Lebensmittel in Drogeriemärkten Neue Nahversorger

Die Drogeriemärkte bauen ihr Sortiment an Lebensmitteln stetig aus. Sie wählen dabei unterschiedliche Ansätze, doch bei allen stellt sich die Frage: Werden die Ketten mit ihrem Angebot zu einer ernsthaften Konkurrenz für die Vollsortimenter?

Donnerstag, 19. Juli 2018 -
Jochen Schuster
Artikelbild Neue Nahversorger
Bildquelle: Rossmann, Carsten Hoppen

In der einen Ecke – oder genauer: in dem einen Regal – Birkenwasser (wurzelgefiltert), die Mischung für den mild-scharfen Quinoa-Burger und Dinkel-Vollkorn-Spaghetti. Demgegenüber in der anderen Ecke die Flasche Cherry-Coke, M&M’s in der XXL-Packung sowie ein trockener Grauburgunder aus Baden: Unterschiedlicher könnte das Lebensmittelsortiment kaum sein, mit dem die beiden Drogeriemarkt-Erzrivalen dm und Rossmann auf Kundenfang gehen. Dm setzt ausschließlich auf all das, was (angeblich) gesund macht. Der Wettbewerber mit dem Zentaur im Logo bietet auch die eine oder andere unvernünftigere Alternative an. Aber egal welche Strategie, egal welche Kette – die Drogeriemärkte haben sich als neue Nahversorger etabliert. Als Einkaufsladen, in dem die Verbraucher niucht nur Fotos entwickeln lassen, Flip Flops, Grill-Utensilien und Kinderklamotten in den Korb packen. Sie kaufen Babynahrung, Putzmittel und Schminke.

Zunehmend decken sich Hausfrau und -mann auch mit Prosecco, Tomatensoße, Paprikachips sowie Bio- Müsli ein. Aktuell entfallen neun Prozent des Lebensmittelumsatzes in Deutschland auf die Drogerieketten. Auf eben jene Ketten, die sich mit Vorliebe in unmittelbarer Nähe von Supermärkten ansiedeln. Wird aus der bisher mehr oder weniger friedlichen Ko-Existenz bald beinharte Konkurrenz? Was passiert, wenn sich Rossmann, dm und Co. noch stärker zu einer Mischung aus Drogerie- und Lebensmittel-Laden entwickeln?

Die Gefahr ist real. „Natürlich gehen die Drogeriemärkte den Trend zum ‚One-Stop-Shopping’ mit und überlegen, was sie ihren Kunden noch so alles anbieten können. Dabei spielen Lebensmittel eine zentrale Rolle“, sagt Martin Fassnacht, Handelsexperte von der privaten Hochschule WHU in Vallendar. Wer bloß ein paar Nahrungsmittel für Frühstück oder Abendessen braucht, der wird – gerade im Norden der Republik – beim Drogisten seiner Wahl bestens bedient. Den Besuch im Supermarkt kann er oder sie sich fast sparen.

Viele Jahre kannte der Anteil der Drogeriemärkte auf dem rund 180 Milliarden Euro schweren Markt mit Gütern des täglichen Bedarfs nur eine Richtung – nach oben. Allein zwischen 2012 und 2016 legten dm, Rossmann, Müller und Co. laut GfK um gut 1,5 Prozentpunkte zu. Das entspricht einem Plus in den Kassen von knapp drei Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr ging der Wert nach vorläufigen Zahlen erstmals leicht zurück – von neun auf 8,9 Prozent (siehe Grafik, Seite 15). „Der harte Preiswettbewerb hat den Drogeriemärkten 2017 zwar Kundschaft gebracht, sie aber zugleich Umsätze gekostet“, analysieren die Nürnberger Marktforscher. „Über viele Monate hinkten sie den anderen Vertriebsschienenhinterher. Mit dem Resultat, dass ihr Marktanteil innerhalb des Lebensmittel- Einzelhandels erstmals zurückging.“ Doch diese Situation war nicht von Dauer. Kaum hat sich der Preiskampf gelegt, marschierten die Duft- und Deo-Ketten erneut voran: In den ersten vier Monaten 2018 waren die Drogeriemärkte mit einem Plus von knapp fünf Prozent wieder der entscheidende Wachstumstreiber. Bei elf Prozent liegt aktuell der Anteil der Lebensmittel am Gesamtsortiment (ohne Baby- und Tiernahrung) von Rossmann. Dm kommt nach Angaben von Sebastian Bayer, als Geschäftsführer verantwortlich für das Ressort Marketing + Beschaffung, auf einen „hohen einstelligen Bereich“ (siehe Interview, Seite 16). Es ist wohl unstrittig, dass dm auch erfolgreich Sekt und Süßes verkaufen könnte.

Angebot zu bewusster Ernährung
Diese Artikel passen aber nicht zum Image als gesellschaftlich bewusstes Unternehmen, als das sich dm aufgestellt hat. Oder wie es Bayer formuliert, zu dessen Bereich die Nahrungsmittel gehören: „Die Lebensmittel, die wir bei dm anbieten, sind Teil unseres drogistischen Kernsortiments und sollen unseren Kunden eine bewusste Ernährung in Bio-Qualität ermöglichen.“ Bio ist das Stichwort. Das Mittel zum Erfolg der Drogisten sind Bio-Food Konzepte in jeglicher Form. „Der Trend zu Bio-Lebensmitteln wird weiter anhalten und auch in den nächsten Jahren überproportionale Wachstumszahlen generieren. Dieser Entwicklung Rechnung tragend, entwickeln wir kontinuierlich das Angebot unserer Eigenmarke EnerBio als auch der Markenartikel weiter“, umreißt Rossmann seine Strategie. Bei bio, gluten- und laktosefrei sowie vegetarisch/ vegan sieht der Händler noch Potenzial für sich – nicht zu unrecht. „Dank des jahrelangen Engagements in Sachen Bio etwa durch die Kooperation mit Alnatura ist dm dem klassischen LEH vielleicht ein Stück Foodvoraus in diesem Segment – und sei es nur in der subjektiven Wahrnehmung der Kunden“, glaubt Handelsprofessor Fassnacht. Nicht so der Rivale: „Bei Rossmann ist das gefühlt nicht der Fall, da können Rewe, Edeka und Co. locker mithalten.“