Tierwohl Mehr Tierwohl!

Das Schwein, dessen Kotelett wir essen, soll ein gutes Leben geführt haben. Der Landwirt muss von seiner Arbeit gut leben können. Zwei Ziele der Initiative Tierwohl.

Montag, 19. Februar 2018 - Management
Heidrun Mittler
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Bildquelle: Getty Images, Initiative Tierwohl

Das hat es so in Deutschland noch nicht gegeben: ein System, das der Lebensmittelhandel finanziert, zum Wohle der Produzenten. Die Initiative Tierwohl, 2015 an den Start gegangen, sammelt Geld, um die Bedingungen der Tierhaltung in Deutschland zu verbessern. Bis Ende 2017 hat der Lebensmittelhandel 255 Millionen Euro in das System eingezahlt. Geld, das den Tierhaltern zugute kommt, die ihren Schweinen, Hähnchen und Puten bessere Haltungsbedingungen ermöglichen.

Alexander Hinrichs ist einer der Pioniere der Initiative Tierwohl. Der studierte Betriebswirt und Doktor der Agrarökonomie hat das System schon mit entwickelt, als er noch bei QS gearbeitet hat. QS kümmert sich um Qualitätssicherung vom Landwirt bis zur Ladentheke und hat in diesem Zusammenhang ausgeklügelte Prüf- und Kontrollsysteme entwickelt. Dann haben vor einigen Jahren die Themen Tierhaltung und -gesundheit massiv an Bedeutung gewonnen. Die Fleischwirtschaft und auch der Lebensmittelhandel sahen sich immer häufiger an den Pranger gestellt. Ein Branchenbündnis zum Thema Nachhaltigkeit musste her, es mündete aus QS heraus in einer separaten Gesellschaft: der Initiative Tierwohl. Sie hat umfassende Programme für die Schweine- und Geflügelhaltung erarbeitet.

„ Ich sehe jeden Tag, wie gut die Kriterien von meinen Schweinen angenommen werden“, sagt Agrarwissenschaftlerin Gesa Lampe. Sie hat kürzlich den elterlichen Betrieb übernommen. Ihre Schweine freuen sich über mehr Platz und Beschäftigungsmaterial in Form von Holz oder Stroh.

Der Grundgedanke, den Hinrichs immer wieder betont: Landwirte sollen das Tierwohl stärker berücksichtigen können, ohne dass sie damit die Wirtschaftlichkeit ihres Betriebs beeinträchtigen. Dabei verpflichten sich die Tierhalter, bestimmte Maßnahmen in ihren Ställen umzusetzen – den zusätzlichen Aufwand bekommen sie mit einem Entgelt honoriert. Die Initiative Tierwohl organisiert die Abwicklung des Systems. Sie gibt die Kriterien vor, gestaltet die Verträge, kontrolliert und dokumentiert die Maßnahmen und zahlt schließlich das Entgelt aus.

Seitdem die Initiative Tierwohl an den Start gegangen ist, wird sie mit Kritik von vielen verschiedenen Seiten konfrontiert. Interessenverbände wie etwa der deutsche Tierschutzbund, der BUND, Medien und Politiker melden sich immer wieder zu Wort. Einer der Hauptkritikpunkte: Die Maßnahmen würden das Wohl der Tiere nur unzureichend verbessern. „Immer, wenn jemand mit neuen Ideen kommt, gibt es Kritik“, kommentiert Alexander Hinrichs. Ihm ist es wichtig, „genau zuzuhören“. Gleichzeitig prangert er „populistische Tendenzen“ an und fordert eine Versachlichung der Debatte. In diesem Zusammenhang spricht Alexander Hinrichs immer wieder von der „Breite“. Es geht der Initiative darum, den Standard auf breiter Front zu heben, also in möglichst vielen Ställen und für möglichst viele Tiere. Die Forderung vieler Tierschützer umzusetzen hält er für nicht machbar – jedenfalls nicht kurzfristig im bestehenden System und für die breite Masse.

Eine ganze Reihe von Kritikpunkten hat die Initiative Tierwohl bereits beseitigt. So können mittlerweile alle Schweine und Geflügelhalter im System mitmachen, die teilnehmen möchten. Ab 2018 steigt die Zahl der Teilnehmer um 80 Prozent auf über 6.000 Betriebe. Für 26 Millionen Schweine und mehr als 500 Mio. Hähnchen und Puten pro Jahr werden jetzt Tierwohl-Kriterien umgesetzt. Welche weiteren Änderungen die Initiative Tierwohl nun umsetzt und wie sie mit kritischen Fragen umgeht, beantwortet Hinrichs im Interview auf den folgenden Seiten.

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