Lebensmittelabteilungen in Kaufhäusern Im tiefen Keller

Das Kaufhaus ist vielerorts in der Krise. Kaufhof und Karstadt wollen den Umkehrschub. Dabei fallen oft die Lebensmittelabteilungen durchs Raster . Die einstigen Anbieter ausgesuchter Feinkost sind nicht mehr im Blickfeld der Kunden. Die Schlagzahl der Wettbewerber ist eine andere.

Donnerstag, 22. März 2018 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Im tiefen Keller

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Sneakers statt Salat, Stilettos anstelle von Steaks, Sandalen ersetzen Sardellen: Im Untergeschoss des Kaufhofs an der Düsseldorfer Kö gibt es seit Herbst 2016 statt einer großen Auswahl an Lebensmitteln nur noch ein Produkt zu kaufen: Schuhe, Schuhe und nochmals Schuhe. Gleich der ersten, millionenschweren Umbauphase in dem Gebäude mit der prominenten Adresse „Königsallee 1“ fielen Brot, Butter und Bier zum Opfer.

Die Situation in Düsseldorf ist kein Einzelfall. Bei den großen Warenhaus-Betreibern Kaufhof und Karstadt machen immer mehr Lebensmittel-Abteilungen dicht. Besonders rasant ist die Entwicklung beim kriselnden Kölner Kaufhof-Konzern: Ganze 17 der bundesweit 96 Häuser besitzen aktuell noch eine sogenannte „Galeria-Gourmet-Abteilung.“ 2015 waren es immerhin noch 24. Bei Karstadt können Kunden in knapp der Hälfte der 79 Filialen zwischen Flensburg und Konstanz Dinge des täglichen Lebens einkaufen. Im gesamten Einzelhandel kommen Kauf- und Warenhäuser derzeit auf einen Umsatzanteil von gut zwei Prozent. Bei Nahrungsmitteln ist ihr Anteil längst im Promille-Bereich angelangt.

Karstadt auf dem Weg der Besserung

Die Ankündigung ist schon länger auf dem Markt, noch fehlt aber die endgültige Bestätigung: Für das Ende September 2017 zu Ende gegangene Geschäftsjahr will Karstadt zum ersten Mal seit langem wieder ein ausgeglichenes Ergebnis präsentieren. So haben es die Essener zumindest im Jahresabschluss 2015/16 versprochen. Schon da war es gelungen, den Verlust von ehemals 65 massiv auf 7,5 Millionen Euro zu reduzieren. Damit wäre ein langer Turnaround vollendet, der seinen Ursprung im Jahre 2009 mit der Insolvenz des Warenhauskonzerns hatte. Karstadt wurde danach vom glücklosen Investor Nicolas Berggruen übernommen, der das Unternehmen 2014 an den österreichischen Unternehmer René Benko weiterreichte. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern besaß dieser bei seiner Chef-Wahl ein gutes Händchen und machte den Ex-Rewe-Manager Stephan Fanderl zum neuen Karstadt- Boss. Fanderl gelingt es nun offenbar tatsächlich, die mehrfach totgesagte Warenhausfirma wiederzubeleben. Für die nach eigenen Worten „Operation am offenen Herzen“ nutzte er diverse Instrumente: Fanderl strich 2000 Stellen, straffte Organisation sowie Sortiment und führte ein Bonussystem für die Mitarbeiter ein.

Experten verwundern diese Zahlen nicht. Sie verweisen auf die alte Immobilienweisheit „Lage, Lage, Lage“: „Der normale Supermarkt im Untergeschoss eines Kaufhauses hat wenig bis gar keine Aussicht auf Erfolg“, urteilt Mirko Warschun, Partner bei der Unternehmensberatung A.T. Kearney. „Nur wenige Kunden kommen mit dem Auto und planen einen Großeinkauf. Entsprechend niedrig ist der Durchschnittsbon. Das Sortiment ist zudem sehr preissensitiv, Frischwaren sind problematisch, weil sie nicht schnell genug drehen“, analysiert der Leiter des Bereichs Konsumgüterindustrie und Handel bei A.T. Kearney. Vielerorts seien Lebensmittel schlicht Mittel zum Zweck gewesen, um die problematische Fläche im Keller zu bespielen. Das kommt immer weniger an. Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Statista aus dem vergangenen Jahr zeigt: Allein zwischen 2013 und 2017 ging die Zahl der Bundesbürger, die sich bei Karstadt, Kaufhof und Co. mit Lebensmitteln versorgen um mehr als eine Millionen zurück.

Die Konzerne haben einiges versucht, um das Geschäft flott zu machen. Bereits 2005 startete das Karstadt-Management sein Joint Venture mit der Kölner Rewe. Der Lebensmittel-Riese hält knapp 25 Prozent am Gemeinschafts-Unternehmen „Karstadt Feinkost“, der Warenhaus-Konzern den Rest. Viel gebracht hat das Bündnis nicht: Zwischen 2007 und 2016 schrieb das Unternehmen nur ein einziges Mal (2012) einen Mini-Gewinn – von einer halben Millionen Euro. In allen anderen Jahren standen am Ende rote Zahlen. „Das Ganze ist ein Sanierungsfall“, urteilte Ex-Rewe-Boss Alain Caparros im Sommer 2015, zehn Jahre nach Gründung.

