LP-Gesprächsrunde - Brandenburg Bei Frische spielt die Musik - LP-Gesprächsrunde - Brandenburg: Teil 2

Die Mehrheit der Deutschen, nämlich mehr als drei Viertel , legen Wert auf regionale Lebensmittel. Der Weg vom Feld oder der Produktionshalle in die Regale des Handels ist zuweilen aber recht weit. Könnte er auch kürzer sein? Eine Gesprächsrunde sucht Antworten.

Donnerstag, 18. Januar 2018 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Bei Frische spielt die Musik - LP-Gesprächsrunde - Brandenburg: Teil 2
Bildquelle: Santiago Engelhardt

Regionale Produkte sind gut für die Profilierung des Handels oder auch mehr?
Fromm: Bei regionalen Produkten geht es nicht nur um Profilierung, sondern um Kundenwünsche. Ein Beispiel: Erdbeeren aus der Region puschen Umsatz und Anteil. Klar: Kunden sehen regionale Produkte ein wenig sozialromantisch, und am Regal entscheidet dann doch oft der Preis, vor allem dann, wenn nationale Lieferanten günstiger sind als regionale. Deshalb muss hinter regionalen Produkte immer eine gute Story stehen, das schafft den Mehrwert.

Alvermann: Wenn die Preisspanne zu nationalen Artikeln nicht zu groß ist, greift der Kunde auch zu Bio, regionalen oder gar lokalen Produkten. Dabei ist die Zielgruppe begrenzt. Das sind schon die Besserverdienenden.

Schleicher: Deshalb brauchen wir neben der regionalen Erdbeere eben auch die nationale. Wir müssen unterschiedlich kaufkräftige Kunden im Supermarkt erreichen können.

Schornberg: Regionalität wird nur dann ein Kaufargument bleiben, wenn ein weiterer Vorteilsaspekt dazu kommt: Zum Beispiel besonders guter Geschmack, besonders nachhaltige Produktion oder Vergleichbares. Wenn das nicht kommt, nimmt die Wertschöpfungskette Schaden. Denn Regionalität per se nutzt sich auf Dauer ab. Wenn ein regionales Produkt mehr kostet als ein nationales, muss die Qualität stimmen, sie muss einfach besser sein.

Alvermann: Bestehende hohe Food-Standards müssen auch bei regionalen Produkten eingehalten werden. In der Weiterverarbeitung können Produkte dann entsprechend aufgeladen und gelabelt werden. Da ist wichtig zu kommunizieren, wo die Zutaten herkommen, wo wurde verarbeitet usw.

Regio-Food-Plus

Regio-Food-Plus ist ein Brandenburger Verbundprojekt mit Partnern aus den Bereichen Lebensmittelproduktion, IT, Verbänden, wissenschaftlichen Einrichtungen und Handelsunternehmen. Ziel ist die Entwicklung eines neuen, Cloudbasierten Dokumentationssystems für die Produktionsplanung und für die Nachweisführung bei der Herstellung regionalerLebensmittel. Im Fokus: Klein und Kleinstunternehmen. Ziel ist Schnelligkeit bei Datenaustausch und der Auftragsabwicklung. Das Projekt wird vom Bundesforschungsministerium gefördert. Projektpartner sind unter anderem die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, die CSB-System AG, Edeka Minden- Hannover oder etwa Pro Agro als Vertreter kleinerer Lebensmittelunternehmen.

Wie kann das Ministerium unterstützen?
Gerber: In Brandenburg gibt es eine Vielzahl von Instituten und Forschungseinrichtungen, die sich mit Ernährung beschäftigen und eine hohe Kompetenz haben. Entscheidend ist, alle Akteure zusammenzubringen.

Muss sich der regionale Anbieter eigentlich auf die Region beschränken? Was passiert, wenn er über die Grenzen des Bundeslandes hinaus verkaufen will?
Schornberg: Für uns, sprich Werder Frucht, reichen die Konsumenten in Berlin und Brandenburg.

Hält der „Regio-Trend“ an?
Schleicher: Im Moment sieht das so aus, und das wird auch noch eine ganze Weile so bleiben.

Alvermann: Klar, der Trend hält, wird sich aber auch weiterentwickeln müssen. Beispiel ist Personalisierung. Der Erzeuger wird noch stärker mit seiner Person, seinem Namen, seinem Bild für sein Produkt stehen und werben müssen. Das passiert ja auch schon in Anfängen.

Fromm: Der Trend hält an. Und bei der Frische ist sicher auch noch mehr drin. Auch bei Molkereiprodukten ist Luft nach oben. Der Preis bleibt dabei ein sensibles Thema, auch die Lebensmittelsicherheit wird immer wichtiger.

Schleicher: Eine wichtige Unterstützung bei der regionalen Vermarktung ist das Regionalfenster. Handelsmarken mit starken regionalen Partnern haben Potenzial, aber auch regional starke Marken, wie zum Beispiel Hemme Milch. Mit Blick auf die Abläufe würde ich mir wünschen, Ware öfter bündeln zu können. Das klappt beispielsweise bei Werder Frucht. Da kriegen unsere Märkte Honig, Apfelsaft und mehr von kleineren Produzenten gebündelt in einer Lieferung. Wenn aber jeder einzeln an die Rampe fahren muss, ist das ein ziemlich großer Aufwand für Kleinstlieferanten und Händler.

Schornberg: Klar ist der Preis immer wichtig. Bei Obst und Gemüse ist die Preis-Sensibilität aber nicht so ausgeprägt wie in anderen Warengruppen, weil hier die Preiselastizität sehr gering ist. Der Käufer ist es gewohnt, dass Obst- und Gemüsepreise im Saisonverlauf schwanken.

Wäre eine Kampagne etwa nach dem Motto „Esst-mehr aus Brandenburg“ denkbar?
Gerber: Eine solche Kampagne zur Unterstützung ist denkbar, aber erstmal müssen die Liefer- und Wertschöpfungsketten feststehen und genügend Masse und Abnehmer da sein. Ansonsten wecken wir nur Begehrlichkeiten, die dann nicht bedient werden können.

Alvermann: Mir fehlt nach wie vor die klare Begriffsbestimmung. Sie ist für die Vermarktung in Zukunft noch wichtiger. Wann ist ein regionales Produkt regional? Wenn der Fruchtjoghurt aus Brandenburg, also Milch und Obst aus Brandenburg kommen, ist das klar. Aber kann ein Pfirsich-Joghurt aus Brandenburg kommen? Eine klare Definition für den Kunden wäre hilfreich.

Gerber: Braucht der Konsument tatsächlich eine Definition für Regionalität? Reicht es nicht auch, wenn 86 Prozent des Produktes in der Region produziert werden? Die Definition für „Regional“ ist dann ganz klar die Landesgrenze. Was hier produziert wird, ist regional.

Round Table Teilnehmer (siehe Foto oben)
  • Minister Albrecht Gerber, Ministerium für Wirtschaft & Energie Brandenburg (Mitte)
  • Björn Fromm, Präsident des HBB – Handelsverband Berlin-Brandenburg (und Edeka-Kaufmann) (2. v. l.)
  • Jan Schleicher, Rewe-Region Ost, Leiter Category Management (3. v. l.)
  • Till Alvermann, ODW Frischeprodukte GmbH (Marke: Mark Brandenburg), Geschäftsführer (4. v. r.)
  • Dr. Sebastian Schornberg, Havelia GmbH, Geschäftsführer (2. v. r.)
  • Andrea Kurtz (l.), Silvia Schulz (r.), Reiner Mihr (3. v. r.), Lebensmittel Praxis