seinen Daten. Szenario 7 und 8 könnten schon dadurch ausgelöst werden, dass der Händler seine Daten teilt.

Möchten Sie alle Szenarien nachlesen? Dann schauen Sie in unserem E-Paper:

E-Paper Heft 18, Seite 16