Seitdem hat sich nicht viel verbessert – im Gegenteil. Der einstige Name „Perfetto“ ist Geschichte, den Märkten fehlt es (trotzdem) weiter an Kunden. Die Umsätze gehen immer weiter zurück. 2016 – neuere Zahlen liegen nicht vor – lag das flächenbereinigte Minus bei satten 6,6 Prozent. Das Geschäft läuft jetzt unter der Bezeichnung „Karstadt Lebensmittel – Partner der Rewe“. Die Hoffnung, dass das gute Image der Kölner den Umsätzen neuen Schwung geben könnte, hat sich bisher nicht erfüllt.


Stattdessen sollen neue Sparmaßnahmen das Joint Venture in die schwarzen Zahlen hieven. Der Tarifvertrag ist bereits seit längerem gekündigt, die Gespräche mit der Gewerkschaft Verdi laufen eher schlecht als recht. Das Unternehmen will unter anderem Tariferhöhungen nicht weitergeben und in diesem sowie im nächsten Jahr nur 20 Prozent des Weihnachts- und Urlaubsgelds zahlen. Das kommt bei den Mitarbeitern (aktuell gibt es bundesweit noch etwa 1100 Vollzeitstellen) vor allem deshalb weniger gut an, weil im Gegenzug keine verbindlichen Zusagen zur Beschäftigungssicherung angeboten werden. Im Moment ruhen die Gespräche. „Der Arbeitgeber spielt mit dem Abbruch der Verhandlungen“, heißt es bei Verdi.

Für die verbliebenen 17 „Galeria Gourmet“-Abteilungen liegen keine derart detaillierten Umsatz-Zahlen vor. Diese dürften angesichts der schwierigen Lage bei Kaufhof (siehe Kasten) allerdings ebenfalls nicht sonderlich rosig aussehen. „Wir haben derzeit ganz andere Probleme als die wenigen Lebensmittel-Abteilungen, die wir noch betreiben“, bestätigt ein Kaufhof-Manager.

Kaufhof wartet auf die Trendumkehr

Kaufhof hat –etwas überraschend– zuletzt von Karstadt die Rolle des „Sanierungsfalls“ im hiesigen Warenhaus- Geschäft übernommen. Für das Ende Januar abgelaufene Geschäftsjahr rechnet das Unternehmen – wie schon 2016 – mit roten Zahlen. Seitdem der Warenhauskonzern Hudson’s Bay Company (HBC) die Kölner im Jahre 2015 von der Metro Group übernommen hat, läuft dort nicht mehr viel zusammen. Kaufhof setzen nicht nur die generellen Probleme der Vertriebsform wie der Aufstieg von Amazon und Online-Shopping im Allgemeinen zu. Das macht Warenhäusern in der ganzen Welt das Leben schwer. Der Konzern kämpft zudem mit satten Mieterhöhungen, die HBC zur Finanzierung des Übernahmedeals seiner Neu- Tochter aufgebrummt hat. Seit November 2017 versucht nun mit Roland Neuwald ein neuer Chef sein Glück. Der Ex Vertriebsgeschäftsführer von Real hat schon angekündigt, 400 der 1600 Arbeitsplätze in der Kölner Zentrale zu streichen. 2018 soll es laut Neuwald eine „sichtbare Trendumkehr“ geben. Helfen sollen dabei neben Sparmaßnahmen Sortimentsänderungen und der Ausbau von Kooperationen mit externen Partnern wie beispielsweise der Kosmetikkette Sephora.

Was tun? „Kein Mensch fährt mehr mit der Rolltreppe ins Basement, um dort Lebensmittel einzukaufen. Wenn dann funktioniert das Geschäft nur im Erdgeschoss“, analysierte Caparros noch während seiner Rewe-Zeit. Handels-Experte Mirko Warschun sieht das ähnlich. „Entweder man beschränkt sich auf einen kleinen, vielleicht 300 bis 400 Quadratmeter großen Convenience-Bereich im Erdgeschoss.“ Wenn es aber das Untergeschoss ist, dann braucht der Supermarkt nach seinen Worten einen eigenen Eingang von der Straße her, um Menschen anzulocken, die sonst nicht ins Warenhaus gehen. „Hier macht dann ein kleiner Markt mit hohem Convenience-Anteil Sinn. Diese Produkte treffen nicht nur den täglichen Bedarf der Menschen, sondern bieten auch ein vergleichsweise gute Spanne.“ In diese Richtung geht auch Karstadt Feinkost: Das Convenience- Angebot wurde zuletzt deutlich ausgeweitet. Warschuns dritte Variante – Lebensmittel in Verbindung mit einem großen Gastro-Konzept wie etwa im Dachgeschoss des Berliner KaDeWe – kommt nur für ganz wenige Standorte infrage.

Immerhin: Es tut sich was. Es gibt Alternativen zum Schrumpfen durch den finalen Ladenschluss. Zum Beispiel in Erfurt. Dort holt sich Karstadt demnächst „Denn’s Biomarkt“ ins Haus. „Der Biomarkt wird im Mai im Erdgeschoss bei Karstadt einziehen und auf gut 500 Quadratmetern Untermieter“, teilt das Management der Erfurter Einkaufsgalerie „Anger 1“ mit, wo sich das Kaufhaus befindet. Denn’s soll dort Platz finden, wo es jetzt Geschirr und Haushaltswaren gibt. „Wir freuen uns, bei Karstadt einen zentralen und für unsere Kunden aus der Landeshauptstadt gut erreichbaren Standort gefunden zu haben“, sagt Thomas Hennig aus dem Dennree-Management – und dämpft gleichzeitig die Erwartungen: „Diese Partnerschaft ist ein Einzelfall und kein langfristiger Plan.“